Die Zahl der auf vermeidbare Fehler zurück zu führenden Todesfälle in deutschen Krankenhäusern wurde nach einer Auswertung des deutschen Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung des Gesundheitswesen 2007 auf der Basis einer Auswertung von 184 Studien „nur“ mit 0,1 % (von 1,7 Mio.) angeben, immerhin bedeutet dies 17.000 Todesfälle/Jahr. In der Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2011 werden auf 100.000 Einwohner 23,2 vermeidbare Todesfälle im Rahmen der medizinischen Versorgung angegeben. Als Folge von nosokomialen Infektionen sterben jährlich 10.000–15.000 Patienten in deutschen Kliniken. Diese Tatsachen sind mit ein Grund dafür, dass das Thema Patientensicherheit in der Gesundheitsversorgung international und auch in Deutschland in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Um diesem Thema angemessen gerecht zu werden wurde 2005 das Aktionsbündnis Patientensicherheit gegründet (http://www.aps-ev.de/home/), welches seitdem Projekte zur Förderung der Patientensicherheit initiiert, unterstützt und durchführt. Es steht v. a. dafür ein, dass Fehler nicht tabuisiert, skandalisiert und nur „personalisiert“ werden, sondern dass alle Beteiligten im Rahmen einer neuen Sicherheitskultur unerwünschte Ereignisse zum Anlass nehmen, um die Ursachen zu ergründen und präventive Maßnahmen einzuführen (strategisches Risikomanagement).

Trotz des zunehmenden Interesses an einer Verbesserung der Patientensicherheit wird im medizinischen Bereich immer noch häufig die tradierte skeptische bis ablehnende Haltung angetroffen, z. B. mit der Einstellung „ich bin gut genug, Fehler passieren mir nicht, ich muss deshalb auch keine Vorsorge treffen und z. B. Kurse machen“. In vielen Abteilungen und Köpfen wird so noch eine sog. „culture of blame“ gepflegt, d. h. nach einem Fehler oder unerwünschten Ereignis wird der Schuldige gesucht und „bestraft“. Die Nachhaltigkeit und der Lerneffekt eines solchen Vorgehens sind sehr gering. Werden nach längerer Zeit Beteiligte zu einem solchen Ereignis befragt, wissen die meisten noch, wer Schuld war, aber was zu dem Fehler geführt hat, ist in der Regel vergessen. Auch der offene Umgang und Austausch über unerwünschte Ereignisse wird – möglicherweise aus Furcht vor Sanktionen oder weil es der jeweiligen Person/Institution unangenehm ist – selten gepflegt, obwohl Studien zeigen, dass in Kliniken in denen ein Fehlerwarnsystem („critical incident reporting systems“, CIRS) im Rahmen des klinischen Risikomanagements besteht und genutzt wird, die Rate an unerwünschten Ereignissen abnimmt. Noch ist die Zahl der Einrichtungen, die dieses Instrument nutzen, gering, wiewohl die Zahl der Meldungen und der spezifischen und nationalen Datenbanken stetig zunimmt.

Dabei ist die Idee, aus fremden Fehlern zu lernen und damit eigene Fehler zu vermindern, doch charmant und elementarer Bestandteil des Lernens und Lehrens.

Diese Erkenntnis verwenden Unternehmen in Hochsicherheitsbereichen wie z. B. der Luftfahrt, welche sich schon lange mit der Analyse und Vermeidung von Fehlern beschäftigen. Laut Focus wurden 2012 rund 2,8 Mrd. Passagiere transportiert und knapp 40 Mio. Flüge durchgeführt, die Zahl der Todesopfer lag bei 496, die Zahl der Flugzeugtotalverluste bei 44. Spezifische Instrumente wie Simulationstrainings, Checklisten usw. sind in der Luftfahrt – nachweislich mit Erfolg – schon lange Standard und finden langsam auch den Weg in unsere medizinische Arbeitswelt. Dies gelingt aber nur dann, wenn im Rahmen des strategischen Risikomanagements die Organisation Krankenhaus und damit auch die Geschäftsführung ihre Verantwortung erkennt und Maßnahmen zur Umsetzung und v. a. Aufrechterhaltung eines hohen Sicherheitsstandards ergreift. Wie ausgeprägt dieses Defizit in deutschen Krankenhäusern noch ist, zeigen die Ergebnisse einer Umfrage des APS 2011 zur Umsetzung des klinischen Risikomanagements (http://www.aps-ev.de/Publikationen).

Im neuen Patientenrechtegesetz wurde auf diese Mitverantwortung der Klinikgeschäftsführungen im Rahmen der Haftung besonders hingewiesen. Dies zeigt, dass auch in der Rechtsprechung so langsam neben einem „personifizierten Fehlerverständnis“ die „systemische Verantwortung“ berücksichtigt wird.

Der komplexe Tatbestand Fehlervermeidung wird in den folgenden Artikeln aus den verschiedenen Perspektiven dargestellt und Möglichkeiten zu deren Verbesserung in der Praxis aufgezeigt.

Wir hoffen, Sie anzuregen, sich mit dem Thema auseinander zu setzen, Ihnen bekannte Möglichkeiten zu nutzen, aber auch über weitere Möglichkeiten nachzudenken, um die Patientensicherheit künftig wirkungsvoll mit zu gestalten.

P.C. Strohm

H. Siebert