Zusammenfassung
Die Mikrodeletion 22q11.2 hat eine Inzidenz von etwa 1:4000 und führt unter anderem zum DiGeorge-Syndrom (DGS) sowie zum velokardiofazialem Syndrom (VCFS). Sie wird in der Regel in der Neugeborenenperiode und Kindheit diagnostiziert. Verlaufsstudien jüngerer Zeit zeigten, dass insbesondere Patienten mit VCFS in der späten Adoleszenz und im Erwachsenenalter gehäuft psychiatrisch erkranken. Wir berichten über einen 30-jährigen Patienten mit leicht dysmorphen Gesichtszügen, einem Hypoparathyreoidismus, geringgradigen kardialen Anomalien und leichtgradigen kognitiven Defiziten, bei dem erst die Diagnose einer schweren Persönlichkeitsstörung zur Entdeckung einer maternal ererbten Mikrodeletion 22q11.2 führte. Bei psychiatrischen Patienten sollte auf phänotypische Auffälligkeiten, die auf diese Chromosomenanomalie hinweisen, geachtet und ggf. eine gezielte genetische Untersuchung eingeleitet werden. Die Notwendigkeit hierfür ergibt sich insbesondere aus der 50%igen Wahrscheinlichkeit einer Weitervererbung mit möglicherweise schweren kongenitalen Fehlbildungen. In Anbetracht einer Prävalenz von 2% in einer unselektionierten Gruppe von Patienten mit Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis wird die Mikrodeletion 22q11.2 vermutlich zu selten diagnostiziert.
Summary
Microdeletion 22q11.2 with an estimated incidence of 1:4000 is known to cause the DiGeorge syndrome (DGS) or the velocardiofacial syndrome (VCFS), both usually being diagnosed in the newborn period or childhood. Recent studies have shown that children suffering from VCFS frequently develop psychiatric disorders in late adolescence or adulthood. Here we report the case of a 30-year-old man presenting with slight facial dysmorphisms, hypoparathyreoidism, minor cardiac anomalies, and slight cognitive impairments who had developed a severe personality disorder which eventually led to the diagnosis of microdeletion 22q11.2 with maternal inheritance. Psychiatric patients should be thoroughly examined for typical signs associated with this chromosomal anomaly. Genetic diagnosis is necessary because of the 50% probability of inheritance with possibly severe congenital anomalies. In view of a prevalence of 2% in an unselected group of patients with schizophrenic psychosis, microdeletion 22q11.2 is likely to be underdiagnosed.
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Leyhe, T., Haarmeier, T., Dufke, A. et al. Mikrodeletion 22q11.2Eine zu selten diagnostizierte genetische Veränderung bei psychiatrischen Erkrankungen. Nervenarzt 73, 452–457 (2002). https://doi.org/10.1007/s00115-001-1223-x
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