Mit dieser Ausgabe folgen wir bereits zum dritten Mal dem sehr positiven Echo unserer Leser auf Themenhefte, die die anderen Rubriken noch stärker als bisher ergänzen sollen. Nach den beiden Heften zum Thema Reanimation und Reanimationsrichtlinien richtet sich in diesem Heft der Fokus auf Muskelphysiologie und Überlastungsschäden im Zusammenhang mit Krafttraining.

Die molekularen und zellulären Mechanismen von Muskelfunktion und Training haben auf den ersten Blick nur wenig mit der Arbeit des Unfallchirurgen zu tun. Nach der Lektüre des Artikels von U. Tegtbur relativiert sich das allerdings, denn er zeigt, dass Sport und Krafttraining eine Reihe wichtiger physiologischer Veränderungen am menschlichen Skelettsystem auslösen. Umgekehrt findet durch Immobilisierung eine Reihe kataboler Umbauprozesse statt, die heute deutlich besser verstanden werden als noch vor wenigen Jahren.

So sind mittlerweile Verletzungen des Sarkomers durch exzentrisches Training dokumentiert, die jedoch durch eine Reparation mit der Bildung zusätzlicher Sarkomere in Längsrichtung ausgeglichen werden können. Der Gebrauch nichtsteroidaler Antiphlogistika ist trotz zahlreicher Nebenwirkungen zur Behandlung von Traumafolgen und nach Operationen wie auch im Spitzensport (Prävention von Muskelschmerzen) weit verbreitet. Hochinteressant und bislang wenig bekannt in diesem Zusammenhang ist der negative Einfluss von Indomethacin auf die Satellitenzellaktivierung. Es bleibt abzuwarten, in wieweit auch andere nichtsteroidale Antiphlogistika den Effekt von Muskeltraining blockieren und hier Alternativstrategien entwickelt werden können.

M. Jagodzinski und S. Ostermeier zeigen in ihren Beiträgen, dass Krafttraining Schäden sowohl am Gelenkknorpel als auch an den Sehnen und Muskelansätzen hinterlassen kann. Für das patellofemorale Gelenk hat sich ein Wandel in der Ursachenforschung weg von den rein morphologisch-deskriptiven Ursachen wie der Patellaform nach der Wiberg-Klassifikation über das Malalignment hin zu einer multifaktoriellen Entstehung von vorderem Knieschmerz durch Hyperinnervation einiger Schlüsselgewebe (wie z. B. dem lateralen Retinakulum) vollzogen. Gelenkknorpelschäden sind unverändert schwierig zu therapieren und bedürfen besonderer Diagnostik, um die Ursache des Knorpelschadens wie Fehlstellung oder Überbelastung auszuschalten. In wieweit die regenerative Medizin hier in Zukunft einen Beitrag leisten kann, um verlorene Knorpelmasse wieder aufzubauen und die Integrität der Knorpelzellmatrix wieder herzustellen, bleibt abzuwarten.

Unfallchirurgen und Orthopäden werden in Klinik und Praxis häufig mit chronischen rezidivierenden, belastungsabhängigen Beinschmerzen beim sportlich aktiven Menschen konfrontiert, und zwar nicht nur beim Leistungssportler, sondern auch beim Gelegenheitssportler. Wenn differenzialdiagnostisch Stressfrakturen, Myogelosen, ein mediales Tibiastresssyndrom und Neuropathien ausgeschlossen sind, muss v. a. das chronische rezidivierende, belastungsabhängige Kompartmentsyndrom (CRKS) in Betracht gezogen werden. Der Übersichtsartikel von H. Stiegler beleuchtet diese wenig bekannte Entität, die neben den arthrogenen, neurogenen oder muskeltraumatischen Erkrankungen in der besonderen Risikogruppe Sportler eine zunehmende Bedeutung gewinnt.

Prof. Dr. C. Krettek