Einleitung

Im Dezember 2019 trat erstmals in Wuhan, China, eine bis dahin unbekannte Virusinfektion auf, die sich rasch von China aus in die ganze Welt verbreitete. Die Virusinfektion mit severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 (SARS-CoV‑2) ist hochkontagiös, daher besteht auch für die Mitarbeiter des Krankenhauses ein hohes Risiko [1].

Die Erkenntnisse über das neue Virus wachsen in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Wissenschaftliche Beobachtungen und Empfehlungen werden in einer noch nie da gewesenen Geschwindigkeit veröffentlicht. Klassische Regeln der Erkenntnisbewertung der wissenschaftlichen Gemeinschaft finden ebenso wie die Regeln der evidenzbasierten Medizin nur noch begrenzt Anwendung.

In diesem Spannungsfeld von teilweise divergierender Empfehlung und dem Kampf um die Deutungshoheit der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse wünscht sich der praktizierende Chirurg zusammengefasste Erkenntnisse für die Alltagtätigkeit im und um den OP.

Aus diesem Grunde hat die Task-Force COVID-19 der Sektion Notfall‑, Intensiv- und Schwerverletztenversorgung der Deutschen Gesellschaft Unfallchirurgie (DGU e. V.). Empfehlungen zur operativen Versorgung von Patienten mit SARS-CoV-2-Infektionen entwickelt. Die Autoren repräsentieren Kliniken der Maximalversorgung und der Schwerpunktversorgung aus allen Teilen Deutschlands. Auf die Umsetzbarkeit in Kliniken aller Versorgungsstufen wurde großen Wert gelegt. Die Empfehlungen sind auf Konsensbasis und Bewertung der verfügbaren Informationen mit dem Stand April 2020 formuliert worden.

Persönliche Schutzausrüstung

Über die persönliche Schutzausrüstung (PSA) für Mitarbeiter der Anästhesie sind in einer kürzlich erschienenen Publikation sehr detailliert das Vorgehen und das notwendige Equipment beschrieben worden [2], sodass hier v. a. das Vorgehen für die Mitarbeiter der chirurgischen Fachdisziplinen beleuchtet wird. Das Anlegen und Ablegen der PSA müssen geschult und trainiert werden, um die Compliance zu erhöhen und auch das Risiko der Selbstkontamination gerade beim Ablegen der PSA zu minimieren. Sofern es Personalschlüssel und Ausbildungsstand der Abteilung erlauben, ist die Schaffung von speziell geschulten „COVID-19“-OP-Teams sinnvoll.

Mund-Nasen-Schutz und Masken

Die vorliegende Forschung zum Vergleich von Standard-Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS) vs. Schutzmasken FFP2 oder FFP3 („filtering face pieces“; amerikanisch N95 oder N99) wurde überwiegend im Kontext von Influenza oder anderen leichteren Atemwegserkrankungen im Krankenhaus durchgeführt. Bisher sind keine Direktvergleiche im Rahmen der aktuellen SARS-CoV-2-Infektionen publiziert worden; dies gilt auch für den Vergleich der Wirksamkeit von FFP2- gegenüber FFP3-Masken. Daher können Empfehlungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar evidenzbasiert ausgesprochen werden. Vor dem Hintergrund der limitierten Verfügbarkeit gerade von FFP3-Masken wird in allen Bereichen im Krankenhaus für den Kontakt mit COVID-19-positiven Patienten i. d. R. eine FFP2-Maske empfohlen. Als Besonderheit für den OP ist jedoch zu erwähnen, dass es FFP2-Masken mit Ausatmungsventil gibt, welche den Arzt zwar ausreichend vor der Viruskontamination schützen, aber nicht als Kontaminationsschutz für den OP-Situs funktionieren. Diese sollten im OP nicht oder nur mit zusätzlichem MNS eingesetzt werden.

Empfohlen werden je nach Gefährdungsanalyse FFP2- oder FFP3-Masken und nur, falls diese nicht verfügbar sind, ein MNS [3]. Zurzeit nimmt auch das Robert Koch-Institut (RKI) in seinen Empfehlungen zu Hygienemaßnahmen im Rahmen der Behandlung und Pflege von Patienten mit einer Infektion durch SARS-CoV‑2, Stand 08.04.2020, darauf Bezug [4].

Die AWMF-Leitlinie des Arbeitskreises „Krankenhaus & Praxishygiene“ ist hier wenig hilfreich; gefordert wird nur das Tragen eines MNS, ggf. einer Schutzbrille/eines Visiers [5].

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt das Tragen eines MNS bei niedrigem Risiko und Masken bei hohem Risiko mit direktem Kontakt zu den Erkrankten. Die Behandlung von COVID-19-Patienten im OP stellt sicher ein hohes Risiko dar, sodass demnach FFP2-Masken getragen werden sollten.

Eine aktuelle Metaanalyse von Long et al. [6] konnte keinen Vorteil von FFP2-Masken gegenüber einem chirurgischen Mund‑Nasenschutz bei der Verhinderung einer nachgewiesenen Influenza‑/SARS-Infektion belegen. Es fand sich lediglich eine Tendenz, dass durch Filtermasken eine bakterielle Kolonisation besser verhütet werden kann. Eingeschlossen wurden vom Chinese Cochrane Center 6 randomisierte kontrollierte Studien mit einer Gesamtzahl von 9171 Teilnehmern. Als Gründe wurden diskutiert, dass das durchgängige Tragen von FFP2-/FFP3-Masken zu komfortassoziierten Problemen wie z. B. Kopfschmerzen führen kann [7]. Die vergleichbare Präventionswirkung von MNS und Masken sei möglicherweise auf eine verminderte Compliance beim Tragen der Masken zurückzuführen [3], im Sinne des wiederholten Abnehmens der Maske [8]. Daher wird von den Autoren das Tragen nur Mitarbeitern im Gesundheitsdienst empfohlen, die in direkten Kontakt mit infizierten oder infektverdächtigen Patienten kommen.

Auch eine Untersuchung der krankenhausspezifischen Vorgaben zum Tragen von Schutzmasken in Kalifornien nach dem Influenzaausbruch 2009 [9] konnte zeigen, dass häufig die Masken nicht korrekt abdichtend getragen wurden, beim Abnehmen die Außenseite berührt wurde oder die begleitende Händedesinfektion nicht ausreichend war. Da bis zu 42 % der Personen die Maske häufig mehrfach verwendet haben, konstatierte die Untersuchung eine große Transmissionsgefahr durch Kontamination.

Diese Studien unterstreichen zum einen noch mal die Notwendigkeit der Schulung des Personals im Umgang gerade mit FFP2-Masken, zum anderen sollten diese Masken auch nur in den Bereichen getragen werden, in dem der Kontakt mit virusbelastetem Aerosol wirklich denkbar ist (OP-/COVID-Station).

Für die hier auszusprechenden Empfehlungen zur PSA bei Operationen an COVID-19-Patienten ist v. a. die Frage des zu verwendenden Schutzes bei operativen Prozeduren maßgeblich.

Sinnvoll scheint eine Stratifizierung des Infektionsrisikos nach Art der Prozedur. Die WHO hat hierzu die „aerosol generating procedures“ (AGP) definiert [10]. Dazu zählen:

  • Intubation, Extubation u. Ä., manuelle Ventilation und offene Absaugung,

  • Tracheotomie, Pflege des Tracheostomas, Wechsel der Kanüle,

  • Bronchoskopie,

  • Benutzen von „high speed devices“ intraoperativ, z. B. HF-Bohrer, oszillierende Säge etc.,

  • Bohren am Zahn,

  • nichtinvasive Beatmung [NIV] ohne Schutz mit „biphasic positive air pressure“ [BiPAP/DuoPAP] oder „continuous positive airway pressure“ [CPAP],

  • „high-low“ nasale Oxygenierung/High-flow-Kanüle [HFNO],

  • Gewinnung von Sputum.

Auch der Unfallchirurg kann AGP ausgesetzt sein, auch wenn die meisten muskuloskeletalen Prozeduren nicht so einzustufen sind. Die Anlage einer Thoraxdrainage beim Pneumothorax stellt sicher eine solche Maßnahme dar, ebenso wie die septische Chirurgie, bei der die Anwendung einer Jet-Lavage indiziert sein kann. Auch ventrale transthorakale oder zervikale Wirbelsäuleneingriffe können u. U. mit Aerosolbildung einhergehen.

Diese AGP müssen als Hochrisikobereich bei COVID-19-Patienten angesehen werden, insbesondere bei Eingriffen an den oberen Atemwegen bzw. an der Lunge. Thoraxchirurgen, HNO-Ärzte und Anästhesisten bei der Intubation sind daher als sehr gefährdet zu betrachten. Den Unfallchirurgen trifft dieses extrem hohe Risiko regelhaft nur im Rahmen einer Notfallintervention im Schockraum und in den obigen seltenen Situationen.

Die Viruslast im Plasma scheint dagegen gering zu sein. Huang et al. berichten, dass von 41 COVID-19-Erkrankten 6 (15 %) im weiteren Verlauf positive „Real-time-PCR“-Teste im Serum entwickelten; sie nennen das RNA-Aemie [11]. Viele Autoren konnten jedoch auch konsekutiv keine Viruslast im Plasma nachweisen [12, 13].

Auch die bisherigen Virusnachweise im Darm und im Stuhl lassen keine hohe Viruslast erkennen [13], zumal unklar ist, ob es sich hierbei noch um ein infektiöses Virus handelt [14].

Vermutlich ist daher das Infektionsrisiko bei Anwendung der Jet-Lavage, der oszillierenden Säge oder der Diathermie, die ebenfalls zur Aerosolbildung führen, bei Operationen im Bereich des Bauchs oder der Extremitäten als eher gering einzuschätzen. Der Schutz mit einer FFP2-Maske aus der Routine müsste dort ausreichen.

Public Health England [15] empfiehlt bei Eingriffen mit Aerosolentstehung die Verwendung einer FFP3-Maske. Andere Quellen, z. B. RKI und die WHO [14], halten die Verwendung einer N95-, entspricht einer FFP2-Maske, für ausreichend. Einige Autoren empfehlen statt der Verwendung einer FFP3- bzw. bei schlechtsitzenden Masken die Verwendung eines „powered air-purifying respirator“ (PAPR), im Prinzip einen Vollschutzhelm mit motorisierter Luftreinigung [16]. Da diese in Deutschland nur in Spezialzentren vorhanden sind und die Evidenz für die Verwendung nicht zwingend ist, finden diese im Weiteren keine Berücksichtigung.

Die derzeitigen Empfehlungen sind einmal in Tab. 1 zusammengeführt.

Tab. 1 Empfehlungen verschiedener Organisationen zur intraoperativen Schutzausrüstung

Aerosolbildung an den Extremitäten oder im Abdomen kann durch Einsatz einer Jet-Lavage, eines Argonlasers oder einer oszillierenden Säge entstehen. Aber selbst dann ist die intraoperative Infektionsgefahr eher als gering anzusehen. Die Infektionsgefahr bezüglich der SARS-CoV-2-Übertragung ist dagegen extrem hoch bei Eingriffen im Kopf-Hals-Bereich.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine FFP2-Maske für alle unfallchirurgischen Maßnahmen an COVID-19-Patienten als ausreichend erachtet wird. Lediglich einzelne operative Interventionen in angrenzenden Fächern sind mit einer extrem hohen Aerosolbildung assoziiert (z.B. eine Tracheotomie). Hier kann bei Verfügbarkeit eine FFP3-Mske verwendet werden.

Schutzbrille – Gesichtsschild

Da es sich bei der Coronavirenübertragung um eine Tröpfcheninfektion handelt, ist prinzipiell eine Infektion über die Konjunktiven möglich [22].

Hier ist neben dem oben beschriebenen Schutzschild auch eine Schutzbrille („goggles“) anzudenken.

Die „gewöhnliche“ Brille, etwa zum Ausgleich einer Sehschwäche, reicht hierbei ausdrücklich nicht [23].

Während die meisten Autoren vorschlagen, entweder eine Schutzbrille oder einen Gesichtsschutz zu tragen [13, 20, 24, 25], empfehlen Wax und andere die Kombination von Schutzschild und Brille [2]. Hierbei ist jedoch einschränkend zu bedenken, dass es sich um Vorgaben für Intensivmediziner und Anästhesisten handelt, die ja bei vielen ihrer invasiven Prozeduren deutlich höheren Infektionsrisiken ausgesetzt sind.

Für den Operateur erweist sich eine Schutzbrille oft als hinderlich; eine Kombination aus FFP2-Maske und Visier erscheint praktikabel .

  • Auch wenn einige Kliniken chirurgische Helmsysteme additiv einsetzen (bevorzugt z. B. Operateure in der Endoprothetik) ist von einer Verwendung bei COVID-19-Patienten abzuraten. Die Systeme saugen Raumluft an; effektive Filtersysteme zur Filtration von Partikeln im Submikrometerbereich existieren nicht. Daher müssen unter dem Helmsystem unbedingt zusätzlich FFP2-Masken getragen werden. Anders ist dies bei den oben erwähnten PAPR-Systemen, die mit einem HEPA-Filter ausgerüstet sind [26].

Schutzhandschuhe

Das Tragen von OP-Handschuhen ist obligat. Generell sind durch die DIN EN 420 sowie die DIN EN 374 klare Vorgaben bezüglich Stabilität und Schutz vor Mikroorganismen definiert und vorgegeben [1].

Es sollten jedoch immer doppelte Handschuhe getragen werden, damit das Ausziehen der PSA ohne Kontamination erfolgen kann.

Schutzkleidung

Ähnliches gilt für OP-Kleidung. Auch hier gelten entsprechende Normen [DIN EN 14126] [1].

Gerades das Ablegen der PSA stellt das höchste Kontaminationsrisiko für das OP-Personal dar. Empfohlen wird die An- und Auskleidung im 4‑Augen-Prinzip. Dazu soll ein definierter OP-Nebenraum verwendet werden, und die Prozeduren sollten als Poster an der Wand hängen. Die Entsorgung ist mit der „Sack-im-Sack-Technik“ sicherzustellen.

Überschuhe

Die Kontamination von Schuhen mit potenziell infektiösem Material ist ein allgemein bekanntes Problem. Aus diesem Grund sind übliche OP-Schuhe undurchlässig für Flüssigkeiten und leicht zu reinigen sowie zu desinfizieren [27].

Zusätzliche Überschuhe werden aus diesem Grunde nicht als erforderlich angesehen und sogar abgelehnt, insbesondere da das An- und Ausziehen ein zusätzliches Kontaminationsrisiko bergen [23, 28].

Abweichend davon empfehlen z. B. Ti et al. das Tragen von „boot covers“ als Bestandteil der Schutzausrüstung für den Transfer von COVID-19-Patienten in den OP [16]. Es bleibt jedoch offen, ob die dort üblicherweise außerhalb des OP getragenen Schuhe den oben genannten Vorgaben für OP-Schuhwerk entsprechen und deswegen ggf. ein zusätzlicher Schutz notwendig ist.

In diesem Fall ist die sekundäre Kontaminationsgefahr beim Ausziehen der Überschuhe dringend im Hinterkopf zu behalten [23, 25].

Unter der Abwägung dieser Erkenntnisse empfehlen die Autoren, keine Überschuhe zu verwenden .

Empfohlenes Vorgehen bei notwendiger Operation an COVID-19-Erkrankten bzw. SARS-CoV-2-positiven Patienten

Grundsätzlich gilt, dass nur dringliche oder lebenserhaltende Operationen an COVID-19-Patienten durchgeführt werden sollen. Dies geschieht v. a. zum Schutz der Patienten, da durch operative Maßnahmen der Verlauf der COVID-19-Erkrankung, z. B. durch Diskonnexion vom Beatmungsgerät, deutlich protrahiert werden kann [29].

In einer chinesischen retrospektiven Untersuchung berichten Lei et al. über 34 bestätigte COVID-19-Patienten mit Pneumonie, die noch während ihrer asymptomatischen Inkubationszeit verschiedene operative Eingriffe erhalten hatten. Davon mussten anschließend 44 % intensivmedizinisch behandelt werden, 7 (20,5 %) von diesen verstarben auf der ITS [30].

Die Indikation, die die Notwendigkeit einer operativen Intervention begründet, muss mit dem Patienten bezüglich der Chancen und Risiken erörtert werden. Diese zentrale Bedeutung der Einwilligung wird auch durch die Pandemie nicht berührt bzw. soll auch gerade den Aspekt der komplizierenden Viruspneumonie enthalten.

Nun gibt es eine dritte Komponente bei der Indikationsstellung, die Gefahr, die von einem potenziell infizierten Patienten für das Behandlungsteam ausgeht. Gerade in Zusammenschau mit den oben genannten Risiken durch die Narkose und Operation für den Patienten muss die Indikation sehr streng gestellt werden.

Nach Möglichkeit sollte in der OP-Routine-Zeit und nicht im Bereitschaftsdienst operiert werden. Der Personalaufwand wie der zeitliche Aufwand sind deutlich größer als bei Operationen an Nichtinfizierten.

Sofern die Dringlichkeit des operativen Eingriffs die Verschiebung erlaubt, sollte präoperativ immer eine PCR-Testung auf SARS-CoV‑2 erfolgen. Ist ein Eingriff auch bei fehlendem Testergebnis unumgänglich, ist nach Auffassung der Autoren in Abwägung der bekannten Fakten, der zu erwartenden steigenden Prävalenz der Infektion und zur Vermeidung, dass ein Krankenhaus zu einem neuen Infektionscluster wird, ein solcher Eingriff unter den gleichen Kautelen durchzuführen, wie ein Eingriff bei bestätigter COVID-19-Infektion. Hiervon kann in Abhängigkeit des regionalen Infektgeschehens abgewichen werden.

Anforderungen an eine Schockraumversorgung

Bei Verletzten, die über den Schockraum in die Klinik kommen, sollte prinzipiell immer davon ausgegangen werden, dass eine, wenn auch symptomlose, SARS-CoV-2-Infektion vorliegen könnte. Da besonders im Schockraum kritische Maßnahmen wie [Larynx-]Maskenbeatmung, Intubation, Koniotomie, Thoraxdrainagenanlage oder Thorakotomie bei möglicher Lungenverletzung mit entsprechender Aerosolexposition zu erwarten sind, ist hier das gleiche Vorgehen für den Personalschutz zu fordern wie im OP.

Die Schockraumstandards, wie sie z. B. im ATLS®-Konzept (Advanced Trauma Life Support) niedergelegt sind, gelten hier uneingeschränkt. Jedoch sollte die PSA durch eine Schutzbrille oder ein Visier und eine FFP2-Maske, Schutzkittel und doppelte Handschuhe und OP-Haube erweitert werden [31].

Patiententransport Station – OP-Schleusen

Eine wichtige Rolle im Kontext der chirurgischen Therapie von Patienten, die SARS-Cov-2-positiv oder an COVID-19 erkrankt sind, spielt der innerklinische Transport. So muss eine verantwortliche Planung der Wege von der zentralen Notaufnahme auf die Stationen bzw. die Intensivstationen, von den Allgemeinstationen auf die Intensivstationen sowie jeweils in die OP-Einheiten erfolgen.

Transporte müssen gut vorbereitet und auf koordinierten vorabgesprochenen Routen im Krankenhaus stattfinden, um möglichst wenig Mitarbeiter- und keinen Publikumskontakt zu haben.

Wie im OP-Trakt und im OP sollen die Mitarbeiter, die den Patienten transportieren und lagern, mittels FFP2-Masken geschützt sein.

Der Patient sollte unbedingt einen MNS tragen, sofern er nicht mit einer dicht sitzenden Sauerstoffmaske versorgt ist.

Ein Schleusen im herkömmlichen Sinn mit einer Umlagerung des Patienten sollte vermieden werden. Wie bei kritischen Patienten nach Trauma sollte das Bett direkt in den Vorbereitungsraum des angedachten OP [s. unten] gebracht werden und der Patient nur hier umgelagert werden, sofern kein abgetrennter vorgelagerter Schleusenraum vorhanden ist.

Anforderungen an den OP/das OP-Team

Als optimale Versorgungssituation wird ein komplett abgekoppelter OP mit Unterdruckklimaanlage bzw. Umkehr des „laminar flow“ und Vorraum betrachtet [8, 24]. Daher ist primär ein abgetrennter OP mit möglichst wenig „Patienten- und Personal-Traffic“ wünschenswert.

Ein abgetrennter Vorraum ist für das An- und Ausziehen der PSA des Operateurs wünschenswert.

Aus dem OP sollten vor Einschleusung des Patienten sämtliche nicht zwingend erforderlichen Geräte und Materialien entfernt werden.

Die Anästhesieeinleitung sollte im OP unter Abwesenheit des OP-Teams erfolgen, um eine unnötige Kontamination zu vermeiden.

Falls kein komplett getrennter septischer OP-Trakt vorhanden ist, ist die direkte Umlagerung des Patienten von der Isolationsstation im OP-Saal, bzw. im dazugehörigen Vorbereitungsraum durchzuführen, um eine Kontamination der Schleuse und des Schleusenpersonals zu vermeiden. Auch der Aufwachraum ist zu vermeiden, nach Narkoseausleitung und Überwachung im OP ist eine direkte Übergabe aus dem OP an die Isolationsstation durchzuführen.

Das An- und Ausziehen der PSA sollten unbedingt vom OP-Personal trainiert und im „4-Augen-Prinzip“ durchgeführt werden. Auch Schulungsvideos haben sich bewährt bzw. sind vielfältig im Netz verfügbar.

Persönliche Schutzausrüstung in Abhängigkeit von der Operationsart:

  • aerosolproduzierende Tätigkeiten wie Intubation, Absaugen, Tracheotomie, Operationen im Rachenbereich oder Mund-Kiefer-Gesichtsbereich:

    Verwendung von FFP3-Maske und Schutzbrille/Visier (oder PAPR sofern verfügbar),

  • andere operative Prozeduren:

    FFP2-Maske und Schutzbrille/Visier,

  • doppelte OP-Hauben und doppelte Handschuhe zusätzlich zur sterilen OP-Bekleidung werden bei allen Operationen empfohlen (sicheres Ablegen der PSA nach der OP).

Wenn es die Personaldecke der jeweiligen chirurgischen Abteilung erlaubt, sollten spezielle COVID-19-OP-Teams gebildet werden.

Personalwechsel und das Verlassen des OP sollten auf absolute Notfälle beschränkt werden.

  • Die Eingriffe werden von erfahrenen Operateuren und Teams durchgeführt; es sind keine Ausbildungseingriffe.

  • Ein genereller Verzicht auf Praktikanten, Famulanten und Personalfluktuation durch Pausenauslösen ist obligat.

Operative Versorgung

Neben der Frage, wie erforderliche Operationen durchgeführt werden sollten, muss zunächst die Frage der Dringlichkeit in Abhängigkeit von der Phase, in welcher sich die Krise aktuell befindet, geklärt werden. Hierzu gibt es die Empfehlung der DGOU vom 30.03.2020 ([32]; Abb. 1).

  • Phase 1: uneingeschränkte individualmedizinische Versorgung,

  • Phase 2: kompensierte Krisenversorgung,

  • Phase 3: dekompensierte Krisenversorgung.

Abb. 1
figure 1

Liste von dringlichen Operationen in der SARS-CoV-2-Pandemie. aTelemedizinische Vorstellung möglich. (© AAOS, Universitätsklinikum Münster, mit freundlicher Genehmigung)

Daneben sollte die Dringlichkeit der Operationen in 4 Kategorien aufgeteilt werden:

  • Kategorie 1: 0 bis 2 Wochen,

  • Kategorie 2: 2 bis 4 Wochen,

  • Kategorie 3: 4 bis 12 Wochen,

  • Kategorie 4: >12 Wochen.

In der aktuellen Dynamik der Pandemie mit regional jedoch sehr unterschiedlichen Fallzahlen sollten die Phasenzuordnung und daraus resultierenden OP-Spektren in der jeweiligen Einrichtung nach Möglichkeit tagesaktuell adaptiert werden. Eine generelle allgemeingültige Empfehlung wird es nicht geben; selbst die Empfehlung von höchster politischer Ebene hat eine bis dato unklare Umsetzungskonsequenz im einzelnen Krankenhaus, da relativ wenige politische Vorgaben wirklich bindenden Charakter im Sinne eines Erlasses haben.

Bei der Auswahl des Anästhesieverfahrens sollte vorrangig auf regionale und lokale Anästhesieverfahren zurückgegriffen werden. In diesen Fällen sollte der Patient im OP einen MNS tragen, sofern der Gesundheitszustand des Patienten dies zulässt. Zu vermeiden sind alle Maßnahmen, die mit einer Aerosolbildung einhergehen. Eine Intubation und/oder Extubation ist jedoch unweigerlich mit einer gewissen Aerosolbildung verbunden. Die üblichen OP-Entlüftungsanlagen führen jedoch innerhalb von 15 min zu einem kompletten Luftaustausch und damit zur Entfernung der entstandenen Aerosole. Wenn OP-Team und -Pflege erst 15 min nach der Intubation den OP betreten, ist das Risiko für das Personal weiterreduziert. Dies sollte bei gesicherter COVID-19-Infektion berücksichtigt werden. Gleiches gilt nach der OP-Ausleitung für das Reinigungspersonal im OP.

Auch bei der Operationstechnik sollte auf aerosolbildende Prozeduren verzichtet werden, sofern dies möglich ist. Hierzu zählen:

  • elektrische Blutstillung: möglichst geringe Stromstärke, Rauchgasabsaugung benutzen,

  • bipolare Pinzette und monopolare Diathermie sowie entsprechende Instrumente von But und Geweberesten zu säubern, reduziert Rauch‑/Aerosolbildung [33],

  • Jet-Lavage vermeiden,

  • keine Hochfrequenzbohrer und Fräsen benutzen,

  • oszillierende Säge vermeiden.

Ferner sollte bei bestimmten Operationen die Anpassung des Operationsverfahrens erfolgen:

  • Die Indikation zur Tracheotomie ist extrem restriktiv zu stellen.

  • Falls bei langzeitbeatmeten Patienten eine Tracheotomie unumgänglich ist, ist die offene der Punktionstracheotomie vorzuziehen.

  • Die Laparoskopie sollte zurückhaltender eingesetzt werden; insbesondere sollten Situationen vermieden werden, bei der eine Konversion auf ein offenes Vorgehen möglich ist.

Zusammenfassung und Empfehlung

Unter den aktuellen Kautelen ist in Deutschland auch operativ weiterhin eine Individualmedizin entsprechend den genannten Indikationen möglich.

Peri- und intraoperative Handlungsrichtlinien sollten regelmäßig an die lokalen Gegebenheiten (Erkrankungsfälle im Einzugsgebiet), Verfügbarkeit von Schutzausrüstung und die prinzipiellen räumlichen Voraussetzungen im Krankenhaus angepasst werden.

Die Indikation zu Operationen bei Verdacht auf oder nachgewiesener COVID-19-Infektion ist streng zu stellen und in der Regel auf Notfalleingriffe oder dringliche Operationen beschränkt.

Erreicht der Covid-19-Erkrankte bzw. SARS-CoV-2-positive Patient den OP-Bereich, wird er in der Vorbereitung oder im OP umgelagert; ein Schleusen verbietet sich. Bestenfalls erfolgt der Eingriff in einem separierten Teil des OP-Trakts (COVID-OP, septischer OP etc.).

Der Schutz des Personals erfolgt, angepasst an die Tätigkeit, anhand der Empfehlungen in der Regel mit FFP-2-Maske, Visier und doppelten Handschuhe.

Es ist weiterhin auf die Reduktion des beteiligten Personals zu achten. Unnötige Assistenz sollte vermieden werden; es sollten keine Ausbildungseingriffe bei COVID-19-Patienten durchgeführt werden. Ein hoher Trainingsgrad im Umgang mit der Schutzausrüstung und den Abläufen im OP ist dringend zu fordern. Dies bedeutet auch eine geringe Wechsel- und Personalfluktuation im OP.

„Ein Team – eine OP“ – Vorgehen!

Soweit es geht, sollte bei der OP-Technik auf aerosol- und gewebebildende Verfahren wie Jet-Lavage, oszillierende Säge, Verwendung eines Kauters etc. verzichtet werden.