Zusammenfassung
Frakturen der Knieregion im Kindes- und Jugendalter sind zwar selten, stellen aber aufgrund der häufigen sekundären Komplikationen durch Wachstumsstörungen eine bedeutsame Gruppe von Verletzungen dar. Die sorgfältige Primärdiagnostik und -therapie mit sicherer Indikationsstellung für eine operative Behandlung ist wesentlich zur Vermeidung von Spätfolgen, obwohl diese selbst bei korrekter Behandlung in erheblichem Ausmaß frakturimmanent und somit schicksalshaft und unvermeidbar sind. Bei posttraumatischer Wachstumsstörung mit drohender oder bereits eingetretener Deformität ist ein abwartendes Prozedere aufgrund des Fortschritts bei der operativen Wachstumslenkung nur noch in den seltensten Fällen gerechtfertigt. Auch dem Primärbehandler müssen die grundsätzlichen Überlegungen der Deformitätenkorrektur gegenwärtig sein, um rechtzeitig vorbeugend oder therapeutisch tätig zu werden bzw. zumindest bereits im Rahmen der primären Frakturversorgung vorbeugend aufklären zu können.
Abstract
Fractures of the knee region in childhood and adolescence are rare but are an important group of injuries due to the high incidence of secondary complications from growth disturbances. Meticulous primary diagnostics and fracture treatment with clear indications for surgical treatment are essential for avoiding posttraumatic deformities, although these can occur even despite correct primary treatment and are therefore inherent to specific fractures and therefore often unavoidable. In cases of growth disturbance where a deformity is imminent or has already taken place, watchful waiting until closure of the growth plate is only rarely indicated due to the progress made in directing growth via surgical means. Even surgeons who are primarily working in the field of fracture treatment must be aware of current strategies for correction of posttraumatic deformities in order to prevent or treat them in time or at least be able to prophylactically inform patients and parents during primary fracture treatment.
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Interessenkonflikt
Dirk W. Sommerfeldt gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
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Redaktion
P. Biberthaler, München
T. Gösling, Braunschweig
T. Mittlmeier, Rostock
CME-Fragebogen
CME-Fragebogen
In welchem Alter besteht ein klarer Gipfel für die Inzidenz knöcherner Verletzungen im Bereich des Knies im Kindes- und Jugendalter?
Im Säuglingsalter
Im Vorschulalter
In der Grundschule
Unmittelbar vor dem Verschluss der Wachstumsfugen
Nach dem Verschluss der Wachstumsfugen
Aus welchem Blutgefäß stammen die funktionellen Endarterien zur Versorgung der Epiphysen des Kniegelenks?
A. iliaca externa
A. iliaca interna
A. femoralis
A. tibialis anterior
A. tibialis posterior
Ein 12-jähriger, sportlicher Junge stellt sich nach Sprung aus großer Höhe (3m) in der Notfallambulanz vor. Die konventionellen Röntgenbilder bleiben unauffällig. Ein Hämarthros ist sonographisch nicht nachweisbar. Welche der folgenden Maßnahmen sollte unbedingt erfolgen?
Die Durchführung eines CT
Die Durchführung einer konventionellen Röntgenaufnahme der Patella tangential
Die Ruhigstellung des Kniegelenks in einer Orthese
Die orale Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika
Die Sicherungsaufklärung zur Crush-Verletzung der kniegelenknahen Wachstumsfugen mit entsprechenden Kontrollen.
Ein 5-jähriges Kind stellt sich nach Trampolinspringen mit Schmerzen und Schwellung im Bereich der proximalen Tibia vor. Ein Röntgenbild diagnostiziert eine metaphysäre Fraktur der proximalen Tibia ohne wesentliche Dislokation. Welches Behandlungskonzept führen Sie durch bzw. empfehlen Sie?
Konservative Therapie im Unterschenkel-cast oder -gips, zirkulär gespalten
Konservative Therapie im Oberschenkel-cast oder -gips, zirkulär gespalten
Offene Reposition und gekreuzte K-Draht-Osteosynthese
Offene Reposition und wachstumsfugenschonende Plattenosteosynthese
Geschlossene Reposition und Fixateur-externe-Anlage
Ein 7 Jahre altes Mädchen hatte vor 12 Monaten nach einem Fahrradsturz eine metaphysäre Fraktur im Bereich der proximalen Tibia ohne wesentliche Dislokation erlitten. Es wurde eine konservative Therapie mithilfe der Gipsruhigstellung durchgeführt. Sie untersuchen das Kind ein Jahr später erneut und sehen im Röntgenbild eine sekundäre Dislokation von 8° Valgusfehlstellung. Zu welcher Therapie raten sie?
Eine operative Behandlung mithilfe der Wachstumslenkung ist unumgänglich
„Watchful waiting“, da Spontankorrektur noch möglich
Korrekturosteotomie und Plattenosteosynthese in Varusstellung
Korrekturosteotomie und Fixateur externe in Varusstellung
Orthesenbehandlung für 12 Wochen
Welche Aussage zur posttraumatischen Wachstumsstörung im Bereich der Kniegelenkregion des Kindes trifft am ehesten zu?
Die distale Femurfuge ist für Verletzungen sehr unempfindlich und heilt in der Regel komplikationslos aus.
Grobe Fehlstellungen im Bereich der distalen Femurfuge gehen häufig mit einer Ausheilung in Varusfehlstellung einher.
Die Wachstumsfuge der proximalen Tibia reagiert nach Verletzung mit einem kompletten vorzeitigen Fugenschluss.
Die Verletzung der proximalen Tibiafuge führt typischerweise zu einer posttraumatischen Beinlängendifferenz.
Eine mediale Wachstumsstimulation mit konsekutivem Genu valgum ist häufig nach Verletzungen der proximalen Tibiafuge zu beobachten.
Was ist keine typische knöcherne Verletzung im Bereich des Kniegelenks im Kinds- und Jugendalter?
Avulsion der Patellasehne am unteren Patellapol
Metaphysäre Grünholzfraktur der proximalen Tibia
Knöcherner Ausriss des vorderen Kreuzbands
Tibiakopfimpressionsfraktur
Epiphyseolyse des distalen Femurs mit metaphysärem Keil
Was ist keine typische akute Komplikation nach Frakturen der Knieregion im Kindesalter?
Das Kompartmentsyndrom des Unterschenkels
Die Intimadissektion der A. poplitea
Der ligamentäre Kniebinnenschaden
Die Pseudarthrose der proximalen Tibia
Das freie osteochondrale Flake im Kniegelenk
Welche Assoziation zwischen aufgetretener posttraumatischer Wachstumssstörung und Behandlungsstrategie ist richtig?
Valgusdeformität nach proximaler Tibiafraktur – temporäre ventrale Epiphyseodese
Beinlängendifferenz <7 mm – Verlängerungsosteotomie
Antekurvation distaler Femur – temporäre laterale Epiphyseodese
Beinlängendifferenz>20 mm und ausgeprägte Varusdeformität distaler Femur – Korrekturosteotomie und Kallusdistraktion mithilfe des „Taylor spatial frame“
Varusdeformität distaler Femur – temporäre mediale Epiphyseodese
Welche Aussage trifft zu? Verletzungen im Bereich der Patella im Kindes- und Jugendalter …
stellen die häufigsten Frakturen der Kniegelenkregion dar.
gehen regelhaft mit einer Zerreißung des Reservestreckapparats einher.
sind insbesondere bei der „Sleeve“-Verletzung einfach zu diagnostizieren.
werden bei nichtdislozierter Patellalängsfraktur und erhaltenem Retinaculum extensorum mithilfe der Zuggurtungsosteosynthese versorgt.
werden bei frakturbedingter Dislokation stufenfrei offen reponiert und osteosynthetisch versorgt, um Knorpelschäden im Retropatellargelenk zu vermeiden.
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Sommerfeldt, D.W. Knöcherne Verletzungen der Knieregion im Kindes- und Jugendalter. Unfallchirurg 119, 43–61 (2016). https://doi.org/10.1007/s00113-015-0126-4
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00113-015-0126-4