Ich freue mich, die Gelegenheit zu haben, ein wenig über die Unterschiede in den medizinischen Ausbildungssystemen in Österreich und Schweden zu berichten. Es ist etwas, das mir sehr am Herzen liegt, da ich zumindest teilweise meine Ausbildung sowohl in Schweden als auch in Österreich absolviert habe und die Möglichkeit hatte, auch Medizinstudenten in beiden Ländern auszubilden. Da ich, als Schwede, das schwedische System offensichtlich am besten kenne, werde ich hauptsächlich Beobachtungen von Dingen präsentieren, die ich aus Schweden kenne und die ich in Österreich nicht gesehen habe. Dies spiegelt keine Überlegenheit eines Systems wider, sondern meine überlegene Kenntnis eines Systems.

Im Allgemeinen weisen die medizinischen Ausbildungen in Österreich und Schweden zahlreiche Ähnlichkeiten auf und haben das Ziel, qualifizierte Gesundheitsfachkräfte auszubilden. Sowohl Österreich als auch Schweden verfügen über robuste medizinische Ausbildungssysteme mit hohen akademischen Standards, umfangreicher klinischer Ausbildung und Schwerpunkt auf evidenzbasierter Praxis. Die Lehrpläne in beiden Ländern umfassen vorklinische Studien, gefolgt von klinischen Rotationen, um ein umfassendes Verständnis der medizinischen Theorie und praktischen Fähigkeiten zu gewährleisten. Darüber hinaus legen sowohl Österreich als auch Schweden Wert auf Forschung und Innovation und fördern Umgebungen, in denen Studierende wissenschaftliche Untersuchungen und kritisches Denken zur Bewältigung aufkommender Herausforderungen im Gesundheitswesen betreiben.

Es gibt jedoch signifikante Unterschiede, die durch einzigartige kulturelle, strukturelle und systemische Faktoren in jedem Land geprägt sind. Im Folgenden habe ich diejenigen zusammengefasst, die ich während meiner Zeit in beiden Systemen bemerkt habe.

Strukturelle Unterschiede

Das Medizinstudium in Österreich folgt einem traditionellen Modell, bei dem die Studierenden ein 6‑jähriges Programm absolvieren, das zu einem medizinischen Abschluss führt. Im Gegensatz dazu bietet Schweden ein fünfeinhalbjähriges Programm an, das zu einem medizinischen Abschluss führt. Es wird jedoch von einem obligatorischen Praktikum von mindestens 1,5 Jahren gefolgt, bevor die Studierenden ihre ärztliche Lizenz erhalten.

Schweden legt Wert auf einen problemorientierten Lernansatz (PBL), der die aktive Beteiligung der Studierenden an Gruppendiskussionen und fallbasiertem Lernen fördert, und durch den unabhängiges Denken und Problemlösungsfähigkeiten entwickelt werden. Österreich hingegen setzt zwar Elemente des PBL ein, verlässt sich jedoch möglicherweise stärker auf didaktische Vorlesungen und strukturierte Unterrichtsmethoden.

Zulassungsverfahren

Die Zulassung zu medizinischen Fakultäten in Österreich beinhaltet oft einen hochkompetitiven Prozess mit begrenzten Studienplätzen und strengen Aufnahmeprüfungen. Im Gegensatz dazu verfolgt Schweden einen inklusiveren Ansatz, und ein Teil der Bewerber/Bewerberinnen wird unabhängig von früheren Noten berücksichtigt und stattdessen auf der Grundlage eines allgemeinen nationalen Verständnistests, der sich auf Sprach‑, Problemlösungs- und Dateninterpretationsfähigkeiten konzentriert, akzeptiert. Dadurch wird ein breiterer Zugang zur medizinischen Ausbildung priorisiert, und ganzheitliche Auswahlkriterien jenseits der akademischen Leistung werden betont.

Kulturelle Einflüsse

Kulturelle Normen und gesellschaftliche Werte können die Praxis der Medizin und die medizinische Ausbildung beeinflussen. In Österreich liegt möglicherweise ein stärkerer Schwerpunkt auf Hierarchie und Respekt vor Autorität im medizinischen Beruf, was Lehrmethoden und Interaktionen zwischen Lehrpersonen und Studenten/Studentinnen beeinflusst. Die schwedische medizinische Ausbildung fördert möglicherweise kooperative und auf Gleichheit bedachte Lernumgebungen.

Das Stellen von Fragen und das Identifizieren von Unsicherheiten ist in Schweden einfacher

Alle Lehrer/Lehrerinnen und Oberärzte/Oberärztinnen werden nur mit dem Vornamen angesprochen, und es gibt keine formelle Sprache. Bei weniger Unterschieden im Status habe ich erlebt, dass die Angst falsch zu liegen, in Schweden im Vergleich zu Österreich deutlich geringer ist. Das Stellen von Fragen und das Identifizieren von Unsicherheiten ist dadurch in Schweden einfacher. Dies wirkt sich auch auf die Kommunikation zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientinnen aus. Eine einseitige Kommunikation vonseiten des Arztes/der Ärztin macht es möglicherweise schwieriger für den Patienten/die Patientin, Fragen zu stellen oder den Arzt/die Ärztin sogar bei Missverständnissen zu korrigieren.

Rechtliche Rahmenbedingungen und klinische Praxis

Ein wesentlicher Unterschied liegt in den juristischen Systemen von Österreich und Schweden, die die klinische Praxis beeinflussen. In Österreich können Ärzte/Ärztinnen für klinische Fehler persönlich verantwortlich gemacht und vor Gericht gestellt werden. In Schweden werden klinische Fehler jedoch (sofern nicht mit offensichtlicher Absicht, Schaden zuzufügen, begangen) von einer unabhängigen Organisation mit Gesundheitsfachkräften untersucht, deren Fokus nicht darin besteht, Schuld zu finden, sondern die zugrunde liegenden systematischen Probleme, die zu dem Ereignis geführt haben, zu identifizieren.

Aus diesem Grund glaube ich, dass Ärzte/Ärztinnen in Österreich stärker auf objektive Messungen wie Blut- und bildgebende Untersuchungen angewiesen sind, da sie potenzielle rechtliche Risiken minimieren möchten. Dies führt dazu, dass Medizinstudenten/Medizinstudentinnen in Österreich mehr über die Interpretation von Laborergebnissen und Befunden bildgebender Untersuchungen unterrichtet werden, während Medizinstudenten/Medizinstudentinnen in Schweden einen größeren Schwerpunkt auf klinische Bewertungen und Patientengeschichte legen, nur bei Bedarf ergänzt durch medizinische Tests.

Rollen und Verantwortung in Gesundheitseinrichtungen

Ein weiterer bemerkenswerter Unterschied besteht darin, wie die Arbeitsteilung im Gesundheitssystem die medizinische Ausbildung beeinflusst. In Schweden werden Aufgaben wie das Legen peripherer Venenzugänge, das Anhängen von Infusionen und das Verabreichen von Erythrozytenkonzentraten oft von Krankenschwestern durchgeführt. Als Folge haben Medizinstudierende während ihrer Ausbildung weniger Kontakt zu diesen praktischen Verfahren. Stattdessen haben die Studierenden die Möglichkeit, einen größeren Teil der Arbeit von Oberärzten/Oberärztinnen zu übernehmen. Die Studierenden nehmen routinemäßig an den Visiten teil, natürlich unter Aufsicht, und empfehlen die Diagnostik und Behandlung für ihnen zugewiesene Patienten/Patientinnen.

Betonung der zwischenmenschlichen Kommunikation

Ich möchte mit dem vielleicht größten Unterschied zwischen dem schwedischen und dem österreichischen medizinischen Ausbildungssystem enden. Obwohl die zwischenmenschliche Kommunikation sowohl in Österreich als auch in Schweden gelehrt wird, wird sie nicht in gleichem Maße durchgeführt. In Schweden wird ein besonderer Schwerpunkt auf die zwischenmenschliche Kommunikation gelegt, dazu zählen das aktive Zuhören, Empathie und Konfliktlösung. Parallel zur gesamten medizinischen Ausbildung läuft ein Kurs zur zwischenmenschlichen Kommunikation.

In Schweden liegt ein besonderer Schwerpunkt auf zwischenmenschlicher Kommunikation

Bei Patientenkontakt wird ein Student/eine Studentin auch dafür beurteilt, wie gut das Anliegen des Patienten/der Patientin erkannt wurde, wie das Verständnis dessen kommuniziert wurde und wie der Student/die Studentin seine/ihre Schlussfolgerungen übermittelt hat. Auch bei der Kommunikation zwischen Kollegen/Kolleginnen werden relativ strenge Modelle für eine sichere Informationsübermittlung verwendet, beginnend mit einer Einsatzzusammenfassung der Situation, den Hintergrundfakten zur Situation, der aktuellen Situation und immer endend mit Empfehlungen und Fragen. Eine gute Kommunikation ist für die Patientensicherheit, die korrekte Diagnosestellung und Behandlung und nicht zuletzt für das Verständnis und die Einhaltung der medizinischen Behandlung durch den Patienten/die Patientinnen unerlässlich.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die medizinische Ausbildung in Österreich und Schweden zwar grundlegende Prinzipien teilt und auf Exzellenz abzielt, aber aufgrund unterschiedlicher struktureller, kultureller und Gesundheitssystemkontexte nuancierte Unterschiede zutage treten. Aus meiner Erfahrung produziert das österreichische medizinische System akademisch und klinisch herausragende Ärzte/Ärztinnen. Im Vergleich zu schwedischen Ärzten/Ärztinnen neigen sie jedoch dazu, sich stärker auf Tests und bildgebende Untersuchungen zu verlassen und auf ihre eigene Kompetenz zu vertrauen, anstatt um Rat zu fragen, und manchmal versäumen sie es, den Patienten/die Patientin vollständig in ihre Behandlung einzubeziehen. Das Verständnis dieser Unterschiede bereichert die Perspektive sowohl von Medizinstudenten/Medizinstudentinnen als auch von Ausbildern/Ausbilderinnen. Beide Systeme können voneinander lernen, indem sie sich an den Stärken und Innovationen des anderen orientieren, um die medizinische Ausbildung kontinuierlich und letztendlich die Ergebnisse der Patientenversorgung zu verbessern.