Alt werden ja – aber bitte gesund. Die Folgen des demographischen Wandels mit der immer aktiver-, aber auch älter werdenden Bevölkerung sind nicht nur ständig in der Tagespresse nachzulesen, sie haben längst Einzug in unseren klinischen Alltag gefunden. Täglich werden wir einerseits mit den typischen altersbedingten Verletzungen nach Niederenergietrauma konfrontiert; jedoch häufen sich die Anzahl der Verletzungen älterer Menschen, die im Rahmen der Ausübung ihrer alltags- oder sportlichen Aktivitäten Verletzungen erleiden, die durchaus mit denen jüngerer Patienten vergleichbar sind. Das Alter eines Patienten definiert sich inzwischen eher über körperliche Fitness, Anspruch und Begleiterkrankungen – weniger über das Geburtsdatum. Daher sind viele >65-Jährige gesund und belastbar; kalendarisches und biologisches Alter klaffen immer weiter auseinander.

Das Alter eines Patienten definiert sich inzwischen über körperliche Fitness, Anspruch und Begleiterkrankungen

Stellt heute der 86-jährige Mountain-Biker oder die 79-jährige Triathletin zwar noch eine Ausnahme dar, wird diese Entität der immer fitteren „best agers“ in den kommenden Jahren weiter zunehmen und unsere therapeutischen Überlegungen beeinflussen. Nicht wenige „Rentner“ verbessern ihre finanzielle Situation durch Arbeit und sind somit auf körperliche Leistungsfähigkeit auch nach Unfällen angewiesen.

In der vorliegenden Ausgabe widmen wir uns typischen Verletzungen der Alterstraumatologie der unteren Extremität. Führt die konservative Behandlung dieser Verletzungen oft zur längeren Immobilisation der Patienten mit den bekannten Folgen, stehen heute vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, die eine funktionelle Nachbehandlung ermöglichen. Operations- und Fixationstechniken haben sich deutlich verbessert, gleichzeitig profitieren die Patienten von gelebter Interdisziplinarität mit verbesserten anästhesiologischen Verfahren und frühzeitiger Einbindung geriatrischer Kompetenz, welche die peri- und postoperativen Risiken deutlich reduzieren.

Lag die Grenze für eine Kreuzbandrekonstruktion vor 15 Jahren bei ~40 Jahren, stellt sich heute die Frage, warum ein 70-Jähriger nach adäquatem Trauma keinen Anspruch auf eine stabilisierende Kreuzbandplastik hat, die ihm ermöglicht, seinen Lieblingssport Skilaufen weiter auszuüben. Bei den Beckenfrakturen im Alter gilt es die diagnostischen Möglichkeiten (CT) voll auszuschöpfen, um das wahre Ausmaß der Verletzung frühzeitig zu erkennen und darauf adäquat zu reagieren. Acetabulumfrakturen älterer Patienten werden nach den gleichen Kriterien, wie beim Jüngeren therapiert, jedoch müssen Patientencompliance (Entlastung) und die Möglichkeit eines endoprothetischen Ersatzes oder die konservative Therapie sorgfältig abgewogen werden. Bei den geriatrischen Sprunggelenkfrakturen werden zunehmend auch winkelstabile Implantate, intramedulläre Kraftträger oder auch die primäre Arthrodese eingesetzt; welches Verfahren für den jeweiligen Patienten ideal ist, bleibt abzuwarten.

Hieß es früher „ein Glück, dass nicht operiert werden muss“ – sind die Schritte zur Rekonstruktion kleiner geworden. In vielen Fällen gilt heute – „ein Glück, dass operiert werden kann.“

Während im akut stationären Bereich die Versorgung in Deutschland flächendeckend auf einem sehr hohen Niveau durchgeführt wird, beginnen die Probleme häufig wenn der ältere Patient das Akutkrankenhaus verlassen soll. Hier gilt es die bestehende Versorgungslücke durch die Ausweitung von altersgerechten Frührehabilitationsplätzen und Physiotherapieprogrammen zu schließen.

Oberstes Ziel bleibt die Reintegration des alten Menschen in sein soziales Umfeld. Die therapeutischen Ziele müssen sich an dem Verletzungsgrad, der Lokalisation und Ausgangszustand orientieren, um den Ansprüchen – besonders im Alter - gerecht zu werden.

Michael J. Raschke