Bei der Indikationsstellung zur Therapie von Verletzungen der Wirbelsäule besteht nach wie vor eine große Unsicherheit. Die Vielfalt an Operationstechniken und Implantaten wird immer unüberschaubarer. In besonderem Maße trifft dies bei den sehr häufigen inkompletten Berstungsbrüchen am thorakolumbalen Übergang zu. Das Therapiespektrum reicht von konservativ funktioneller Therapie mit oder ohne Orthese über dorsale Instrumentation und ventrale Instrumentation bis zur 360°-Spondylodese.

Eine Arbeitsgruppe der AG Wirbelsäule der DGU hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Standards zur Therapie von thorakolumbalen Wirbelsäulenverletzungen zu erarbeiten. In mehrtägigen Arbeitssitzungen musste zunächst einiges an Begriffsdefinitionen durchgeführt werden, bevor man überhaupt beginnen konnte, über die Therapieoptionen zu reden. Obwohl weltweit in den letzten Jahren zahllose Publikationen über Wirbelfrakturen erschienen sind, musste man feststellen, dass es praktisch keine evidenzbasierten Grundlagen gibt, die einen eindeutigen Therapiealgorithmus für eine definierte Fraktur ableiten lassen.

In der oben genannten Gruppe wurde versucht, Vertreter aller gängigen Therapierichtungen mit einzubinden. Konsequenz daraus sind recht weit gefasste Empfehlungen, es werden aber Minimalstandards festgelegt, die unbedingt eingehalten werden sollten.

Die klaren Begriffsbestimmungen erleichtern die Kommunikation. Die neben der gängigen Frakturklassifikation zusätzlich beschriebenen Parameter schärfen den Sinn für eine differenziertere Indikationsstellung.

Zwei minimal-invasive Methoden halten bei den thorakolumbalen Frakturen vermehrt Einzug: Die perkutanen dorsalen Stabilisierungen und die Techniken der Zementaugmentation von Wirbelkörpern.

Da keine Langzeitergebnisse bei Zementaugmentation von jüngeren Patienten vorliegen, sollten diese Techniken den osteoporotischen Frakturen des alten Menschen vorbehalten bleiben. Die resorbierbaren Knochenzemente können vielleicht neue Möglichkeiten eröffnen, zurzeit sind die Ergebnisse v. a. aufgrund der eingeschränkten biomechanischen Belastbarkeit noch nicht reproduzierbar überzeugend.

Die perkutanen Instrumentationssysteme ermöglichen deutlich kleinere Hautinzisionen. Auch hier gibt es jedoch noch keine Studien, die einen eindeutigen Vorteil für den Patienten belegen können. Die Repositionsmöglichkeiten sind im Vergleich zu den offenen Systemen bis heute eingeschränkt. Kompromisse in dem Sinne, dass zugunsten der minimalen Inzision auf eine optimale Reposition verzichtet wird, sollten nicht gemacht werden.

Insbesondere für uns als Unfallchirurgen und Orthopäden stehen die Wiederherstellung des physiologischen Alignements und der Erhalt möglichst vieler Bewegungssegmente der Wirbelsäule im Fokus unserer Bemühungen. An diesen Kriterien sollte sich unsere Behandlung nach wie vor orientieren. Im Rahmen der wissenschaftlichen Fachgesellschaften werden wir weiter daran arbeiten, diese Überzeugung auch durch ausreichend aussagekräftige Studien zu belegen.

A. Verheyden