Zusammenfassung
Zöliakie ist eine immunologisch bedingte Systemerkrankung mit Enteropathie, die durch das Getreideeiweiß Gluten in genetisch prädisponierten Patienten ausgelöst wird und unbehandelt zu Nährstoffdefiziten, Wachstumsstörung, Osteoporose und anderen Komplikationen führt. Mit einer Prävalenz von ca. 1 % ist die Erkrankung in Deutschland relativ häufig; bei Risikogruppen erreicht sie bis zu 15 %. Während sich die klassische gastrointestinale Manifestation mit chronischer Diarrhö, Malabsorptionssyndrom und Gedeihstörung nur bei einer Minderheit findet, zeigen die meisten Kinder und Erwachsenen mit Zöliakie keine oder nur unspezifische Symptome wie Obstipation oder extraintestinale Anzeichen wie Eisenmangelanämie oder erhöhte Transaminasen. Bei positivem serologischen Befund erfolgt eine Überweisung an einen Kindergastroenterologen zur weiteren Diagnosesicherung. Die nach wie vor einzige, aber äußerst wirksame Therapie besteht in der lebenslang streng glutenfreien Ernährung.
Abstract
Celiac disease is an immune-mediated systemic disorder with enteropathy, which is triggered by the grain protein gluten in genetically predisposed individuals. Untreated it can lead to nutrient deficiencies, impaired growth, osteoporosis, and other long-term complications. The prevalence in Germany is relatively high (ca. 1.0%) and can reach up to 15% in risk groups. While the classical gastrointestinal manifestations with chronic diarrhea, malabsorption syndrome and failure to thrive only occur in a minority of affected patients, most children and adults with celiac disease show no or only unspecific symptoms, such as constipation or extraintestinal signs, e.g. iron deficiency anemia and elevated liver enzymes. If celiac specific antibodies are positive the patient should be referred to a pediatric gastroenterologist for further confirmation of the diagnosis. The only available but extremely effective treatment is still a life-long strict gluten-free diet.
Abbreviations
- AGA:
-
Anti-α-Gliadin-Antikörper
- DGP:
-
Deamidierte Gliadinpeptide
- DQ2, DQ8:
-
HLA-Klasse-II-Antigene
- DZG:
-
Deutsche Zöliakiegesellschaft
- ELISA:
-
„Enzyme linked immunosorbent assay“
- EMA:
-
Endomysialer Antikörper
- ESPGHAN:
-
Europäische Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung
- EU:
-
Europäische Union
- GPGE:
-
Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung
- HLA:
-
Humanes Leukozytenantigen
- IEL:
-
Intraepitheliale Lymphozyten
- IgA:
-
Immunglobulin A
- IgG:
-
Immunglobulin G
- ÖGD:
-
Ösophagogastroduodenoskopie
- TG2:
-
(Synonyme tTG oder TGA) Gewebstransglutaminase Typ 2
- ZNS:
-
Zentralnervensystem
Literatur
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K. Werkstetter: Finanzielle Interessen: Reisekostenerstattung für Teilnahme am ESPGHAN Annual Meeting 2018 in Genf durch Fa. Nestec Ltd. Nichtfinanzielle Interessen: wissenschaftliche Mitarbeiterin am Klinikum der Universität München, Dr. von Haunersches Kinderspital | Stiftung Kindergesundheit – beratende Tätigkeit (geringfügige Beschäftigung) | Mitgliedschaften: GPGE, ESPGHAN | Vorträge für die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V. (z. B. zum „Welt-Zöliakietag“, „Glutenfreies Oktoberfest“). S. Koletzko: Finanzielle Interessen: ja, ohne Angaben. Nichtfinanzielle Interessen: Klinikum der Universität München, Dr. von Haunersches Kinderspital – Leitung der Abteilung pädiatrische Gastroenterologie & Hepatologie | Mitgliedschaften: GPGE, ESPGHAN, DGVS.
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Wissenschaftliche Leitung
R. Berner, Dresden
B. Koletzko, München
A. Schuster, Düsseldorf
W. Sperl, Salzburg
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CME-Fragebogen
CME-Fragebogen
Welche Aussage zur Epidemiologie der Zöliakie ist richtig?
Die Zöliakieprävalenz in Deutschland ist im Vergleich zu anderen Ländern niedrig.
Bei Immigranten aus Asien und Südamerika ist eine Zöliakie eine Rarität.
Bei der Zöliakie sind beide Geschlechter gleich häufig betroffen.
Die Zöliakieprävalenz beträgt in den meisten europäischen Ländern etwa 1 %.
Die Häufigkeit bei Verwandten 1. Grades von Zöliakiepatienten beträgt etwa 30 %.
Welche Beschwerden und Anzeichen geben keinen Anlass, um auf Zöliakie zu testen?
Erhöhte Leberwerte
Wachstumsretardierung
Unklarer Eisenmangel
Dyspeptische Beschwerden
Hypercholesterinämie
Welche der folgenden Patientengruppen hat kein erhöhtes Risiko für Zöliakie?
Kinder mit Trisomie 21
Kinder mit Diabetes Typ 1
Kinder mit Marfan-Syndrom
Kinder mit Turner-Syndrom
Kinder mit Autoimmunerkrankungen der Leber und Gallenwege
Ein 8‑jähriges Mädchen wird wegen Kleinwuchs vorgestellt. Welche Testkombination wird von den neuen Leitlinien empfohlen, um eine Zöliakie als Ursache auszuschließen?
Anti-α-Gliadin-Antikörper (AGA) der Klassen IgG und IgA
Gewebstransglutaminase-2-(TG2)-IgA und Gesamt-IgA
TG2-IgA und TG2-IgG
Deamidierte Gliadinpeptide(DGP)-IgG und Gesamt-IgA
TG2-IgA und endomysiale Antikörper (EMA) der Klasse IgA
Bei einer 15-jährigen Patientin mit Refluxösophagitis ergeben die routinemäßig bei der Endoskopie entnommenen Duodenalbiopsieproben eine Zottenatrophie (Typ 3a nach Marsh). Welches Vorgehen ist richtig?
Sie diagnostizieren eine Zöliakie, da die histologischen Veränderungen beweisend sind.
Sie veranlassen eine Typisierung der Zöliakierisikomarker Humanes-Leukozytenantigen(HLA)-DQ2/DQ8.
Sie veranlassen eine Testung auf endomysiale Antikörper (EMA) der Klasse IgA.
Sie veranlassen eine Testung auf Gewebstransglutaminase-2(TG2)-IgA und Gesamt-IgA.
Sie überweisen die Patientin zur Diätberatung durch eine Ernährungsfachkraft.
Welcher der folgenden Umstände kann die Aussagekraft der histologischen Untersuchung hinsichtlich einer Beurteilung der Zottenatrophie verfälschen?
Der Patient nimmt aufgrund von Refluxbeschwerden bereits seit Jahren Protonenpumpenhemmer ein.
Es wurden auch Biopsieproben aus dem Bulbus duodeni entnommen, die für die Zöliakiediagnose keine Rolle spielen.
Die Biopsieproben wurden nicht richtig orientiert und sind deshalb schräg angeschnitten worden.
Der Patient wurde erst vor 2 Wochen aufgrund einer schweren Infektion mit einem Breitbandantibiotikum behandelt.
Es wurden nur 2 Biopsieproben aus der Pars descendens duodeni entnommen.
Welche Aussage zur histologischen Untersuchung in der Diagnostik der Zöliakie trifft zu?
Die histologischen Untersuchung hat die beste Treffgenauigkeit und gilt daher als Referenzstandard.
Die Schleimhautveränderungen müssen für die Diagnose einer Zöliakie in allen 5 entnommenen Biopsieproben nachweisbar sein.
Die Übereinstimmung in der Beurteilung von Schleimhautbiopsien erreicht fast 100 %.
Eine Zottenatrophie kann neben der Zöliakie viele andere Ursachen haben.
Die alleinige Vermehrung intraepithelialer Lymphozyten >25/100 Epithelzellen (Typ 1 nach Marsh) ist beweisend für eine Zöliakie.
Bei einem 7‑jährigen Jungen mit rezidivierenden Durchfällen veranlasst eine Heilpraktikerin eine Stuhluntersuchung auf sekretorische IgA-Antikörper gegen Transglutaminase. Das Testergebnis ist deutlich positiv. Die Mutter kommt mit dem Befund in Ihre Praxis. Welches Vorgehen ist richtig?
Sie überweisen das Kind umgehend zur Endoskopie.
Sie beruhigen die Mutter, dass eine Zöliakie nicht wahrscheinlich ist.
Sie veranlassen eine Typisierung der Zöliakierisikomarker Humanes-Leukozytenantigen(HLA)-DQ2/DQ8.
Sie veranlassen eine Bestimmung der Gewebstransglutaminase-2(TG2)-IgA und der Gesamt-IgA im Blut.
Sie empfehlen eine glutenfreie Diät für 8 Wochen, um zu schauen, ob die Durchfälle sistieren.
Bei der 4‑jährigen symptomfreien Schwester eines Zöliakiepatienten werden bei der jährlichen Kontrolle sehr hohe Gewebstransglutaminase-2(TG2)-IgA-Titer gemessen (220 U/l, bei einem Grenzwert von 7 U/l). Es besteht zudem eine leichte Eisenmangelanämie. Welches Vorgehen ist richtig?
Sie verordnen Eisentropfen in therapeutischer Dosierung und bestellen das Kind zur Kontrolle in 2 Monaten wieder ein.
Sie überweisen das Kind an einen Kindergastroenterologen, der die weitere Diagnosesicherung – mithilfe oder ohne Biopsien – mit den Eltern bespricht.
Sie lassen in einer zweiten Blutprobe die endomysialen Antikörper (EMA) der Klasse IgA bestimmen. Falls dieser Test positiv ist, ist die Zöliakiediagnose gesichert, und eine glutenfreie Diät kann begonnen werden.
Sie veranlassen eine Typisierung auf die Zöliakierisikomarker Humanes-Leukozytenantigen(HLA)-DQ2/DQ8. Ist der Nachweis positiv, ist die Zöliakiediagnose gesichert.
Sie empfehlen eine Kontrolluntersuchung der Antikörper nach 12 Monaten oder früher, falls verdächtige Symptome auftreten.
Welches der folgenden Getreide ist für Patienten mit Zöliakie unter bestimmten Voraussetzungen geeignet?
Grünkern
Dinkel
Roggen
Gerste
Hafer
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Werkstetter, K., Koletzko, S. Diagnose und Therapie der Zöliakie im Kindesalter. Monatsschr Kinderheilkd 168, 457–470 (2020). https://doi.org/10.1007/s00112-020-00887-y
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