Betroffen müssen wir hinnehmen, dass Helmut Beckmann, kaum dass er in den Ruhestand eingetreten war, verstorben ist. Mit ihm verbanden uns mehr als 2 Jahrzehnte gemeinsamer wissenschaftlicher und klinischer Arbeit in kollegialer Solidarität.

Helmut Beckmann wurde 1940 in Stettin geboren. Er wuchs zunächst in Oberschlesien auf, besuchte nach Kriegsende dort eine polnische Schule, bis die deutschstämmige Bevölkerung vertrieben wurde. Seine Familie fasste dann in Düsseldorf Fuß, wo er die Schule mit der Reifeprüfung abschloss. Er studierte Medizin in Köln, Düsseldorf, Heidelberg und München. Nach der Promotion 1967 und der 2-jährigen Tätigkeit als Medizinalassistent wurde er 1969 Assistenzarzt im Bezirkskrankenhaus Haar in München.

1972 trat Helmut Beckmann als Wissenschaftlicher Assistent in die Psychiatrische Klinik und Poliklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München ein. Dort empfing ihn eine kaum glaubliche Aufbruchstimmung in den Forschergruppen um Hanns Hippius und Norbert Matussek. Dank der Aufklärung der mutmaßlichen Wirkmechanismen der Antidepressiva, Neuroleptika und auch psychotroper Drogen wie Lysergsäurediethylamid (LSD) glaubte man, den Ursachen psychischer Krankheiten sehr dicht auf der Spur zu sein.

Davon beflügelt ging Helmut Beckmann 1973 als Gastwissenschaftler an das National Institute of Mental Health (NIMH) in Bethesda/USA, wo er mit F.K. Goodwin arbeitete. 1974 kehrte er an die Psychiatrische Universitätsklinik nach München zurück und habilitierte sich dort 1978 für das Fach Klinische Psychiatrie mit seinen Untersuchungen zum Stoffwechsel biogener Amine.

Von 1978–1984 war Helmut Beckmann leitender Oberarzt und stellvertretender Direktor der Psychiatrischen Klinik des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim und C3-Professor an der Universität Heidelberg. Von Beginn an spielte der Einsatz von Psychopharmaka als Instrument („challenge“) zur Klärung pathogenetischer Zusammenhänge in seinen Forschungen eine bedeutsame Rolle. Systematisch verfolgte er mit dieser Forschungsstrategie die von D. Janowsky 1974 formulierte adrenerg-cholinerge Gleichgewichtshypothese affektiver Störungen. Dieser war implizit, dass eine monokausale Betrachtung psychischer Krankheiten zu kurz greift, und dass es eher auf das Wechselspiel multipler biochemischer Parameter ankommt. Entsprechend untersuchte Helmut Beckmann mit W.F. Gattaz u. a. multiple Liquorparameter zur Frage, ob es krankheitstypische Konzentrationsmuster gebe. Mit W.F. Gattaz führte er auch erste humangenetische Studien zum HLA-System auf Chromosom 6p durch.

Im Jahr 1984 konnte Helmut Beckmann zwischen dem Ruf auf den Lehrstuhl für Psychiatrie in Würzburg und in Innsbruck wählen. Er entschied sich für Würzburg, wo er von seinem viel zu früh nach schwerer Krankheit verstorbenen Vorgänger, Herrn Prof. O. Schrappe, ab 1985 eine strukturell exzellent vorbereitete Klinik mit neuem wissenschaftlichem Geist und Forscherdrang füllen konnte. Systematisch und konsequent betrieb er den Aufbau und die Entwicklung von Forschergruppen und Labors für Psychopharmakologie, Neurobiochemie, Neuropsychoendokrinologie, Genetik, Psychophysiologie, Neuropathologie, Neuroimaging und Psychopathologie. Dabei hatte er großes Geschick, exzellente Forscher an seine Klinik zu holen und zu binden. So hatte die Klinik schon in wenigen Jahren ein neues, spezifisches Renommee weit über die Grenzen Deutschlands hinaus.

Gemeinsam mit H. Jakob (Wiesloch) publizierte Helmut Beckmann 1986 als erster den Befund von Migrationsstörungen im entorhinalen Kortex bei schizophren Kranken. Damit wurde das Konzept der Schizophrenie als Entwicklungsstörung des Gehirns inauguriert. Es hat seither international breites Interesse gefunden und ist Gegenstand intensiver Forschung.

Klinisch galt ein besonderes Forschungsinteresse Helmut Beckmanns der von Karl Leonhard entwickelten Klassifikation psychischer Krankheiten und hier insbesondere der endogener Psychosen. Auf Karl Leonhard und seine Doktorandin Edda Neele geht die international anerkannte Differenzierung der affektiven Psychosen in uni- und bipolare Formen zurück. Helmut Beckmann ermöglichte, dass die Mitarbeiter der Würzburger Klinik Karl Leonhard bis zu dessen Tod im Jahre 1988 mehrfach bei der psychopathologischen Diagnostik erleben konnten. Damit wurden vielfältige Forschungsaktivitäten angestoßen, die u. a. zur Identifizierung einer Kopplung der periodischen Katatonie an einen Genort auf Chromosom 15q15 führten.

Die differenzierte Psychopathologie nach Karl Leonhard prägte auch die tägliche Arbeit von Helmut Beckmann im klinischen Alltag. Insbesondere war es ihm ein Anliegen, über sie eine differenzierte Therapie für Patienten mit unterschiedlichen endogenen Psychosen zu entwickeln. Dieses Anliegen verfolgte er mit großer Beharrlichkeit und vermittelte es als engagierter klinischer Lehrer seinen Mitarbeitern und Studenten.

Die Publikationsliste von Helmut Beckmann umfasst rund 400 Arbeiten in nationalen und internationalen Zeitschriften. Er gehörte den Editorial bzw. Advisory Boards zahlreicher internationaler Fachzeitschriften an. Er war ein begehrter Referent: Bei nationalen und internationalen Kongressen hielt er etwa 350 Vorträge vor wissenschaftlichen Kollegen und Gesellschaften in rund 40 Ländern.

Helmut Beckmann gehörte zahlreichen internationalen Gesellschaften an. 1978 gehörte er zu den Mitbegründern der Deutschen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie in Barcelona. 1989 gründete er die Internationale Wernicke-Kleist-Leonhard-Gesellschaft, der er seitdem als Präsident vorstand. 1991–1997 war er „Secretary-Treasurer“ der Weltgesellschaft für Biologische Psychiatrie, von 1992–1998 Vizepräsident und von 1998–2002 Präsident des „Collegium Internationale Neuro-Psychopharmacologicum“ (CINP).

Die Universität Asunción hat Helmut Beckmann die Ehrendoktorwürde verliehen. Er war Ehrenmitglied der „American Society of Biological Psychiatry“ und der „Brazilian Society of Biological Psychiatry“. Die Universitäten von Buenos Aires (Argentinien) sowie Asunción (Paraguay) ernannten ihn jeweils zum „Invited Distinguished Professor“.

Helmut Beckmann hat sich um die Erforschung der Ursachen psychischer Krankheiten mit Akzenten, von denen hier nur einige skizziert wurden, sehr verdient gemacht. Er hinterlässt nicht nur ein gut bestelltes Forschungsfeld, sondern zahlreiche Forscher, die nicht zuletzt ihm ihre fruchtbare Forschung verdanken. Wir hätten es ihm gewünscht, dass er die Weiterentwicklung seiner wissenschaftlichen Ansätze und Arbeiten länger begleitet.

Jürgen Deckert (Würzburg), Jürgen Fritze (Pulheim), Konrad Maurer (Frankfurt am Main), Peter Riederer (Würzburg).