Die Transplantation frischer osteochondraler Allografts ist zurzeit die einzige biologische Therapie nach fehlgeschlagenen zellbasierten Eingriffen oder autologer Mosaikplastik. Wesentliche Einschränkung bei zylindrischen Allografttransplantaten („single plug, snowman technique“) sind beschränkte Fläche, verbleibende Defekte und Oberflächendiskontinuität. Die Endoprothetik zeigt hervorragende Ergebnisse beim älteren Patienten; beim jungen Patienten stellen kürzere Standzeiten und häufigere Wechseloperationen ein Problem dar. Für große Defekte und als Alternative zu den genannten Verfahren beim jungen Patienten wurde das FLOCSAT-Konzept entwickelt.

Hintergrund

Grenzen der Knorpelheilung

Bestimmte Gewebearten von Säugern (z. B. Haut, Leber, Niere, Lunge, Gehirn) heilen mit kollagenen Narben, während andere (z. B. Knochen, Sehne, Synovialmembran) mit Gewebe heilen, das dem Ausgangsgewebe entspricht. In beiden Fällen handelt es sich um einen zellulären Reparaturprozess, bei dem Fibroblasten oder spezifische Zellen (Osteo‑, Chondroblasten) die erforderlichen Stoffe synthetisieren. Dies geschieht durch neue Zellen, die im Rahmen der Zellvermehrung und Modulation lokal existierender Zellen entstehen, durch Zellen aus dem Randbereich der Läsion oder durch Zellen, die über die Blutgefäße in das Gewebe einwandern. Beide Reparaturprozesse sind charakterisiert durch Zellteilung und DNA-Replikation. Während Chondrozyten aus unreifem Knorpel zur mitotischen Aktivität und Zellteilung fähig sind, ist eine Chondrozytenreplikation mit zunehmendem Alter immer schwerer nachzuweisen [56].

Bei fehlender Vaskularität des Knorpelgewebes entfällt der Zugang zu chondralen Progenitorzellen für den Reparaturprozess [12]. Es kann nur eine narbige Abheilung über Faserknorpel ablaufen. Dieser bindegewebige Ersatzknorpel integriert sich nur schlecht in das umgebende normale Knorpelgewebe [42, 45] und kann sogar selbst für die Ausbildung osteoarthritischer Veränderungen im Laufe der Zeit verantwortlich sein ([69]; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Schwerer bipolarer Knorpelschaden am Kniegelenk. a Großflächiger Knorpelschaden 4. Grades (nach Outerbridge [62]) im Bereich von medialer Femurkondyle, Trochlea und medialem Tibiaplateau mit Zerfaserung des medialen Meniskusrests; b frisches, noch nicht zubereitetes Allograft vom distalen Femur vor dem Zuschnitt

Lebensqualität nach Knorpeldefekt

Große symptomatische fokale Knorpel- oder Knochen-Knorpel-Defekte haben stark negative Auswirkungen auf die Lebensqualität. Dies gilt nicht nur in Bezug auf sportliche Aktivitäten, sondern auch für die Bewältigung von normalen Aktivitäten des täglichen Lebens. So wurden bei Patienten mit fokalen Knorpeldefekten am Knie ähnlich niedrige Scores erhoben („Knee Injury and Osteoarthritis Outcome Score“ [KOOS], „Quality of Life Score“ [EQ5D]) wie bei Patienten, bei denen wegen schwerer Arthrose die Indikation zur Kniegelenkendoprothese oder zur Umstellungsosteotomie (HTO) gestellt wurde [35]. In dieser überwiegend jungen Patientengruppe ist allerdings die Kniegelenkendoprothese keine gute Behandlungsoption im Hinblick auf Patientenzufriedenheit und vorhersehbare Revisionseingriffe [55].

Regenerative Therapieoptionen

Für die Behandlung von idiopathischen oder traumabedingten Knorpelläsionen steht eine Reihe von Behandlungsoptionen zur Verfügung. Mikrofrakturierung (MF), autologe Chondrozytentransplantation (ACT) und autologe matrixinduzierte Chondrogenese (AMIC) sind wichtige Optionen für fokale chondrale Läsionen. Sie sind jedoch weniger geeignet bei großen subchondralen Läsionen, Läsionen mit fehlendem intakten Knorpelrand [9, 13, 21, 27, 34], gegenüberliegenden („Kissing“‑)Läsionen oder begleitend großen Knochendefekten. Das im Zuge dieser Therapieoptionen entstehende Knorpelgewebe entspricht nicht dem eines vollwertigen hyalinen Knorpels.

Gelenkersatz beim jungen Patienten

Moderne Endoprothetik zeigt hervorragende Ergebnisse beim älteren Patienten. Der alloarthroplastische Gelenkersatz geht beim jungen Patienten mit deutlich kürzeren Standzeiten einher und erfordert häufigere und immer komplexer werdende Wechseloperationen mit zunehmendem Substanzverlust, Bewegungseinschränkung und Mobilitätseinschränkung [76].

Das FLOCSAT-Konzept wurde für den jungen Patienten mit destruiertem Gelenk als Alternative zum alloarthroplastischen Gelenkersatz entwickelt.

Freie allogene osteochondrale Transplantate

Die ersten Gelenktransplantationen am Menschen wurden bereits 1908 von Judet [43] und Lexer [54] beschrieben. Volkov beschrieb 1970 insgesamt unbefriedigende Ergebnisse nach der Transplantation ganzer Gelenke. Es fanden sich inkomplette Vaskularisation, Mikrofrakturen, Desintegration der Transplantate und Transplantatversagen [77]. Die hohe Komplikationsrate und Probleme mit der mechanischen Integrität in den Transplantaten wurden auf die fehlende Vaskularisation zurückgeführt.

Bei der Analyse großvolumiger freier allogener Transplantate im eigenen Krankengut zeigte sich, dass zwar eine erhebliche Resorption zu verzeichnen ist, dass aber in den Rand- und Kontaktbereichen eine Osseointegration sehr wohl stattfindet (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Spontanverlauf der Resorption eines massiven tiefgefrorenen osteochondralen Transplantates eines 35-jährigen Patienten mit Chondrosarkom G1 im Bereich des lateralen Tibiakopfes. a Präoperative Planung der Resektion und des geplanten Allografts (rot-grüne Line: Resektionsgrenze); b nach Resektion und Ersatz mit tiefgefrorenem Allograft; c nach 5 Jahren ist das Transplantat nahezu vollständig resorbiert (rote Pfeile/gestrichelte Linie: ehemalige Grenzzone des Allograft-Transplantats)

Gefäßgestielte allogene osteochondrale Transplantate

Aufgrund oben genannter Analyseergebnisse ergab sich die Frage, inwieweit sich das Transplantatüberleben verbessern lassen würde, wenn die Transplantate einen Gefäßanschluss erhalten. Tierexperimentelle Untersuchungen mit ganzen vaskularisierten Kniegelenken belegen z. T. erhebliche Immunreaktionen, die durch Immunsuppression in unterschiedlichen Formen beeinflusst werden können [22, 73]. Die Ergebnisse waren in vielen Fällen jedoch unbefriedigend. Die mit dem Versagen der Gefäßanastomosen beobachtete Knorpeldestruktion wurde auf chronische Abstoßungsvorgänge zurückgeführt [24, 29, 39].

Auch am Menschen zeigten die Anwendungen gefäßgestielter Gelenktransplantate (AB0-System kompatibel, „human leukocyte antigen [HLA] system mismatch“) trotz Immunsuppression (Cyclosporin A, Azathioprin) schwere akute und chronische Abstoßungskrisen. Nach ersten positiven Berichten über 5 gefäßgestielte Gelenktransplantate [37, 38] entwickelten sich im weiteren Verlauf schwere Probleme (schwere Kontraktur, Infektion, Arthrodese und nachfolgende Amputation in 3 Fällen). Einen weiteren Fall verfolgten Diefenbeck et al. [14] im Rahmen eines Vierjahres-Follow-up. Nach 2 Jahren zeigte sich hierbei eine komplizierte und schwere Abstoßungskrise, welche mit einer Hochdosis-Steroidtherapie erfolgreich behandelt werden konnte. Nach 4 Jahren zeigte sich eine zufriedenstellende Kniebeweglichkeit unter Vollbelastung. Seither liegen keine weiteren Publikationen zum Verlauf dieser Fälle vor.

Autologe osteochondrale Transplantation

Das Prinzip der Transplantation autologer frischer osteochondraler Autografts (OATS) besteht in der Insertion vitalen Knorpelgewebes unter Aufrechterhaltung seiner metabolischen Aktivität und Erhalt der umgebenden Matrix. Ziel ist es, intakte, geometrisch passgenaue, strukturelle und funktionelle osteochondrale Einheiten zum Ersatz geschädigter osteochondraler Gelenkflächen zu transplantieren. Dabei wird hyaliner Knorpel als vitaler Zell-Gewebe-Verbund auf einem Knochengerüst autolog aus einem nichtlasttragenden Areal entnommen, und in den Defekt übertragen [32]. Das Verfahren hat den Vorteil der frühen Belastbarkeit, stößt aber bei größeren Defekten über 2 cm2 und der dadurch entstehenden Notwendigkeit der Entnahme von multiplen Transplantaten („snowman technique“) rasch an seine Grenzen (Inkongruenz und Spaltdefekte; [72]; Abb. 3). Zudem ist die Menge an Transplantatgewebe begrenzt, und es besteht die Gefahr der Destruktion am Entnahmeort (Entnahmemorbidität).

Abb. 3
figure 3

Osteochondrale „plugs“ (Mosaikplastik). a „Single technique“, b,c „snowman technique“

Transplantation von allogenem osteochondralem Gewebe

Die Problematik des begrenzt zu Verfügung stehenden autologen Gewebes für die Anwendung zylindrischer Transplantate lässt sich durch die Verwendung von allogenem osteochondralem Gewebe umgehen. Damit lassen sich auch großflächige Knorpel- oder kombinierte Knochen-Knorpel-Defekte, die zumeist als Folge von Osteonekrose, Trauma oder anderen Ursachen entstanden sind, passgenau ersetzen [6, 28, 30, 48, 51, 53, 58, 78]. Offen sind hier aber Fragen zur immunologischen Reaktion und zur Problematik der begrenzten Allograft-Verfügbarkeit.

In den vergangenen Jahren wurde die Indikation zur Allograft-Transplantation in einigen Zentren der USA und in Norditalien bis hin zur Wiederherstellung komplett zerstörter Gelenke ausgeweitet. Erklärte Ziele sind Schmerzfreiheit, Funktionsverbesserung, Lebensqualitätssteigerung und Vermeidung oder zumindest Verzögerung einer später notwendig werdenden Gelenkprothese [4, 18, 48, 72, 78].

Zell- und Transplantatüberleben frischer OCA betragen 20 Jahre und länger

Die Transplantation von frischen OCA gilt bisher als die einzige biologische gelenkerhaltende Behandlung nach Versagen regenerativer Verfahren [10, 27]. Langzeitergebnisse frischer OCA mit überwiegend zylindrischem Transplantatzuschnitt (Plugs) zeigen Zell- und Transplantatüberleben von bis zu 20 Jahre und mehr [30, 31, 53].

Entwicklung des FLOCSAT-Konzepts

Basierend auf den Vorarbeiten von Sherman et al. [72] und Giannini et al. [18], wurde das Konzept der „Fresh large osteochondral shell allograft transplantation“ (FLOCSAT) entwickelt. Es beinhaltet die Transplantation sehr dünner, frischer und großer (> 10 cm2) osteochondraler Gelenksegmente mit intaktem Knorpel sowie stark minimiertem (idealerweise < 6–8 mm) Spenderknochenanteil. Der Spender‑ und Empfängerknochenanteil müssen geometrisch komplementär sowie spaltfrei/-arm zugeschnitten werden (Abb. 4). Die Höhe der knöchernen Basisschicht wird diktiert von der Notwendigkeit der Fixierung des Allografts mit Implantaten und Einschränkungen beim Zuschnitt. Bei günstigen geometrischen Konfigurationen („press-fit“) kann auf eine Fixierung mit Implantaten verzichtet werden [49].

Abb. 4
figure 4

Prinzip der „fresh large osteochondral shell allograft transplantation“ (FLOCSAT). a Schematische Darstellung eines zugeschnittenen FLOCSAT von komplex geformter Geometrie (z. B. distales Femur), Graft und komplementär konfigurierter Empfänger; b auf dem Empfänger aufgesetztes FLOCSAT; c nach Osseointegration

Die Transplantation größerer oder kompletter bi- oder tripolarer Gelenkeinheiten kann Größen- und Passungsprobleme (Krümmungsradien) reduzieren, weil die miteinander als funktionelle Einheit entnommenen Gelenkpartner in Bezug auf die Topografie und Geometrie mehr Toleranz zulassen als in der unipolaren Situation. Zusätzlich lassen sich evtl. bestehende ligamentäre und/oder den Meniskus betreffende Defektzustände mitversorgen [49].

Grundlagen

Die eingeschränkte Verfügbarkeit von frischem, lebendem osteochondralem Gewebe, das limitierte Zeitfenster für die Transplantation, die aufwendige Logistik, die umfangreichen medikolegalen Vorgaben und die komplexe Operationstechnik beim Transplantatzuschnitt sind grundsätzliche Hindernisse für eine Verbreitung der Methode.

Rechtliche Aspekte

In den USA ist es seit den 1990er-Jahren möglich, OCA kommerziell von zertifizierten Gewebebanken zu erwerben, nachdem die American Association of Tissue Banks unter der Aufsicht der Food and Drug Administration (FDA) verbindliche Richtlinien für Entnahme, Aufbewahrung und Verarbeitung erlassen hatte [57, 72].

Im Vorgehen an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) liegen der gesamte Prozess der Gewinnung des Knochen-Knorpel-Gewebeverbunds, der Lagerung und Zubereitung sowie die Anwendung von Knochen-Knorpel-Transplantaten am Patienten gemäß § 20d des Arzneimittelgesetzes (AMG) in der Verantwortung des Erstautors. Der § 20d AMG stellt eine Ausnahme von der Erlaubnispflicht für Gewebe und Gewebezubereitungen dar und greift nur, wenn der Arzt die genannten Tätigkeiten ausführt, um das Gewebe persönlich bei seinem Patienten anzuwenden. Die Entnahme der Gewebe erfolgt an verstorbenen Spendern. Der Spender oder ein Angehöriger im Sinne des § 4 des Transplantationsgesetzes (TPG) muss der Entnahme zugestimmt haben.

Die Unfallchirurgische Klinik der MHH wird beim Spenderscreening und der gesetzeskonformen Dokumentation gemäß AMG (Spenderakte im Sinne des § 5 der Verordnung über die Anforderungen an Qualität und Sicherheit der Entnahme von Geweben und deren Übertragung nach dem Transplantationsgesetz, TPG-GewV), TPG und den entsprechenden Verordnungen von der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation gGmbH (DGFG) unterstützt. Gemäß § 67 AMG besteht für jeden Einzelfall der Herstellung von Gewebezubereitungen nach § 20d AMG eine Anzeigepflicht gegenüber der zuständigen Behörde [65, 70].

Entnahme

Das OCA-Gewebe wird innerhalb von 24 h nach dem Herz-Kreislauf-Stillstand des Spenders (Multiorganspender, Post-mortem-Spende) entnommen, idealerweise von gelenkgesunden jungen Spendern im Alter zwischen 18 und 60 Jahren mit anamnestisch und/oder makroskopisch-anatomisch intaktem Knorpel.

Lagerung

Es existieren zahlreiche verschiedene Lagerungsmethoden die sich z. T. erheblich (Medien [saline Lösungen, Seren], Temperatur [gefroren, kryopräserviert, Raumtemperatur, Körpertemperatur], Gaspartialdruck [N2-Anteil] und Nährlösungsmanagement [± Medienwechsel]) voneinander unterscheiden. Diese haben Auswirkungen auf die Chondrozytenvitalität, die mechanischen Eigenschaften und die zur Verfügung stehende Zeit bis zur Transplantation [33, 68].

Im Allgemeinen wird bei einer Lagerungstemperatur von 4 °C ein Zeitfenster von 28 Tagen für mögliche Transplantationen angegeben, um eine kritische Chondrozytenüberlebensrate > 70 % einhalten zu können [51]. Im Vorgehen der eigenen Arbeitsgruppe konnte das Entnahme‑, Lagerungs- und Transportmanagement in einem komplexen Unterfangen ständig weiteroptimiert werden, sodass ein wesentlich erweitertes Zeitfenster erreicht werden konnte (Abb. 5). Damit steht für die Durchführung der notwendigen Tests sowie für Planung, Empfängermanagement, Logistik (z. B. „patient specific instruments“[PSI]/Schnittlehren) und Verarbeitung der Transplantate ein erweiterter Zeitrahmen zur Verfügung (Abb. 6).

Abb. 5
figure 5

Lagerung und Transport. ac Lagerungskühlschrank für die ausschließliche Lagerung der Allograft-Transplantate. Im Inneren befinden sich mehrfach steril versiegelte und beschriftete Behälter für die Transplantate/Referenzproben und die Aufbewahrungsflüssigkeit. d Transportkühlbehälter für den Transfer zur bildgebenden Untersuchung und in den OP

Abb. 6
figure 6

Qualitätskontrolle durch Vitalitäts-Monitoring anhand von Referenzbiopsien aus Fuß- und Handwurzelknochen zu verschiedenen Zeitpunkten

Knorpelvitalität

Die Chondrozyten werden v. a. durch gelenkseitige Diffusion ernährt. Ihr Überleben sowohl in den oberflächlichen und tiefen Schichten ist entscheidend für die erfolgreiche Transplantation osteochondraler Konstrukte [63]. Das Überleben der Chondrozyten sichert die Integrität der Knorpelmatrix, als Voraussetzung für die mechanischen und biologischen Eigenschaften des gelenkseitigen Transplantates [26, 63, 64].

Die kritische Grenzvitalität beträgt > 70 % lebender Zellen im Live/Dead Assay zum Zeitpunkt der Transplantation [11]. Die Zellen im transplantierten Knorpelgewebe überleben im Lagermedium bei 4 °C etwa 4 Wochen, unter optimierten Lagerbedingungen auch länger.

Chondrales Langzeitüberleben im Empfänger

Mehrere Studien konnten vitale Chondrozyten im Transplantat über Jahre und Jahrzehnte [31, 41, 79], in einem Fall 29 Jahre nach Transplantation [41], nachweisen (Abb. 7). Darüber hinaus konnten die Chondrozyten durch geeignete Tests auch dem Spender oder dem Empfänger quantitativ zugeordnet werden (Chimärismusanalysen).

Abb. 7
figure 7

Bioptisch gesichertes Transplantatüberleben an den femoralen und tibialen Anteilen des Kniegelenks

Knöcherne Integration

Die Osseointegration des knöchernen Graft-Anteils ist ebenfalls entscheidend für das Langzeitüberleben des Knorpels [31]. Durch Apoptose sterben ständig Zellen ab. Nach dem Herz-Kreislauf-Stillstand und während der Lagerung des Transplantates fehlt die Möglichkeit des Zellaustausches. Ein Zellaustausch kann nur stattfinden, wenn physiologische Bedingungen im Transplantat vorliegen. Für diese Regeneration scheint eine adäquate knochenseitige Blutversorgung erforderlich zu sein. Deshalb gilt es, den Vaskularisierungsprozess durch die Verwendung möglichst dünner Transplantate kurz zu halten.

Das FLOCSAT-Konzept beruht u.a. auf der fehlenden Immunogenität von intaktem Knorpel (immunprivilegiert) und der guten Osseointegration von dünnen Flächensegmenten osteochondraler Transplantate.

Immunspezifische Besonderheiten allogener Gelenktransplantate

Immunogenität von Knorpel.

In ihren Schlüsselexperimenten konnten Langer und Gross [50] bereits 1974 nachweisen, dass isolierter intakter Gelenkknorpel keine humorale Immunreaktion auslöst. In den Experimenten wurden Gelenktransplantationen zwischen Inzuchtstämmen von Ratten und Hasen durchgeführt, mit isolierten Chondrozyten, Knorpelpartikeln und isoliertem intaktem Gelenkknorpel. Es konnte gezeigt werden, dass Chondrozyten Antigene besitzen und immunogen sind. Wenn jedoch die Knorpelmatrix intakt war, erfolgte keine Sensibilisierung der Empfänger (Abb. 8).

Abb. 8
figure 8

Immunogenität von Knorpel, Knochen und Meniskus

In weiteren Untersuchungen blieben die Transplantate über die Zeit vital, sogar in den Fällen, in denen die Empfänger vor der Transplantation sensibilisiert worden waren. Das deutet darauf hin, dass humorale Antikörper nicht in die intakte Knorpelmatrix eindringen und die Chondrozyten erreichen können [50]. Auch am Menschen konnte belegt werden, dass OCA toleriert werden, ohne klinische Hinweise auf Abstoßung trotz fehlendem HLA- oder Blutgruppen-Matching [44, 61].

Offensichtlich kann die dichte extrazelluläre Matrix des intakten Knorpels die Chondrozyten vor der Immunabwehr des Empfängers schützen, sodass Knorpel als „immunprivilegiertes Gewebe“ gilt.

Immunogenität von Knochen.

Im Gegensatz dazu lösen der subchondrale Knochen und das Knochenmark des Transplantates sehr wohl eine Immunreaktion aus [44]. Das kann erklären, warum größere Transplantate zu stärkeren Immunreaktionen führen als kleine ([74]; Abb. 8).

Immunogenität von Meniskusgewebe.

Histologische Untersuchungen zeigen, dass Donorzellen, die zum Erhalt der extrazellulären Matrix und mechanischen Integrität beitragen, im Meniskus-Allograft überleben. Im Gegensatz zu Knorpelzellen gelten sie als nichtimmunprivilegiert. In Untersuchungen am Menschen wurden Sensibilisierungen gegen HLA-Klasse-I- und HLA-Klasse-II-Antigene beschrieben [2]. Andere Untersuchungen zeigten die Immunreaktion in Form von B‑Lymphozyten und zytotoxische T‑Zellen in einem Großteil der Empfänger ([66]; Abb. 8).

Chimärismus.

Allogene osteochondrale Transplantationen resultieren in Chimären, also Gewebe, das aus Zellen unterschiedlicher Herkunft gebildet wird. Mithilfe der DNA-Analyse-Techniken kann der jeweilige Anteil der Spender- oder Empfänger-DNA quantitativ bestimmt werden. Im transplantierten eigenen Krankengut beträgt der Anteil der Spender-DNA, die im Beobachtungsverlauf gegen Empfänger-DNA ausgetauscht wurde, zwischen 32 % und 100 %.

Diagnostik

Anamnese sowie klinische und bildgebende Untersuchung entsprechen den Erfordernissen anderer komplexer Korrektureingriffe und wurden in vorausgegangenen Arbeiten beschrieben [9, 47, 48].

Als dreidimensionale bildgebende Untersuchung bevorzugen die Autoren des vorliegenden Beitrags das Arthro-CT in Kombination mit einem Arthro-MRT. Dies erlaubt die Negativkonturierung von Knorpeldefekten, Osteophyten und der Menisken. Gleichzeitig kann der Datensatz zur multiplanaren Darstellung, zur Vermessung, zum 3D-Vergleich mit dem Transplantat (virtuelle Subtraktion), zur Planung und Herstellung von patientenspezifischen Instrumenten und Implantaten [59] und zur Unterstützung der intraoperativen Navigation rekonstruiert werden. Vorteile des Arthro-CTs sind die geringere Störanfälligkeit im Vergleich zur MRT in Bezug auf Metallartefakte und die Reformationsfähigkeit des Datensatzes. Zudem sind die erhaltenen Informationen zu Knochen und Knorpel in einem einzigen Datensatz verfügbar. Die MRT-Komponente erlaubt die differenzierte Analyse von Bandverletzungen und der Menisken.

Bei Verdacht auf Knochennekrosen ist es grundsätzlich hilfreich, die Avitalität des Knochenlagers nachzuweisen und zu quantifizieren, um die Voraussetzung für die Osseointegration und die Ernährung des Transplantates beurteilen zu können. In der Praxis gelingt dies mit dem PET-CT wegen der Überstrahlung nur selten in der notwendigen Ortsauflösung.

Indikation

Die Indikationsstellung zur Korrektur intraartikulärer Defekte ist hochkomplex. Sie erfordert die Einbeziehung zahlreicher auch subjektiver Parameter. Hierzu gehören Ausmaß von Ruhe- und Belastungsschmerz, Beeinträchtigung bei Aktivitäten des täglichen Lebens und beim Sport, Instabilitätsgefühl und „giving way“, biologischer Status des Patienten (Alter, Komorbidität, Nikotinabusus etc.), Motivation, Ausdauer, Belastbarkeit und individueller Anspruch. Zu den ebenfalls indikationsbestimmenden, objektiven Parametern zählen Ausmaß, Art („step“, „gap“), Lokalisation und Topografie der Destruktion (Knorpel- und Meniskus) und das Vorhandensein ligamentärer Instabilität oder intra- und extraartikulärer Achsabweichungen. (Tab. 1).

Tab. 1 Positive und negative Einflussfaktoren auf das Langzeitergebnis

Operationsplanung

Aus den vorliegenden Informationen über die verschiedenen Patienten‑, Läsions- und Transplantatvariablen muss ein umfassender patientenspezifischer, individueller chirurgischer Plan entwickelt werden, der Schmerzen, Fehlstellung, Menisken sowie ligamentäre Instabilität und Gleitflächendefizite berücksichtigt.

Transplantat- und Defektgeometrie

In den USA werden kommerziell erhältliche Transplantate von den Gewebebanken nach dem größenreferenzierten a.-p.-Röntgenbild des Empfängers angeboten [27]. Eine Größenvarianz ± 2 mm wird im Allgemeinen als tolerabel erachtet [36]. Jedoch berücksichtigt dieser Ansatz zum einen nicht die große anatomische Varianz bei gleichem Querdurchmesser in den anderen Ebenen des Raums (sagittal, horizontal); zum anderen vernachlässigt er läsionsbedingte geometrische Veränderungen z. B. durch Randosteophyten. So ist z. B. ein Condylus mit einer Osteochondrosis dissecans (OD) häufig breiter und flacher als der ursprüngliche (oder der kontralaterale Condylus), was dann scheinbar einen breiteren Condylus erforderlich machen würde [27]. Andererseits soll dieser Condylus aber zum (unveränderten) Tibiaplateau passen.

Im Bereich der Tibia erfolgt die Messung des Plateaus direkt unterhalb der Gelenkfläche von der medialen zur lateralen Kortikalis [52]. Die Autoren verwenden die 3D-Datensätze zur Detailplanung (Abb. 9).

Abb. 9
figure 9

Digitale 3D-Planung und patientenspezifische Instrumente (PSI) in Form von Schnittblöcken für den Zuschnitt des Transplantats und der Patiententibia im Rahmen der „fresh large osteochondral shell allograft transplantation“ (FLOCSAT). a 3D-Planung der FLOCSAT-Kontaktfläche für einen Patienten mit Knochen-Knorpel-Defekt am linken lateralen Tibiaplateau (grau) bei komplexer Vorgeschichte (Defektpseudarthrose); b 3D-Datensatz des virtuellen Transplantates berechnet aus dem 3D-Datensatz der Gegenseite und Resektionsebene aus Teilabbildung a. c 3D-Planung der patientenspezifischen Probe-Transplantate und Schnittblöcke für den Zuschnitt des FLOCSAT und des Patientenknochens

Neben den linearen geometrischen Parametern wie Breite, Länge und Höhe spielen auch die Krümmungsradien des Empfängeranteils und des Transplantates eine wesentliche Rolle, um Instabilität, Streckdefizit und Überlastungsphänomene zu vermeiden. Schnittbildgebung und PSI erhöhen die Präzision bei Planung und geometrisch komplementärem Transplantatszuschnitt. Die Größenbestimmung der Knorpeldefekte erfolgt in standardisierten 2D-Rekonstruktionen im Arthro-CT-Datensatz oder im MRT [10]. Beim MRT ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Größe des artikulären Defekts häufig unterschätzt wird [5]. Gomoll et al. [23] konnten in ihrer Studie zeigen, dass in 85 % der Fälle der Defekt im MRT um 65 % (47–377 %) unterschätzt wurde.

Patientenauswahl

Behandlungsziel einer Kniegelenktransplantation ist die Verbesserung der Lebensqualität. Das beinhaltet primär ein schmerzfreies, alltagstaugliches Knie und hilfsmittelfreies Gehen, aber auch die Rückkehr zu Freizeit- und Sportaktivitäten. Dies kann beim älteren Patienten gut und nachhaltig auch mit konventionellen endoprothetischen Maßnahmen erzielt werden, sodass die Autoren des vorliegenden Beitrags die Transplantation bisher auf aktive gesunde Patienten mit einem (biologischen) Lebensalter unter 60 Jahren beschränkt haben.

Eine FLOCSAT kann indiziert sein für das primäre Management großer chondraler oder osteochondraler Defekte (> 10 cm2; [10, 27, 34]). Die Indikationen umfassen idiopathische oder posttraumatische Knorpel- oder Knochen-Knorpel-Defekte, Osteonekrose, OD und vorausgegangenes Versagen anderer Knorpeltherapien (fehlgeschlagene Mikrofrakturierung, ACI/ACT, OAT) [48].

Transplantationstechniken

In Abhängigkeit von Größe, Geometrie, Zahl der Osteotomieebenen und der artikulären Komponenten sowie der transplantierten Begleitkomponenten (Menisken, Bänder) lassen sich die im Folgenden beschriebenen Transplantationstechniken unterscheiden.

Oberflächenersatz mit großflächigem uniplanarem osteochondralem Transplantat

Diese geometrische Konstellation findet sich v. a. an der Patella. Hier sind die Planung und die technische Durchführung der Osteotomie relativ einfach [49]. Die Schnitttechnik der Tibiaplateaus ist ebenfalls relativ einfach; die intraoperative Planung und die rotatorische Ausrichtung des FLOCSAT können trotzdem schwierig sein [48].

Ossäre Schichtdicke.

Die knöcherne Komponente des FLOCSAT sollte möglichst dünn gehalten werden (empirisch < 6–8 mm; Abb. 9). Eine geringe Schichtdicke reduziert die Vaskularisationsstrecke für die Transplantate, erleichtert die Osseointegration und die Perfusion der Transplantate. Andererseits soll der knöcherne Anteil eine sichere Fixierung durch Implantate (Kirschner-Drähte, Schrauben) erlauben und Ermüdungsfrakturen verhindern [48].

Oberflächenbearbeitung.

Die ossären Kontaktflächen der Transplantate werden vor der Transplantation mit der oszillierenden Säge bearbeitet, um die Oberfläche zu vergrößern („pie crust technique“) und auf der Empfängerseite Sklerosezonen aufzubrechen. Zudem erfolgt der Versuch einer Auswaschung mithilfe eines pulsierenden Wasserstrahls ([27]; Abb. 10).

Abb. 10
figure 10

Techniken zu Oberflächenvergrößerung und Fixierung des Transplantates im Rahmen der „fresh large osteochondral shell allograft transplantation“ (FLOCSAT). Transplantat des Tibiaplateaus ohne (a) und mit Unterschneidung (b) am zentralen Rand. Oberflächenvergrößerung durch multiple tangentiale subchondrale Schnitte aufseiten des Transplantates und des Empfängerknochens. c Grenzzone im Computertomogramm mit multiplen Sägeschnitten („pie crust technique“; rechts). Zentral Bohrdefekte nach vorausgegangener winkelstabiler Platte. d Schematische Darstellung der Oberflächenvergrößerung durch multiple Bohrungen. Fixierung des Transplantates mithilfe von Miniplättchen

Impaktion und Austrocknung.

Knorpel und die darin lebenden Chondrozyten reagieren sehr sensibel auf mechanische Kontusion und Austrocknung. Beim Einbringen der Transplantate muss deshalb das Gewebe permanent befeuchtet und die auf die Knorpeloberfläche einwirkende Kraft kontrolliert werden. Insbesondere bei Plugs muss guter Kontakt („press-fit“) zwischen Transplantat und Empfänger bestehen, damit sich das Transplantat nicht aus seinem Bett löst. Andererseits muss unkontrolliertes Einschlagen vermieden werden (Gefährdung der Zellvitalität; [3]).

Fixierung.

Bei den großflächigen uniplanaren osteochondralen Transplantaten (FLOCSAT) gelingt es nicht, diese „press-fit“ einzubringen. Die Fixierung erfolgt dann mithilfe von Schrauben, Kirschner-Drähten und Miniplatten aus dem Kleinfragment- oder Handset [10, 25, 48]; geometrische Unterschneidungstechniken können die Stabilität steigern (Abb. 10).

Multiplanare und multipolare FLOCSAT

Im Bereich der Trochlea oder der Femurkondylen würden uniplanare Schnitte zu sehr großer Transplantatdicke führen. Deshalb müssen die Osteotomien an Empfänger und Spender multiplanar (n-planar FLOCSAT) ausgeführt werden, wobei n die Anzahl der Schnittebenen angibt. Die Schnittflächen müssen geometrisch exakt komplementär sein. Je komplexer die subchondrale geometrische Situation ist, desto anspruchsvoller und schwieriger werden das dünnschichtige Auslösen und das passgenaue komplementäre Zuschneiden des 3D-FLOCSAT. Dieser Zielkonflikt ist nicht einfach zu lösen (Kontakt vs. Schichtdicke; [49]). Hier können individuell mechanisch einstellbare Sägelehren [19] oder individuell digital geplante und geprintete Schnittblöcke (Abb. 9) eingesetzt werden.

Die osteochondralen Transplante können als komplex geformte multiplanare (n-planar) FLOCSAT konfiguriert werden. Im eigenen Haus wird eine vom Erstautor entwickelte multiplanare Kopier-Array-Schnitt-Technik angewendet, die separat beschrieben wird. Diese erlaubt das geometrisch exakte multiplanare Zuschneiden von Empfängergelenk und FLOCSAT. Beispiele dafür sind die geometrischen Konstellationen an der Femurkondyle, am oberen Sprunggelenk (OSG) und am Ellbogen [49].

Komplexe Geometrien an Femurkondylen, OSG und Ellbogen erfordern komplexe multiplanare Zuschnitte

Komplexe Gelenkdestruktionen erfordern häufig die Einbeziehung mehrerer korrespondierender Gelenkpartner (n-polare FLOCSAT). Beispiel für 2-polare FLOCSAT ist die Anwendung an Femurkondyle und Tibiaplateau oder Trochlea und Patella.

Beispiele für 3-polare FLOCSAT stellen Anwendungen an OSG und Ellbogen dar [49].

Kombination mit Meniskus und/oder Ligamentstrukturen

Der posttraumatische Knorpelschaden geht häufig mit einer Fehlstellung und ligamentärer Instabilität einher oder ist durch diese bedingt. Daher dürfen diese Pathologien nicht unberücksichtigt bleiben. Da die Transplantate im vorgestellten Wirkungsbereich alle mit Menisken und Bändern entnommen werden, stehen diese für die Rekonstruktion zur Verfügung. Insbesondere beim uni- und bipolaren Ersatz des Tibiaplateaus besteht in der Regel ein schwerer Meniskusschaden. Hier wird im Rahmen der FLOCSAT auch der Meniskus transplantiert. Bei bestehender Kreuzbandinsuffizienz kann das FLOCSAT mit der entsprechenden Bandkomponente als Einheit entnommen und transplantiert werden. Die osteochondralen Transplantate können mit Meniskus und/oder Ligamenten im Verbund transplantiert werden (nMnL-FLOCSAT). Dies gilt insbesondere auch für die FLOCSAT am OSG [20, 49]. Die Autoren bevorzugen hier die tripolare FLOCSAT (Tibia, Talus und Fibula), wobei die osteochondrale Fibulaschuppe am vorderen und hinteren Syndesmosenband am tibialen Graft fixiert bleibt. Das 2-planare Talus-FLOCSAT wird getrennt entnommen [49].

Begleitpathologien

Eine Knorpeltherapie ohne entsprechende Korrektur von Achsen‑, Band- und Meniskusschäden hat keine Aussicht auf dauerhaften Erfolg [30, 67].

Knochendefekt und Pseudarthrose

Große subchondrale Knochendefekte nach Trauma, Resorption, Nekrose, Voreingriffen und/oder Pseudarthrosen können nicht gleichzeitig mit dem FLOCSAT in einer Sitzung adressiert werden. Hier ist ein zweizeitiges Vorgehen notwendig, mit einem vorausgeschalteten Eingriff zum Knochenaufbau/zur knöchernen Konsolidierung. Dafür müssen mindestens 6 Monate veranschlagt werden. Erst danach kann die FLOCSAT erfolgen [48, 49].

Achsenfehler

Die Erfassung von Fehlstellungen ist ein wichtiger Aspekt der präoperativen Analyse, die am Knie mithilfe von Ganzbeinaufnahmen unter Vollbelastung erfolgt. Intraoperativ wird die Beinachse in der Frontalebene mit entsprechenden Techniken erfasst (Kabeltechnik, Achsstab; [46]). Die Optimierung der mechanischen Achse reduziert die Belastung des Transplantates und steigert das Transplantatüberleben [30]. Die Korrektur sollte nicht durch die Wahl eines höheren Transplantats erfolgen (dieses soll so dünn wie irgendwie möglich bleiben), sondern in Form einer Osteotomie, z. B. eine hohe tibiale Osteotomie (HTO) oder Osteotomie am distalen Femur. Falls es sich um einen patellofemoralen Knorpelschaden handelt, kann eine Versetzung der Tuberositas tibiae im Zusammenhang mit der osteochondralen Transplantation sinnvoll sein, um eine Lastreduktion der transplantierten Gelenkanteile zu erreichen und ein „maltracking“ zu reduzieren [40].

Bandverletzungen

Die Erfassung von Bandinstabilitäten im Rahmen der klinischen Untersuchung und im MRT stellt einen essenziellen Bestandteil der präoperativen Analyse dar. Bei der FLOCSAT müssen vorbestehende uni- oder multidirektionale Instabilitäten erkannt und simultan oder zweizeitig mithilfe bandstabilisierender oder -ersetzender Maßnahmen korrigiert werden [60]. Das gilt für die Kreuzbänder ebenso wie für posteromediale oder -laterale Instabilitäten oder Instabilitäten des Femoropatellar- [72] oder Ellenbogengelenks [49].

Meniskusschaden

Die Menisken spielen im Kniegelenk eine zentrale Rolle zu Lastverteilung, Schockabsorbtion, Knorpelbenetzung und bei der Entstehung degenerativer Veränderungen. Knorpelschäden sind häufig begleitet von Meniskusschäden. Die Erfassung von Meniskusschäden im Rahmen der klinischen Untersuchung und im MRT gehört ebenso zur präoperativen Analyse. Eine Knorpeltherapie ohne entsprechende Korrektur der Meniskuspathologie hat geringe Aussicht auf dauerhaften Erfolg [30, 67]. Bei bestimmten Meniskuseinrissen mag ein Débridement oder das Anlegen einer Naht erfolgreich sein. Bei großen Defekten oder fehlendem Meniskus in den mechanisch entscheidenden Segmenten ist die Transplantation von Meniskus-Allografts die Therapie der Wahl. Im Fall einer Transplantation des Tibiaplateaus kann diese als Block in einer funktionellen Einheit erfolgen. Studien haben gezeigt, dass die Transplantation von OCA in Kombination mit dem Meniskus die Ergebnisse verbessert [30, 49, 67].

Rehabilitation

Das postoperative Rehabilitationsprogramm und -protokoll entspricht in weiten Zügen dem anderer Knorpelprozeduren [10]. Es gliedert sich in die in Infobox 1 aufgeführten Phasen.

Infobox 1 Postoperatives Rehabilitationsprogramm

  • Rehaphase 1: Schutz der Transplantate (Woche 0 bis 12)

    • Teilbelastung mit Unterarmgehstützen (15–20 kg), um Scher- und Kompressionskräfte niedrig zu halten

    • Konsequenter Einsatz einer „Continous-passive-motion“(CPM)-Schiene (> 16 h/Tag) zur Verbesserung der Knorpelbenetzung

    • Isometrisches Krafttraining (Quadriceps, „hamstrings“)

    • Schmerzadaptierte Steigerung der Kniegelenksbeugung

    • Streckdefizit vermeiden

  • Rehaphase 2: Wiedererlangung der Alltagsnormalität (Woche 13 bis 26)

    • Ziel ist die Verbesserung von Kraft, Beweglichkeit und Koordination

    • Wiederaufnahme von Aktivitäten des täglichen Lebens

    • Zunehmende Fortsetzung der Physiotherapie als Eigentraining

    • Intensiviertes Krafttraining, „Core“-Stabilisierung, Propriozeptionstraining

    • (Gegebenenfalls graduelle) Wiederaufnahme beruflicher Tätigkeit

  • Rehaphase 3: Wiedererlangung basaler Sportfähigkeit (nach 6 Monaten)

    • Weitere Optimierung von Kraft, Beweglichkeit und Koordination

    • Weiterhin Physiotherapie als Eigentraining

    • Intensiviertes Krafttraining, Core-Stabilisierung, Propriozeptionstraining und ggf. Beginn eines sportartenorientierten Trainings

    • Sensibilisierung der Patienten für die spezifischen Besonderheiten: z. B. femoropatellares Gleitlager: hier Vermeidung von repetitiver Überlastung durch „leg-press training“

  • Rehaphase 4: Wiedererlangung der Sportfähigkeit (nach einem Jahr)

    • Trainingsintensivierung auf präoperatives Aktivitätsniveau

    • Voller Bewegungsumfang, Bandstabilität, Abwesenheit von Gelenkergüssen und seitengleiche Kraft sind Voraussetzungen für die Rückkehr in den Sport

Komplikationen

Mögliche Komplikationen umfassen operationstechnische Probleme wie Bandverletzung (Läsion des hinteren Kreuzbands [HKB] beim Abtrennen des Empfängerknorpels), Transplantatfraktur (zu dünne Zubereitung), verbleibende Bandinstabilität und Achsenfehler. Biologische Probleme stellen immunologische Reaktionen mit schmerzhafter Gelenkinflammation und Synovitis dar. Diese können in der Destruktion des transplantierten Knorpels enden. Grundsätzlich ist auch eine ausbleibende Osseointegration oder Infektion möglich, die jedoch im Krankengut der Autoren bisher nicht beobachtet wurde (Abb. 11). Insgesamt musste in 5 Fällen auf eine Endoprothese gewechselt werden (Abb. 12).

Abb. 11
figure 11

ac 2D-Rekonstruktionen 12 Wochen nach Transplantation mit guter Osseointegration des Transplantates. Im weiteren Verlauf Knorpeldestruktion (Therapieversager) und Wechsel auf metallischen Oberflächenersatz

Abb. 12
figure 12

Eigene Ergebnisse. Darstellung der Transplantatüberlebenskurven bei allen Patienten mit FLOCSAT in einem Beobachtungszeitraum von mindestens 12 Monaten (gelb, n = 13) und mindestens 24 Monaten (grün, n = 4). Im rechten Teil der Abbildung Aufschlüsselung nach Gelenk, Nachuntersuchungsintervall, Osseointegration (> 80 % innerhalb von 3 Monaten). Pinkfarbene Felder zeigen Therapieversager mit Wechsel zur Endoprothese im jeweiligen Nachuntersuchungsintervall. Mo Monate, OSG oberes Sprunggelenk

Wegen der geringen abgetragenen ossären Schichtdicke und der guten Osseointegration des Transplantates ist beim Therapieversagen der alloarthroplastische Oberflächenersatz weiterhin gut möglich.

Ergebnisse

Literaturübersicht.

Nach der Transplantation von frischen OCA wurden in zahlreichen Studien gute bis exzellente Ergebnisse im Sinne von Gelenkfunktion und Transplantatüberleben beschrieben (Tab. 2).

Tab. 2 Langzeitergebnis nach Transplantation mit frischen osteochondralen Allografts. (Nach Sherman et al. [72])

Die Transplantatüberlebensraten betragen 84,5–100 % nach 5 Jahren, 71–89 % nach 10 Jahren, 74–76 % nach 15 Jahren und 66 % nach 20 Jahren [17, 28, 30, 53, 72]. Erfreuliche Resultate zeigen sich auch bei Patienten mit OD und steroidassoziierten Osteonekrosen anhand der Transplantatüberlebensraten von 79–94 % nach bis zu 5 postoperativen Jahren [1, 16, 40, 67, 72].

Schlechte Ergebnisse dagegen finden sich bei bipolaren Läsionen, großen Defekten (> 10 cm2), lange bestehenden chronischen Läsionen, hohem Patientenalter, unkorrigierten Fehlstellungen und bei Patienten, die in den USA im Rahmen der „workers compensation“ versichert sind [8, 17, 30, 72].

Für den Einsatz von frischen osteochondralen Transplantaten bei posttraumatischen Defekten oder intraartikulären Fehlstellungen im Bereich der Tibiagelenkfläche existiert sehr viel weniger Literatur. Im Allgemeinen berichten diese Studien aber gute bis exzellente Ergebnisse mit Transplantatüberlebensraten von 95 %, 71 %–80 % und 65–66 % nach 5, 10 bzw. 15 bis 20 Jahren [17, 71, 72].

Bei Vorhandensein einer Arthrose ist die Prognose weniger vorteilhaft; in einer Studie wurden Transplantatversagerraten bis zu 48 % ermittelt [4]. Die Ergebnisse nach Läsionen im Femoropatellargelenk sind ebenfalls schlecht. Eine Studie berichtet über postoperative Transplantatüberlebensraten von lediglich 43 % nach 5 Jahren und 29 % nach 10 Jahren. Eine andere Studie ermittelte Transplantatüberlebensraten von 75 % nach einem durchschnittlichen Nachuntersuchungsintervall von 8 Jahren [40, 72, 75].

Nur wenige Daten sind zum Einsatz von frischen osteochondralen Transplantaten bei Sportlern verfügbar [7]. In einer Studie an 43 Sportlern kehrten 38 (88 %) zurück zum Sport. Immerhin 34 Sportler (79 %) konnten das ursprüngliche Leistungsniveau und die ursprüngliche Trainingsintensität wieder erreichen, die übrigen Athleten erreichten ein niedrigeres Sportniveau [7]. Negative Einflussfaktoren waren ein Patientenalter über 25 Jahre und eine Beschwerdedauer über 12 Monate vor dem Eingriff. Diese beiden Gruppen hatten eine geringere Wahrscheinlichkeit, ihr Trainings- und Performance-Niveau wieder zu erreichen [72].

Eigenes Krankengut.

Bislang wurden 17 Patienten mit dem FLOCSAT-Konzept behandelt, bei denen zum großen Teil bereits die Indikation zur Endoprothese gestellt worden war. Davon wurden 13 Patienten > 1 Jahr und 4 Patienten > 2 Jahre nachbeobachtet. In der Gruppe der Nachbeobachtungszeit > 1 Jahr erhielten 4 der 13 Patienten eine TEP und sind somit Therapieversager. In der anderen Gruppe hat einer der 4 Patienten eine TEP erhalten. In allen Fällen kam es zur raschen Osseointegration innerhalb von 12 Wochen. Infektionen traten nicht auf [48, 49].

Ausblick

Die Transplantation von frischem osteochondralem Gewebe in seinen zahlreichen Spielformen und insbesondere der FLOCSAT stellt eine Bereicherung des rekonstruktiven Spektrums dar. Dies gilt insbesondere bei den Patienten, bei denen man aufgrund ihres Alters zurückhaltend mit endoprothetischen Lösungen oder Versteifungen sein möchte.

  • Ermutigend sind die guten Langzeitergebnisse v. a. bei kleineren Transplantaten und die deutlichen Verbesserungen im Bereich der Lagerung, die die Transplantationsintervalle auf > 4 Wochen verlängert haben. Erfreulich ist bei der FLOCSAT auch die Tatsache, dass eine sichere und rasche Osseointegration innerhalb von 3 Monaten stattfindet, was auf eine präzise und spaltarme Kopierzuschnitttechnik auch bei komplex geformten multiplanar geschnittenen Transplantaten zurückgeführt wird.

  • Im Gegensatz zur wenig problematischen Osseointegration ist das Verständnis für die Vorgänge bei Überleben oder Versagen des Knorpels geringer, und die Ergebnisse sind deutlich schlechter. Die im Verlauf nach Transplantation beobachteten milden bis moderaten Entzündungsreaktionen werden auf immunologische Vorgänge zurückgeführt. Inwieweit hier der als immunprivilegiert geltende Knorpel oder aber der mit dem Knorpel transplantierte Knochen verantwortlich ist, bleibt unklar.

  • Wünschenswert für die Zukunft wären mechanische Abtrennverfahren für Empfänger und Spender, die den bisher noch erforderlichen hohen Zeitaufwand reduzieren. Hier ist v. a. an präoperative digitale 3D-Planungskonzepte, patienten- und transplantatspezifische Schnitthilfen aus dem 3D-Drucker, Fräsroboter und die zeitliche Trennung/Vorschaltung des Transplantatzuschnitts zu denken.

  • Wünschenswert wären ein besseres Verständnisses für die Wahrscheinlichkeit eines Transplantaterfolges und die Möglichkeit des Transplantat-Monitorings nach Transplantation, möglicherweise erreicht durch In-vitro-Testverfahren.

  • Mit dem steigenden klinischen Erfolg des Verfahrens wird es notwendig werden, den enormen logistischen, personellen und apparativen Aufwand finanziell entsprechend abzubilden.

  • Und schließlich muss daran gearbeitet werden, dass in der Bevölkerung, aber auch bei Ärzten und Pflegepersonal ein Bewusstsein für die Möglichkeiten sowie den Stellenwert einer Gewebespende und der Transplantation mit frischen OCA entsteht und gepflegt wird.

Infobox 2 Weiterführende Informationen

Fazit für die Praxis

  • Langzeituntersuchungen für frische OCA mit überwiegend zylindrischem Transplantatzuschnitt zeigen Zell- und Transplantatüberleben von über 20 Jahren und mehr. Erfahrungen aus diesen Berichten sind in das FLOCSAT-Konzept eingeflossen.

  • Beim FLOCSAT-Konzept werden frische flächige OCA mit geringer Knochenschichtdicke transplantiert.

  • Die Zellen im transplantierten Knorpelgewebe überleben im Lagermedium bei 4 °C etwa 4 Wochen, unter optimierten Lagerbedingungen auch länger. Die Transplantate werden bis zu einem Vitalitätsnachweis von 70 % im Live/Dead Assay verarbeitet.

  • Das FLOCSAT-Konzept beruht auf der fehlenden Immunogenität von intaktem Knorpel und der guten Osseointegration von dünnen Flächensegmenten osteochondraler Transplantate.

  • Die osteochondralen Transplante können als uni- oder multiplanare (n-planar FLOCSAT) konfiguriert werden.

  • Die osteochondralen Transplante können uni-, bi- oder tripolare Gelenkanteile oder ganze Gelenke ersetzen (n-polar FLOCSAT).

  • Die osteochondralen Transplantate können mit Meniskus und/oder Ligamenten im Verbund transplantiert werden (ML-FLOCSAT).

  • Begleitpathologien wie Achsenfehler, Bandinstabilität, Knochendefekte oder Meniskusschäden müssen ebenfalls adressiert werden.

  • Das FLOCSAT-Konzept ist an Knie, Sprunggelenk und Ellbogen einsetzbar. Bisher liegen erst kurzfristige Ergebnisse vor (Beobachtungszeitraum < 3 Jahre).