Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags sind Sie in der Lage, die folgenden Komponenten einer Operationsvorbereitung (OPV) in der Unfallchirurgie zu adressieren … :

  • Aufgaben des Arztes,

  • Kernbestandteile der OPV,

  • Algorithmus zur OPV,

  • Checkliste für die OPV.

Fallbeispiel.

Ihr 64-jähriger Chefarzt der Anästhesie stürzt mit dem Fahrrad auf dem Heimweg von der Sommerfeier seiner Abteilung und wird mit dem Rettungsdienst in Ihre Notaufnahme transportiert. Klinisch ergibt sich der Verdacht auf eine geschlossene Fraktur des Handgelenks; in der konventionellen Röntgenbildgebung des rechten Handgelenks in 2 Ebenen zeigt sich eine distale Radiusfraktur vom AO-Typ 2R3-C3.3. Weitere Verletzungen bestehen nicht.

Geplant ist eine volare Plattenosteosynthese voraussichtlich am 4. Tag nach der Verletzung und Abschwellung der Weichteile.

In der Anamnese ergeben sich keine relevanten Vorerkrankungen, es besteht keine Medikamenteneinnahme, insbesondere werden eine Herz‑, Lungen‑, Nieren‑, Leber‑, Bluterkrankung sowie ein Diabetes mellitus verneint. Des Weiteren besteht kein Anhalt für eine Blutungsanamnese oder eine Antikoagulation.

Welche diagnostischen Maßnahmen wie Blutabnahme, 12-Kanal-EKG, Thoraxröntgen etc. führen Sie im Rahmen der Operationsvorbereitung durch?

Was versteht man unter Operationsvorbereitung?

Die Operationsvorbereitung (OPV) umfasst verschiedene Maßnahmen, die vor einem chirurgischen Eingriff durchgeführt werden sollen, mit dem Ziel eine komplikationslose und erfolgreiche Behandlung zu gewährleisten. Hierzu erfolgt zunächst eine detaillierte Patientenanamnese im Hinblick auf das Unfallgeschehen, Vorerkrankungen, Voroperationen sowie Allergien. Wesentlich sind v. a. ein ausführliches und dokumentiertes Aufklärungsgespräch über den Eingriff sowie Anweisungen zu präoperativen Nüchternheit bzw. Einnahme von Getränken, Speisen und insbesondere von Medikamenten.

Bei der Operationsplanung müssen patientenspezifische und technisch-apparative Aspekte bedacht werden. Dies betrifft u. a. die Wahl des Zugangsweges, der operativen Prozedur und des Implantats. Auch in der Notfallsituation muss eine sichere Durchführung der operativen Behandlung gewährleistet sein. Je „elektiver“ der Eingriff ist, umso präziser und umfangreicher kann die Planung erfolgen.

Die Dokumentation der durchgeführten Maßnahmen ist unerlässlich, und die einzelnen Schritte der OPV müssen in der Krankenakte festgehalten werden.

Die Kernbestandteile der OPV sind:

  • Sicherung der Indikation,

  • Feststellung des funktionellen Anspruchs des Patienten,

  • Planung des Eingriffs,

  • Identifikation von patientenbezogenen und eingriffsbezogenen Risikofaktoren anhand von standardisierten Checklisten,

  • Aufklärung,

  • Überprüfung der Vorgänge anhand von redundanten Sicherheit-Checklisten und deren Dokumentation.

Sicherstellung der Indikation

Die Indikation für einen operativen Eingriff ist unerlässliche Voraussetzung und stellt somit den Ausgangspunkt für die Operationsvorbereitung dar. Es muss mindestens durch einen Facharzt eine eindeutige und unmissverständliche Indikation festgelegt werden, die sich zwingend aus der Verletzung des Patienten ergibt. Im Aufklärungsgespräch mit dem Patienten muss über alternative Therapien und deren Erfolgsaussichten gesprochen werden. Es gilt, den individuellen Anspruch des Patienten zu evaluieren und eine partizipative Entscheidungsfindung anzustreben.

Eine Ausnahme stellt ein akut lebensbedrohlicher Notfall dar. Falls der Patient nicht in der Lage sein sollte selbst einzuwilligen, muss der mutmaßliche Patientenwille angenommen werden. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass der Patient die bestmögliche Wiederherstellung seiner Gesundheit wünscht.

Festlegung des funktionellen Anspruchs und des individuellen Therapieziels

Im einleitenden Gespräch der OPV muss anamnestisch eruiert werden, welcher funktionelle Ausgangszustand vorgelegen hat, beispielsweise ob vorbestehende Bewegungseinschränkungen bestanden. In Abhängigkeit von diesen Befunden und der vorliegenden Verletzung gilt es, gemeinsam mit dem Patienten ein individuelles Therapieziel festzulegen.

Planung des Eingriffs

Die akribische und perfekte Vorbereitung ist einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren operativer Eingriffe. Hierzu zählt die Festlegung der geplanten Operationsprozedur und möglicher alternativer Techniken. Klar ist, dass bei Notfalleingriffen keine aufwendigen Messungen von Knochendimensionen an 3D-CT-Rekonstruktionen durchgeführt werden können. Jedoch muss sichergestellt sein, dass alle infrage kommenden Implantate vorhanden und die entsprechenden Werkzeuge einsatzfähig sind. Hilfreich hat sich die digitale Operationsplanung mithilfe elektronischer Planungsprogramme erwiesen. Hier gilt, je elektiver der Eingriff, umso detaillierter muss die Planung sein. Des Weiteren muss die Patientenlagerung klar festgelegt sein, da die folgenden Entscheidungen, z. B. das Anästhesieverfahren, ganz wesentlich von diesen Fragen beeinflusst werden. Ziel dieser Maßnahme ist es, durch die optimale Vorbereitung und Planung das beste Ergebnis für den Patienten zu erzielen.

Identifikation von eingriffs- und patientenbezogenen Risikofaktoren

Die Operationsvorbereitung ermöglicht, patienten- und auch eingriffsspezifische Risikofaktoren zu identifizieren. Im Rahmen der OPV können diese Risiken mithilfe strukturierter Anamnese, klinischer Untersuchung sowie einer erweiterten apparativen Diagnostik erkannt und mögliche Komplikationen verhindert werden. Hierzu zählen einerseits relevante Vorerkrankungen, z. B. Blutungs‑, Raucheranamnese und kardiovaskuläre Erkrankungen, die sowohl anästhesiologische als auch chirurgische Komplikationen bedingen können.

Andererseits hat jedes gewählte Operationsverfahren eine unterschiedlich große Zugangsmorbidität. Je nach Lokalisation können Gefäß- und Nervenverletzungen zu vorübergehenden Einschränkungen bis hin zu permanenten Lähmungen oder gar zum Tode führen. Dem Patienten sollten deshalb diese eingriffsspezifischen Risiken erläutert werden. So wird sich der Wunsch des Patienten bezüglich der Implantatentfernung einer Ellenbogenplatte möglicherweise relativieren, nachdem er über die Konsequenzen eines Ausfalls des N. radialis oder N. ulnaris informiert wurde. In dem im Rahmen der OPV geführten Gespräch mit dem Patienten muss der ungefähre Operationsablauf beschrieben werden. Hilfreich sind vorgefertigte Aufklärungsbogen des betroffenen Operationsgebietes mit Illustrationen der Anatomie. Hier können Begleitverletzungen visualisiert und relevante Zusatzinformationen eingezeichnet werden. Detaillierte Kenntnisse der Operationstechnik, der verwendeten Implantate, Komplikationen und Risiken sind unabdingbare Voraussetzung des Aufklärungsgesprächs.

Erforderliche Unterlagen

Die Patienten sollten die folgenden Unterlagen zur OPV vorlegen:

  • Arztberichte,

  • Befunde von Voruntersuchungen (z. B. Bildgebung, Echokardiographie, Duplexsonographie etc.),

  • Medikamentenplan (ggf. Bundesmedikationsplan),

  • Allergiepass,

  • bei Reoperationen frühere Operationsberichte.

Da sich medizinische Bedingungen durchaus ändern können, haben diese Risikoermittlungen und Untersuchungen nur eine begrenzte zeitliche Gültigkeit.

Bei operativen Eingriffen muss die Aufklärung durch den Arzt mindestens einen Tag zuvor erfolgen (BGH vom 07.04.1992 – VI ZR 192/91; BGH vom 08.01.1985 – VI ZR 15/83). Unmittelbar am Tag des Eingriffs kann eine Aufklärung nur bei kleineren ambulanten Eingriffen erfolgen. Hier muss dem Patienten jedoch klar vermittelt werden, dass er sich gegen die ärztliche Maßnahme entscheiden kann (BGH vom 14.06.1994 – VI ZR 260/93, [1]). Notfalleingriffe mit absolut dringender Indikation (erhebliche, lebensbedrohliche Gefahr für die Gesundheit) sind hiervon gesondert zu betrachten. Bezüglich der zeitlichen Obergrenze zwischen erfolgter Operationsaufklärung und geplantem Eingriff gibt es keine klare gesetzliche Vorgabe. Das Oberlandesgericht Dresden hatte hierzu in seiner Entscheidung (Az. 4 U 507/16) festgehalten, dass keine rechtfertigende Einwilligung in die Behandlung vorliegt, wenn zwischen der Aufklärung und der Operation mehr als 6 Monate vergangen sind. In der klinischen Praxis hat sich für elektive operative Eingriffe ein maximaler Zeitraum von 6 Wochen etabliert [2]. Falls die Aufklärung länger zurückliegen sollte, empfiehlt es sich, den Patienten zu fragen, ob der Inhalt, die Vor- und Nachteile sowie die Risiken des geplanten Eingriffs immer noch klar verständlich sind. Falls dies der Fall sein und es keine offenen Fragen geben sollte, kann dies auf dem bereits unterschriebenen Aufklärungsbogen schriftlich notiert und durch den Patienten mithilfe seiner Unterschrift bestätigt werden.

Im Ratgeber für Patientenrechte des Bundesministeriums für Gesundheit heißt es:

Der richtige Zeitpunkt dafür [Aufklärung] richtet sich auch nach der Art und der Dringlichkeit des Eingriffs. Bei einer Impfung reicht es beispielsweise aus, wenn die Ärztin oder der Arzt Sie unmittelbar vorher aufklärt. Bei einer geplanten Hüftgelenksoperation wird hingegen die Aufklärung in der Regel mehrere Tage vor dem Eingriff erfolgen müssen. Sie sollten in jedem Fall genügend Zeit haben, sämtliche Fragen zu stellen, Ihre Entscheidung nochmals zu überdenken und – bei Bedarf – weitere Informationen einzuholen. Keinesfalls darf die Aufklärung erst dann erfolgen, wenn Sie bereits unter Schmerz- und Beruhigungsmitteln auf die Operation vorbereitet werden. (Bundesministeriums für Gesundheit [3])

Hinsichtlich der Gültigkeit von Laborwerten oder weiteren diagnostischen Untersuchungen gilt es immer, individuell, entsprechend dem patienten- und eingriffsspezifischen Risiko, zu entscheiden. Pathologische Befunde erfordern evtl. eine Therapie und entsprechende Kontrolle der getroffenen Maßnahmen (Verlaufsbildgebung, Laborkontrolle etc.). Bei Laborwerten hat sich in der klinischen Routine hinsichtlich der Gültigkeit eine Obergrenze von 4 Wochen etabliert [2].

Im Folgenden sollen diese Maßnahmen ausführlich dargestellt werden.

Untersuchung, Beurteilung und Markierung des Operationsgebietes

Im Rahmen der OPV erfolgen die Inspektion und Beurteilung des Operationsgebietes. Dabei sind besonders der Weichteilstatus wie Schwellung, Hämatom, offene Wunden im Bereich des Operationszugangs zu dokumentieren.

Die periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität (DMS) werden geprüft und schriftlich festgehalten. Anschließend wird die zu operierende Seite gemeinsam mit dem Patienten markiert.

Einnahme von Medikamenten

Während des Aufklärungsgespräches wird die Medikamentenanamnese erhoben, insbesondere im Hinblick auf eine medikamentöse Antikoagulation. Welche Medikamente noch am Tag der Operation eingenommen werden sollten, ist mit den Kollegen der Anästhesie im Rahmen der Prämedikation zu klären. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, alle Medikamente zu evaluieren, die einen potenziellen negativen Einfluss auf das Operationsergebnis bewirken könnten. So reduziert z. B. eine Immunsuppression die Knochenbruchheilung. Hier muss abgewogen werden, ob die Erfolgsaussichten evtl. durch ein Absetzen der Medikamente gesteigert werden können.

Perioperative Checkliste zur Risikoreduktion

Mehrere Arbeitsgruppen haben sich mit der Problematik des präoperativen Risikos sowie Strategien zu Vermeidung und Reduktion von Risiken befasst und klar demonstriert, dass die Anwendung standardisierter Checklisten zu einer signifikanten Risikoreduktion führt. Insbesondere nach der Studie von Haynes sowie der Arbeitsgruppe des „World Health Organization’s Safe Surgery Saves Lives Program“, in der in 8 Städten sog. perioperative Checklisten eingeführt wurden [4], entstand auch in vielen Krankenhäusern Deutschlands analog zum von der WHO propagierten Vorgehen die große Motivation ihre Nutzung etablieren.

Diese Checkliste für das „team-time-out“ beinhaltet u. a. Elemente zur Identifikation des Patienten, zur Festlegung der Eingriffsseitenmarkierung, zum verantwortlichen Arzt, zur Indikationsstellung sowie zur geplanten operativen Maßnahme [4].

Die an der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Klinikum rechts der Isar, eingesetzte Checkliste zur präoperativen Vorbereitung, die für jeden Patienten der Unfallchirurgie verpflichtend vor einer Operation vorliegen muss, zeigt Abb. 1.

Abb. 1
figure 1

Checkliste zur präoperativen Vorbereitung aus der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Klinikum rechts der Isar, München

Weitere wichtige Aufgaben des OPV-Arztes sind somit, dass die Indikation durch einen Facharzt gestellt und durch einen Oberarzt bestätigt wurde und die Kontrolle, ob die Operation vollständig mit korrekter Lagerung und Seite angemeldet ist. Ferner ist zu prüfen, ob das richtige Instrumentarium insbesondere bei speziellen Implantaten vorhanden ist. Dies gilt ganz besonders bei Implantatentfernungen von ex domo voroperierten Patienten. In diesem Fall und auch bei Revisionseingriffen ist es unerlässlich, dass die Operationsberichte und auch Arztbriefe zu den vorherigen Eingriffen angefordert werden.

„Coronavirus disease 2019“

Im Rahmen der aktuellen durch die Coronavirus disease 2019 (COVID-19) verursachten Pandemie soll vor elektiven Eingriffen ein COVID-19-Ausschluss mithilfe eines Mund‑, Nasen- oder Rachenabstrichs erfolgen. In einer aktuell veröffentlichten Studie konnte gezeigt werden, dass eine Infektion mit dem „severe acute respiratory syndrome coronoavirus 2“ (SARS-CoV-2) zu einer signifikant erhöhten postoperativen Mortalitätsrate von 23,8 % innerhalb der ersten 30 Tage nach einer Operation führt [5]. Um das operative Risiko besser einschätzen und sowohl den Patienten als auch Mitpatienten und Personal besser schützen zu können, ist es sinnvoll, vor elektiven sowie, wenn möglich, auch vor notfallmäßigen Operationen einen SARS-CoV-2-Schnelltest durchzuführen. Die tagesaktuellen Empfehlungen finden sich auf der Webseite des Robert Koch-Instituts (www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/nCoV.html).

Screening auf Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus

Entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie empfiehlt sich insbesondere bei hüftgelenknahen Frakturen ein präoperatives Screening auf das Vorliegen einer Infektion mit einem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA, [6]). Nach den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts sollten in diesem Fall eine Isolation des Patienten erfolgen, die Antibiotikatherapie angepasst und die Operation ohne Verzögerung in septischem OP-Bereich durchgeführt werden [6].

Standardisierter und strukturierter Algorithmus zur OPV in der Unfallchirurgie

Die Grundlage des Algorithmus zur OPV (Abb. 2) ist eine gemeinsame Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) aus dem Jahr 2017 [2]. Vorausgegangen sind dieser eine Empfehlung des Jahres 2010 [7] sowie die Ausführungen von Zwissler aus dem Jahr 2000 [8].

Abb. 2
figure 2

Algorithmus zur Operationsvorbereitung vor unfallchirurgischen Eingriffen. AÖF Aortenklappenöffnungsfläche, aPTT aktivierte partielle Thromboplastinzeit, AV atrioventrikulär, BMI Body-Mass-Index, CCS Canadian Cardiovascular Society, CRP C-reaktives Protein, Hb Hämoglobin, INR International Normalized Ratio, MET „metabolic equivalent of task“ (metabolisches Äquivalent), NYHA New York Heart Association, PRIND prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit (Hinweis: Die Begriffe „RIND“ und „PRIND“ gelten mittlerweile als obsolet und sind von den aktuellen Einteilungen des Schlaganfalls aufgegeben worden.), proBNP „N‑terminal pro-B-type natriuretic peptide“, TIA transitorische ischämische Attacke. (Mit freundlicher Genehmigung der Autoren, alle Rechte vorbehalten)

Bei der Durchführung von diagnostischen Maßnahmen besteht neben einem fraglichen medizinischen Nutzen auch das Risiko, dass falsch-positive Befunde festgestellt werden. Dies kann dazu führen, dass aus den Untersuchungsresultaten weitere diagnostische Schritte abgeleitet werden, die nicht nur unnötig und ggf. kostenintensiv sind, sondern den Patienten – insbesondere bei invasiven diagnostischen Techniken – auch gefährden können [9]. Zusätzlich zu berücksichtigen ist die aktuelle Rechtsprechung in Bezug über das erforderliche Maß hinausgehende Untersuchungen.

Weiterhin bergen Routineuntersuchungen, die letztlich nicht medizinisch indiziert waren, auch für den anordnenden Arzt potenzielle Risiken. Böhmer et al. verweisen in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des BGH vom 21.12.2010 (Az: VI ZR 284/09), „dass auch Ärzte anderer Fachgruppen außer der Radiologie die Augen vor Zufallsbefunden bei Röntgenuntersuchungen (und naturgemäß auch anderen Untersuchungsmethoden) nicht verschließen dürfen“ [10].

„Hintergrund dieser Entscheidung war der Fall eines Anästhesisten, der vor einer Meniskusoperation als Routinediagnostik ein Thoraxröntgenbild veranlasst hatte. Die Aufnahme wurde dem Anästhesisten ohne Befundung seitens der Radiologie übermittelt, sodass dieser die Aufnahme selbst auswertete und dabei keine der Anästhesie entgegenstehenden Befunde feststellte. Er übersah bei der Betrachtung der Aufnahme allerdings einen ca. 2 cm großen Rundherd. Im Folgejahr wurde bei der Patientin ein Adenokarzinom des rechten Lungenflügels diagnostiziert, an dem diese zwei Jahre später verstarb. Der Ehemann als Kläger machte geltend, dass der Rundherd grob fehlerhaft nicht erkannt und weiter abgeklärt worden sei. Wäre dies hingegen geschehen, hätte seine Ehefrau mutmaßlich erfolgreich behandelt werden können“ [10]. Hierzu stellt der BGH fest: „Den Arzt verpflichten auch die Ergebnisse solcher Untersuchungen zur Einhaltung der berufsspezifischen Sorgfalt, die medizinisch nicht geboten waren, aber trotzdem – beispielsweise aus besonderer Vorsicht – veranlasst wurden.“

Dies bedeutet für die OPV, dass, wenn präoperative Untersuchungen indiziert werden, die Ergebnisse in jedem Fall genauestens geprüft und ggf. weiterführende diagnostische und/oder therapeutische Maßnahmen angeordnet werden müssen. Es ist daher sinnvoll, das oft übliche „Routinescreening“ zu verlassen und den Umfang der Untersuchungen den patientenbezogenen Faktoren sowie dem geplanten operativen Eingriff anzupassen [11].

Der vorgestellte Algorithmus setzt die erforderliche komplexe Diagnostik vor einem unfallchirurgischen Eingriff in einen übersichtlichen, logisch aufgebauten und systematischen Prozess um (Abb. 2). Hierzu wurden die wesentlichen Kriterien für relevante unfallchirurgische Eingriffe definiert und in den Algorithmus implementiert, wobei anspruchsvolle Spezialoperationen wie z. B. Operationen zum Beckenersatz nicht durch den Algorithmus abgedeckt werden können. Im Zweifelsfall ist bei nicht im Algorithmus aufgeführten Eingriffen immer Rücksprache mit dem verantwortlichen Operateur zu halten.

Die pragmatische Kernfrage bezüglich der erforderlichen präoperativen Diagnostik, die im Rahmen der OPV beantwortet werden sollten, lautet:

Wer braucht eine Blutabnahme, ein Thoraxröntgen, ein 12-Kanal-EKG oder andere weiterführende Untersuchungen?

Im Folgenden werden die einzelnen Schritte des Algorithmus erläutert.

Anamnese, Untersuchungen, Medikation

Aufgabe der präoperativen Risikoevaluierung ist es, Patienten mit einer bisher nichterkannten oder nicht ausreichend behandelten und für die Operation oder Narkose relevanten Erkrankung präoperativ zu erkennen, um ggf. durch eine entsprechende Therapie die Voraussetzungen für den Eingriff zu optimieren [2]. Grundlagen jeder präoperativen Untersuchung sind eine sorgfältige Anamnese, einschließlich einer Blutungsanamnese (Abb. 3), eine orientierende körperliche Untersuchung und die Ermittlung der körperlichen Belastbarkeit des Patienten.

Das metabolische Äquivalent („metabolic equivalent of task“, MET) wird verwendet, um den Energieverbrauch verschiedener körperlicher Aktivitäten zu vergleichen. Es ist per definitionem der Sauerstoffverbrauch eines 70 kg schweren 40-jährigen Mannes in Ruhe und entspricht 3,5 ml Sauerstoff/kgKG und min. Der entsprechende Wert für Frauen beträgt 3,15 ml/kgKG und min. Das MET wird genutzt, um die Belastbarkeit des Patienten und damit seine Anästhesiefähigkeit einzuschätzen. Ein MET ≥ 4 entspricht der Fähigkeit, ein Stockwerk zu Fuß und ohne Pause hinaufzugehen oder leichte Hausarbeit ohne Dyspnoe zu verrichten (Tab. 1).

Tab. 1 Beurteilung des leistungsabhängigen Energieverbrauchs mithilfe des metabolische Äquivalents (MET). (Modifiziert nach Heck et al. [13])

Duplexsonographie der Halsgefäße

Eine intraoperative, auch lagerungsbedingte Hypotension z. B. im Rahmen einer halbsitzenden Lagerung („beach chair“) gilt als einer der wesentlichen Risikofaktoren. Daher sollten Patienten, die in den letzten 6 Monaten Symptome hatten, die auf eine A.-carotis-Stenose hinweisen, präoperativ einer Diagnostik (meist Sonographie) und einer sich evtl. daraus ergebenden Therapie zugeführt werden. Patienten, die symptomatisch waren sowie operativ/interventionell versorgt worden sind, stehen meist unter einer dualen Thrombozytenaggregationshemmung. Diese sollte, falls aus operativer Sicht möglich, nicht abgesetzt werden.

Entsprechend dem Algorithmus erfolgt eine präoperative Duplexsonographie der Halsgefäße, wenn innerhalb der letzten 6 Monate ein Apoplex, ein prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit (PRIND) oder eine transitorische ischämische Attacke (TIA) aufgetreten sind. Dies gilt ebenfalls, wenn der Verdacht auf ein derartiges thrombembolisches Geschehen besteht.

Posterior-anteriore Thoraxröntgenaufnahme

Fritsch et al. untersuchten den Einfluss einer „Routinethoraxaufnahme“ im Hinblick auf perioperative Komplikationen und konnten keinen positiven prädiktiven Wert für die Maßnahme feststellen [14]. Nur bei klinischer Verdachtsdiagnose einer für die Operation relevanten thorakalen Pathologie (z. B. Pleuraerguss, Atelektase, Pneumonie) ist die Anfertigung eines Röntgenbilds des Thorax indiziert [15]. Entsprechend erfolgt nach dem Algorithmus eine präoperative Röntgenaufnahme des Thorax nur, wenn die Verdachtsdiagnose auf eine pulmonale Erkrankung wie z. B. Pneumonie, Pleuraerguss sowie einer Atelektase vorliegt.

Blutungsanamnese, Gerinnungsstörung und Antikoagulation

Für die Erhebung der präoperativen Blutungsanamnese kann ein standardisierter Fragebogen (Abb. 3) verwendet werden [12]. Dieser Fragebogen wird zunächst durch den Patienten vorab ausgefüllt und gemeinsam mit dem OPV-Arzt bearbeitet. Bei auffälligen Befunden wird den im Fragebogen angegebenen Empfehlungen in Bezug auf Konsultationen und weiterführende Maßnahmen gefolgt.

Abb. 3
figure 3

Fragebogen zur präoperativen Erhebung der Blutungsanamnese. (Nach Pfanner et al. [12], mit freundlicher Genehmigung der Autoren, alle Rechte vorbehalten)

Bei Einnahme von direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) gibt es sowohl anästhesiologisch als auch unfallchirurgisch medikamentenspezifische Einflussfaktoren zu beachten. Henze et al. haben eine Übersicht zum perioperativen Vorgehen bei unfallchirurgischen Eingriffen von Patienten mit DOAK-Anwendung geliefert [16]. Folgende Kernpunkte sind entscheidend:

  • präoperativ: Einnahmezeitpunkt, keine Indikation für präoperatives Switching/Bridging,

  • postoperativ: Kontrolle der Retentionsparameter bei Gefahr der Kumulation des DOAK bei Niereninsuffizienz, Evaluation der Thromboseprophylaxe/-therapie bei persistierender Wirkkonzentrationen der DOAK,

  • alternative Schmerzmedikation bei zusätzlich gerinnungshemmender Medikation, v. a. „nonsteroidal anti-inflammatory drugs“ [16].

Blutabnahme

Generell wird eine routinemäßige Durchführung von Laboruntersuchungen nicht empfohlen, da mit zunehmender Anzahl von Laborparametern auch die Wahrscheinlichkeit steigt, zufällig außerhalb der „Norm“ liegende Werte im Sinne von falsch-positiven Ergebnissen zu entdecken [17]. Auch die Schwere des Eingriffs und das Alter des Patienten stellen per se keine Indikationen zur präoperativen Bestimmung von Laborparametern dar. Dies gilt auch für die Gerinnungsdiagnostik außer bei entsprechender Medikamentenanamnese (z. B. orale Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten) sowie bei klinischem Verdacht auf eine Gerinnungsstörung, z. B. Vorliegen einer positiven Blutungsanamnese auf der Basis des standardisierten Fragebogens (Abb. 3; [18]).

Bei Operationen mit relevantem Blutungsrisiko (> 10 %) sollte die Hämoglobinkonzentration unabhängig von vorbestehenden Erkrankungen bestimmt werden [2].

Blutgruppenbestimmung und Anforderungen von Erythrozytenkonzentraten

Bei allen größeren Eingriffen wie z. B. Wirbelsäuleneingriffen, Versorgung von Femurfrakturen, Implantation von Hemi‑/Totalendoprothesen an Hüft‑, Knie- und Schultergelenk erfolgt die Bestimmung der Blutgruppe. Dies gilt ebenso, wenn die präoperativ bestimmte Hämoglobinkonzentration unter 8 g/dl beträgt.

Die Anforderung von Erythrozytenkonzentraten auf Abruf ist bei hüftgelenknahen Frakturen, Beckenoperationen sowie bei entsprechender Vorgabe des Operateurs erforderlich. Bei hüftgelenknahen Frakturen beträgt die postoperative Transfusionsrate zwischen 39 % und über 50 % [19, 20]. Hier gilt es, bei der präoperativen Planung insbesondere patientenspezifische Risikofaktoren (Alter, Vorerkrankungen, Einnahme von Antikoagulanzien) zu berücksichtigen.

Unabhängig davon kann der verantwortliche Operateur in Abstimmung mit dem Anästhesisten weitere Vorgaben für die Bereitstellung von Blutprodukten festlegen. Für das perioperative Management bietet sich ein klinikinternes „Patient Blood Management“ an [21].

Weitere Blutuntersuchungen

Nach den Empfehlungen von DGAI, DGCH und DGIM werden die in Tab. 2 aufgeführten Blutuntersuchungen als Minimalstandard empfohlen [2].

Tab. 2 Indikationen für präoperative Blutuntersuchungen (Minimalstandard). (Aus Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin, Deutsche Gesellschaft für Chirurgie [2]

Für die routinemäßige präoperative Bestimmung leberspezifischer Laborwerte wie z. B. Bilirubin, Gammaglutamyltransferase (γ-GT), Glutamatdehydrogenase (GLDH) oder Transaminasen besteht ohne begründeten klinischen Verdacht keine Indikation. Bei Patienten mit einer Hepatitis oder einem bekannten Alkoholabusus kann eine Bestimmung der Transaminasen erwogen werden [2].

Entsprechend dem Algorithmus werden bei Vorliegen einer Lebererkrankung Bilirubin und Aspartataminotransferase (ASAT) bestimmt, bei Vorliegen einer Gerinnungsstörung oder einer Antikoagulation aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT), International Normalized Ratio (INR, Quick-Wert) und Fibrinogen, bei einer Herz‑, Lungen‑, Nieren- und/oder Bluterkrankung kleines Blutbild, Natrium, Kalium und Kreatinin.

Eine Bestimmung des C‑reaktiven Proteins (CRP) sollte obligatorisch vor geplanten Prothesen sowie vor größeren unfallchirurgischen Eingriffen erfolgen. Erhöhte präoperative CRP-Werte sind ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Protheseninfektion. Werte > 0,5 mg/dl sollten durch systemische und lokale Fokussuche abgeklärt werden [22].

Diabetisches Risiko

Metformin kann bei Kumulation u. a. zu einer Niereninsuffizienz und dadurch in seltenen Fällen zu einer lebensbedrohlichen Lactatacidose führen, sodass ein Absetzen 48 h vor dem Eingriff empfohlen wird. Im Algorithmus ist dargelegt, dass bei einem Diabetes mellitus Typ 1 oder einem Body-Mass-Index (BMI) > 30 kg/m2 ein diabetisches Risiko vorliegt. In diesem Fall sollte der Nüchternblutzuckerwert bestimmt werden. Zusätzlich wird wegen des kardialen Risikos im Rahmen der OPV auch ein 12-Kanal-EKG angefertigt.

Kardiales Risiko (12-Kanal-EKG)

Ein präoperatives 12-Kanal-EKG ist erforderlich, bei zerebrovaskulärer Insuffizienz, ischämischer Herzerkrankung, Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz, peripherer arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), Herzvitien und Herzklappenerkrankungen. Ebenso bei Z. n. Implantation eines Defibrillators (ICD) oder Schrittmachers. Zusätzlich, wie oben beschrieben, bei einem Diabetes mellitus Typ 1 oder einem BMI > 30 kg/m2.

Kardiologisches Konsil

Ein kardiologisches Konsil vor dem Eingriff ist nur bei akut symptomatischen Herzerkrankungen erforderlich (Tab. 3). Diese ergeben sich entweder bereits durch die Anamnese oder beim Abarbeiten des Algorithmus.

Tab. 3 Akute symptomatische Herzerkrankungen („active cardiac condition“). (Aus Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin, Deutsche Gesellschaft für Chirurgie [2])

Patienten mit präoperativ erhöhten kardialen Integritätsmarkern wie z. B. Troponin oder „N-terminal prohormone of brain natriuretic peptide“ (NT-proBNP) weisen perioperativ vermehrt kardiovaskuläre Komplikationen auf. Ob die routinemäßige präoperative Bestimmung kardialer Integritätsmarker bei kardiovaskulären Risikopatienten einen Beitrag zur Senkung der perioperativen Morbidität oder Letalität leisten kann, ist bislang unklar; sie wird daher nicht empfohlen [2].

Entsprechend dem Algorithmus wird abschließend geprüft, ob ein kardiologisches Konsil angefordert werden sollte. In diesem Fall sollten ein 12-Kanal-EKG sowie die Untersuchungsbefunde der Herzenzyme Troponin‑T und NT-proBNP vorliegen.

Ein kardiologisches Konsil ist erforderlich, bei neu aufgetretener Dyspnoe, Verschlechterung einer bekannten Herzinsuffizienz, instabilem Koronarsyndrom, dekompensierter Herzinsuffizienz, signifikanter Arrhythmie sowie relevanter Herzklappenerkrankung. Bei einem MET < 4, wenn mehr als 2 Risikofaktoren in den Checklisten Thoraxröntgen und/oder ein diabetisch-kardiales Risiko bestehen. Dies gilt ebenso bei einem MET < 4, wenn ein relevanter unfallchirurgischer Eingriff entsprechend den Checklisten Erythrozytenkonzentrate/Kreuzblut erfolgt und ein Risikofaktor für ein diabetisch-kardiales Risiko vorliegt.

Was passiert beim Aufklärungsgespräch?

Rechtliche Aspekte

Eine besondere Bedeutung kommt im Rahmen der OPV der Aufklärung des Patienten zu. Prinzipiell erfüllt jede Operation den Tatbestand der schweren Körperverletzung, der nur dadurch „gestattet“ wird, dass der Patient hiermit einverstanden ist. Dieses Einverständnis erfordert aber eine intensive Beschäftigung mit den medizinischen Sachverhalten und eine Abwägung der Optionen, die nur nach entsprechender Aufklärung möglich ist. Darüber hinaus ist die ärztliche Behandlung nach § 611 BGB eine Dienstleistung und keine Werkleistung nach § 613 BGB, die bei einem Ausbleiben des Erfolgs eine nochmalige Leistung oder Nachbesserung beinhaltet. Der Arzt schuldet somit lediglich die Dienstleistung, also eine sorgfältige, fachgerechte Behandlung, nicht aber den Behandlungs- oder Heilerfolg.

Seit dem Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes im Februar 2013 gelten die entsprechenden Neuregelungen im BGB. Viele dieser Regelungen geben den schon durch die Rechtsprechung geprägten Zustand wieder und präzisieren ihn teilweise [11]. Für den klinischen Alltag sind v. a. Folgende von Bedeutung:

  • Die Aufklärung hat gemäß § 630e BGB mündlich zu erfolgen; die alleinige Übergabe von Texten und deren Unterzeichnung durch den Patienten reichen nicht aus. Die ergänzende Bezugnahme auf Texte ist gestattet, wobei es entscheidend darauf ankommen wird, dass der Patient Gelegenheit hat, Fragen zu stellen.

  • Aufzuklären ist insbesondere über Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und spezifische Risiken der Maßnahme, die Notwendigkeit, Dringlichkeit und Eignung der Maßnahme zur Diagnose oder zur Therapie sowie über die Erfolgsaussichten der Maßnahme im Hinblick auf die Diagnose oder Therapie.

  • Über Behandlungsalternativen ist aufzuklären, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und bewährte Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.

  • Die Anforderungen an die Verständlichkeit sind stets patientenorientiert. Verständlich heißt zunächst, dass die Aufklärung für den (fremdsprachigen) Patienten sprachlich verständlich sein muss; sie sollte darüber hinaus (auch für den deutschsprachigen Patienten) nicht in einer übermäßigen Fachsprache erfolgen.

  • Zeitnahe und ausführliche Information des Patienten auf dessen Nachfrage über erkennbare Behandlungsfehler (Standardunterschreitung).

  • Aushändigung der Dokumentation über die mündliche Aufklärung an den Patienten [11].

Siebert und Biberthaler führen hierzu aus: „Unverändert bleibt die Pflicht des Behandelnden, den Patienten zeitnah vor Beginn der Behandlung über die wesentlichen Umstände der Behandlung, über eventuelle Risiken sowie über Alternativen zur vorgeschlagenen Behandlung im Hinblick auf Diagnose und Therapie aufzuklären. Des Weiteren müssen die behandelnden Ärzte auf Nachfrage über ‚erkennbare Behandlungsfehler‘ informieren“ [11].

Eine wesentliche Komponente des Aufklärungsgesprächs besteht in einer möglichst umfassenden Information des Patienten über den Ablauf, die technische Durchführung und die Risiken der geplanten Operation. Neben der Demonstration an Originalimplantaten und Knochenmodellen und der Erläuterung von Röntgenaufnahmen können die einzelnen Operationsschritte mit Illustrationen für den Patienten verständlich dargestellt werden (s. hierzu beispielsweise die Internetseite der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen). Diese Kenntnisse ermöglichen es dem Patienten, durch informiertes Abwägen eine Entscheidung für oder gegen die Operation zu treffen. Es ist zu vermeiden, den Patienten als medizinischen Laien mit dieser Entscheidung kurzfristig unter Druck zu setzen; die Aufklärung darf in keinem Fall erst „auf dem Operationstisch“ erfolgen. Bei einer stationären Behandlung muss das Aufklärungsgespräch mindestens 24 h vor geplantem Eingriff stattfinden.

Sonderfall: nichteinwilligungsfähiger Patient

Ist der Patient aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht einwilligungsfähig, ist die Einwilligung des Patientenvertreters, d. h. des Gesundheitsbevollmächtigten oder des rechtlichen Betreuers, einzuholen (§ 630e Abs. 1 S. 2 und 3 BGB). Hier ist zu beachten, ob sich der Patient in der Vergangenheit im noch einwilligungsfähigen Zustand für oder gegen die Maßnahme ausgesprochen hat, oder ob eine Notfallsituation vorliegt, in der ein Abwarten mit unmittelbaren Schaden für den Patienten verbunden wäre [23]. Liegt keine gerichtlich angeordnete Betreuung oder Vorsorgevollmacht vor, gilt es, zwischen einem Regeleingriff und einem Notfall zu unterscheiden. Falls ein Aufschieben der Operation möglich ist, ohne dem Patienten zu schaden, sollte der Arzt abwarten und dem Patienten die Gelegenheit geben, sich zu einem späteren Zeitpunkt nochmals zu entscheiden. Hier bietet es sich an, Angehörige in die Entscheidung einzubeziehen. Des Weiteren sollte in diesen Fällen eine nochmalige Abklärung der Einwilligungsfähigkeit erfolgen, z. B. im Rahmen eines Teamgesprächs oder eines psychiatrischen Konsils [23].

Fortführung des Fallbeispiels.

Der Chefarzt der Anästhesie erscheint nach Anmeldung in der Patientenaufnahme bei dem zuständigen OPV-Arzt zum Aufklärungsgespräch. Anhand der vorliegenden Befunde der bildgebenden Diagnostik sowie einem Knochenmodell wird ihm seine Fraktur explizit erläutert. Insbesondere werden die verschiedenen Operationstechniken dargestellt. Dem Patienten werden die Vor- und Nachteile einer operativen vs. konservativen Therapie aufgezeigt. Ist der Patient mit einer Operation einverstanden, erfolgt anschließend ein detailliertes Aufklärungsgespräch im Hinblick auf Risiken bzw. Komplikationen anhand von standardisierten und rechtlich abgesicherten Aufklärungsbogen. Insbesondere die Risiken sowie Komplikationen sind in einer für den Laien verständlichen Art und Weise zur erklären. Wichtige Risiko‑/Komplikationsaspekte werden durch Markierungen im standardisierten Aufklärungsbogen besonders hervorgehoben bzw. nochmals handschriftlich am Ende des Aufklärungsbogens dokumentiert.

In die Dokumentation der operativen Aufklärung sollten zusätzlich zu den bestehenden Bogen handschriftlich die folgenden Punkte eingetragen werden:

  • Allgemeine Risiken: Infektion, Nachblutung, Verletzung von Nerven und/oder Gefäßen, Lagerungsschaden, Wundheilungsstörung, Lungenembolie, Thrombose, „Human-immunodeficiency-virus“[HIV]-Infektion, Hepatitis, Fremdblut, Drainage, Schmerzmittel, Tod, Wechsel des Operateurs, Intensivstation, Operationen nach Befund.

  • Spezifische Operationsrisiken: Bewegungsstörungen, Fehllage des Implantats, Implantatversagen, Rezidiv der Beschwerden, Reoperation, Materialentfernung, Materialversagen, Verlust der Extremität, Lähmung, Ersatzoperationen, Entlastung, Gehstützen, Pseudarthrosen, Gefäßersatz, Antikoagulation, Postthrombosesyndrom, ggf. Anlage einer Blutsperre.

  • Bei allen Frakturen: Dem Patienten wurde detailliert die Notwendigkeit des konsequenten Hochlagerns der betroffenen Extremität über Herzhöhe erklärt.

  • Notwendigkeit, Dringlichkeit und alternative Maßnahmen.

  • Intraoperative anonymisierte Fotodokumentation zu Ausbildungszwecken, Abtretung aller Urheberrechte.

Die einzelnen Punkte können in einer Kitteltaschenkarte aufgeführt und somit allen Ärzten jederzeit zur Verfügung gestellt werden (Infobox 1).

Ist der Patient mit der Operation einverstanden und willigt mündlich und schriftlich ein, wird der Aufklärungsbogen sowohl von dem aufklärenden Arzt als auch dem Patienten unterschrieben. Der Patient erhält eine Kopie des Aufklärungsbogens.

Falls der Patient keine weiteren Fragen hat und mit dem geplanten Vorgehen einverstanden ist, stellt er sich mit den gesamten Unterlagen in der Prämedikationsvisite der Anästhesie vor. Anschließend sollte sich der Patient wieder zum OPV-Arzt begeben; dieser überprüft nochmals alle vorhandenen Unterlagen, insbesondere den Prämedikationsbogen und auch, ob vonseiten der Anästhesie noch weitere präoperative Untersuchungen wie z. B. ein kardiologisches Konsil, eine Lungenfunktionsuntersuchung angefordert wurden.

Abschließend wird dem Patienten mitgeteilt, wann, wo und mit welchen Unterlagen er sich wieder einfinden soll.

Infobox 1 Kitteltaschenkarte mit allen Mindestanforderungen für die Aufklärung und deren Dokumentation. (Nach Siebert und Biberthaler [11])

Operationsaufklärung

In der operativen Aufklärung bitte zusätzlich zu den bestehenden Bogen handschriftlich folgende Punkte eintragen:

Infektion, Nachblutung, Verletzung von Nerven und/oder Gefäßen, Lagerungsschaden, Wundheilungsstörung, Lungenembolie, Thrombose, „Human-immunodeficiency-virus“(HIV)-Infektion, Hepatitis, Fremdblutgabe, Drainage, Schmerzmittel, Tod, Wechsel des Operateurs, Intensivstation, Operationen nach Befund.

Als spezifische Operationsrisiken gelten:

Bewegungsstörungen, Fehllage des Implantats, Implantatversagen, Rezidiv der Beschwerden, Reoperation, Materialentfernung, Materialversagen, Verlust der Extremität, Lähmung, Ersatzoperationen, Entlastung, Nutzung von Gehstützen, Pseudarthrosen, Gefäßersatz, Antikoagulation, Postthrombosesyndrom, ggf. Anlage einer Blutsperre

Bei allen Frakturen: Dem Patienten wurde detailliert die Notwendigkeit des konsequenten Hochlagerns der betroffenen Extremität über Herzhöhe erklärt

Ferner: Notwendigkeit, Dringlichkeit und alternative Maßnahmen

Foto- und Bilddokumentation anfertigen für klinische und wissenschaftliche Dokumentation

Fazit für die Praxis

  • Die Operationsvorbereitung vor unfallchirurgischen Eingriff stellt eine unerlässliche Aufgabe des Arztes dar.

  • Der Patient muss gesetzeskonform über den Eingriff aufgeklärt werden.

  • Mithilfe von Standard Operating Procedures können Risiken reduziert werden; dies trägt zum Erfolg des Eingriffs bei.