Hintergrund

Der neuen AWMF-S2k Leitlinie Bewegungsförderung und Bewegungstherapie in der pädiatrischen Onkologie [3] liegt zugrunde, dass für Kinder und Jugendliche, Sport und Bewegung wesentliche Bestandteile eines gesunden Heranwachsens sind. Die Folgen von körperlicher Inaktivität und die positiven Effekte körperlicher Aktivität auf den physischen, psychischen und sozialen Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen sind unumstritten und bilden die Grundlage für die Nationalen Bewegungsempfehlungen [1]. Dementsprechend ist eine flächendeckende Bewegungsförderung und Bewegungstherapie für Kinder und Jugendliche mit einer onkologischen Erkrankung in allen Therapiephasen notwendig. Außerdem transportiert Bewegungstherapie den Kindern und Jugendlichen ein Stück Normalität in den Klinikalltag, was sich auch psychosozial auswirkt.

Insgesamt 25 Akutkliniken, die im Netzwerk ActiveOncoKids verbunden [2] sind, (42 % bezogen auf die 60 innerhalb der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) kooperierenden kinderonkologischen Zentren) bieten sichtbare Bewegungs- und Sportprogramme für onkologisch erkrankte Kinder und Jugendliche während der Akuttherapie und 17 Akutkliniken (28 %) in der Krebsnachsorge an. Andere Kliniken sehen sich mit zahlreichen herausfordernden Fragen hinsichtlich der praktischen Umsetzung, der Qualifizierung des Personals und der Finanzierung konfrontiert. Die vorliegende S2k-Leitlinie setzt mit ihren Handlungsempfehlungen hier an und fokussiert sich auf die Implementierung von Sport- und Bewegungsangeboten in Ergänzung zu verordneter Physiotherapie.

Die Leitlinie richtet sich vorrangig an das interdisziplinäre Behandlungsteam und Entscheidungsträger*innen in Akutkliniken und Krankenversicherungen. Sie verfolgt vier grundlegende Ziele: (1) Erstellung einer Grundlage für ein flächendeckendes, qualitätsgesichertes bewegungstherapeutisches Angebot; (2) Sensibilisierung im Behandlungsteam für die Relevanz von Bewegung und somit auch die Informationsweitergabe an die betroffenen Familien; (3) Hilfe bei der Argumentation gegenüber Entscheidungsträger*innen und Krankenkassen; (4) Vermittlung eines einheitlichen Wissensstandes in den kinderonkologischen Zentren.

Die Leitlinie beinhaltet 11 Empfehlungen, die von 18 Mandatsträger*innen der GPOH (federführend) in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Supportive Maßnahmen der Onkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. (AGSMO), der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft e. V. (AIO), der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DGKJ), der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e. V. (DGSPJ), der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft e. V. (dvs), dem Deutschen Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie e. V. (DVGS), der Gesellschaft für Neuropädiatrie (GNP), der Gesellschaft für Pädiatrische Sportmedizin (GPS), der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft in der GPOH (PSAPOH) sowie 3 Patient*innenvertreter*innen konsentiert und formuliert wurden.

Dabei werden zunächst publizierte und bewährte Rahmenbedingungen aus der Praxis zur Durchführung der Bewegungsförderung und Bewegungstherapie in der pädiatrischen Onkologie genannt. Die Empfehlungen 1 bis 4 beziehen sich auf die Relevanz der Implementierung solcher Interventionen und bilden die Basis der Leitlinie. Die Empfehlungen 5 bis 11 beschäftigen sich fortführend mit der inhaltlichen Gestaltung von Bewegungsangeboten. Dazu zählen die Qualitätssicherung (Sicherheitsmaßnahmen und Präventionsmöglichkeiten), relative Kontraindikationen für den Einsatz spezieller Trainingsbelastungen und die inhaltliche Gestaltung der Bewegungsprogramme (Empfehlung 5 bis 8). Anschießend behandelt die Leitlinie gezielte evidenzbasierte Interventionen sowohl bei bekannten Nebenwirkungen der onkologischen Therapie als auch zur Verbesserung der Lebensqualität und des physischen Selbstkonzeptes (Empfehlung 9–10) sowie die Auseinandersetzung mit Bewegungsbarrieren (Empfehlung 11).

Um die Grundlage für mehr Handlungssicherheit zu schaffen, umreißt die Leitlinie unerwünschte Wirkungen sowie Langzeit- und Spätfolgen im medizinischen Kontext. Weiterhin fasst die Leitlinie relative Kontraindikationen beim Einsatz bestimmter Trainingsmethoden zusammen und führt gleichzeitig Alternativvorschläge auf. Da unterschiedliche und z. T. multidimensionale Barrieren für Bewegung auftreten können, befasst sich die Leitlinie exemplarisch damit und gibt Handlungsvorschläge zu deren Überwindung. Zusätzlich notwendig sind eine motivierende und begleitende Unterstützung, vielfältige und kreative Ideen sowie die Möglichkeit, dass die Betroffenen und ihre Familien die positiven Effekte von Bewegung und einem aktiven Alltag selbst erfahren.

Neben dem primär fokussierten Feld der pädiatrischen Onkologie kann diese Leitlinie auch als Grundlage für Empfehlungen zur Bewegungsförderung und Bewegungstherapie für Kinder und Jugendliche mit anderen chronischen Erkrankungen beispielsweise in der Hämatologie und Pulmologie dienen. Eine Erweiterung der Leitlinie auf die Zielgruppe der jungen Erwachsenen („adolescents and young adults“ [AYA]) soll später erfolgen. In Abb. 1 sind alle Empfehlungen mit einer Überschrift, die das Thema vorstellt, gelistet.

Abb. 1
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Elf Empfehlungen mit thematischer Überschrift. Hinweis: Die Buchstaben in Empfehlung 8 und 11 verweisen auf die Beispiele, die in der Langversion den Inhalt dieser Empfehlungen untermauern. EKG Elektrokardiogramm

Infobox 1 Information zur Implementierung

Bereits die schrittweise stattfindende Implementierung stellt einen Mehrwert für die Betroffenen dar.

Die Leitlinie gibt konkrete Praxisbeispiele und stellt etablierte Verfahren vor.

Zur Unterstützung bei der Umsetzung der Leitlinieninhalte kann das Netzwerk ActiveOncoKids (www.activeoncokids.de) kontaktiert werden.

Die Leitlinie ist abrufbar unter: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/025-036.html.

Eine englischsprachige Publikation der Leitlinie zur internationalen Bekanntmachung ist in Arbeit, da die Fortschritte im deutschen Gesundheitssystem als „Best-practice“-Beispiel dienen können.