FormalPara Leserbrief zu

Zepp F, Knuf M (2021) „Coronavirus disease 2019 (COVID-19)“ im Kindes- und Jugendalter. Monatsschr Kinderheilkd 169:1010–1033. https://doi.org/10.1007/s00112-021-01326-2.

Sehr geehrte Autoren, liebe KollegInnen,

vielen Dank für Ihre sehr lesenswerte Übersichtsarbeit zum Thema „‚Coronavirus disease 2019 (COVID-19)‘ im Kindes- und Jugendalter“. Ich fand es sehr angenehm, alle wichtigen Themen kurz und übersichtlich dargestellt zu bekommen. Ich bin ambulant tätig und arbeite in einer kinder- und jugendärztlichen Praxis in einer Kleinstadt am Rand des Harzes. In vielen Bereichen decken sich meine Beobachtungen aus der Praxis mit den von Ihnen geschilderten. In einem Bereich empfinde ich allerdings das Bedürfnis, die Darstellung zu ergänzen, obwohl ich natürlich nur die von mir betreuten PatientInnen überblicken kann und keine Studien mit größeren Fallzahlen aufstellen konnte. Im Beitrag wurde erwähnt, dass die Risiken für die Übertragung innerhalb von Schulen gering seien. Das Ansteckungsrisiko wird bei Einhaltung der Hygieneregeln mit nur 1 % angegeben. Die Studien hierzu stammen allerdings noch aus der Zeit vor der Ära der Delta-Variante. Hier decken sie sich durchaus mit meinen praktischen Erfahrungen. Allerdings entsprechen sie jetzt nicht mehr der Realität in dieser Welle (Brief entstammt noch der Deltawelle). Ich habe in den letzten Wochen kontinuierlich hohe Nachweisraten unter den Schulkindern in meiner Praxis. Die meisten der Ansteckungen sind auf Kontakte in der Schule oder beim Freizeitsport zurückzuführen. Es stimmt des Weiteren, dass die Kinder anscheinend weniger ansteckend sind als die Erwachsenen, denn die größten Cluster der letzten Wochen an Grundschulen gingen auf 2 positive getestete Lehrerinnen zurück (beide geimpft, Abstand zur letzten Impfung allerdings länger als 4 Monate). Jedoch habe ich kontinuierlich auch Cluster, die nicht auf Erwachsene zurückführbar sind, zu verzeichnen, und dies in allen Altersklassen von der Grundschule bis zum Abitur. Dazu muss jedoch gesagt werden, dass bis vor Kurzem in Sachsen-Anhalt keine Maskenpflicht mehr bestand, wenn die SchülerInnen an ihrem Platz in der Klasse saßen, und diese jetzt auch nur in den Klassen besteht, in denen Kinder positiv getestet wurden. Auch wird an den meisten Schulen das Hygienekonzept v. a. vor und nach der Unterrichtszeit nicht umgesetzt. Die verschiedenen Cluster der letzten Wochen zeigen mir, dass die Übertragung unter Gleichaltrigen massiv zugenommen hat. Ausgenommen von diesem Trend blieben bisher die Kindergärten. Die hier aufgetretenen Fälle ließen sich üblicherweise auf erwachsene Infizierte zurückführen. Auch habe ich bisher keine größeren Cluster in diesen Gruppen erlebt. Ich könnte sagen, dass das Auftreten des „severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“ (SARS CoV-2) in Kindergärten in unserer Region bisher auf Einzelfälle beschränkt bleibt; an den Schulen ist COVID-19 zu einer Epidemie geworden. Theoretisch bestünde die Gefahr eines gewissen Testbias, denn die Schulkinder testen sich zurzeit 3‑mal/Woche (bis zur letzten Woche 2‑mal/Woche), in den Kitas erfolgen die Teste zwar ebenfalls 2‑mal/Woche, jedoch werden diese bei den Kleinkindern meist nicht optimal durchgeführt. Die Eltern testen die Kitakinder zu Hause und sind oft, zugegebenermaßen, wenig testbegeistert. Die Schulkinder testen sich in den Schulen meist selbst und sind mittlerweile schon recht routiniert. Entsprechend könnten symptomarme Kinder in den Schulen eher auffallen als in den Kitas. Jedoch würde ich erwarten, dass trotzdem in den Familien mehr Fälle auftreten. Die meisten Kindergartenkinder wurden von ihren älteren Geschwistern angesteckt. Ich würde also unter Bedingungen der Delta-Variante sagen: In Kitas besteht weiter ein geringes Übertragungsrisiko; in Schulen, zumindest unter den Realbedingungen – ohne Luftfilteranlagen, mit oft lediglich sporadischem Lüften und optimierungsfähiger Maskennutzung – ist das Übertragungsrisiko deutlich höher. Die Verläufe sind aber, wie in Ihrem Beitrag sehr richtig dargestellt, meist blande.