Als vor über einem Jahr im Rahmen einer Schriftleitersitzung das Leitthema „Pubertät“ beschlossen und mir zugeteilt wurde, hatte ich eine sehr klare Vorstellung von der Konzeption dieses Themenhefts. Physiologische Umstellungen des Endokriniums, pubertätsspezifische psychische Auffälligkeiten wie Anorexie und Bulimie, Jugendgynäkologie und schließlich Akne erschienen mir für ein solches Heft bestens geeignet. Bei Durchsicht der Themenhefte der letzten Jahre wurde mir jedoch rasch klar, dass all diese Themen vor nicht allzu langer Zeit in exzellenten Beiträgen behandelt wurden und weitestgehend aktuell sind. Ich kann daher allen, die nach derartigen Inhalten suchen, nur wärmstens empfehlen, in diesen „älteren“ Heften (durchaus auch elektronisch) nachzuschlagen.

Für das jetzt vorliegende Themenheft mussten in weiterer Folge Inhalte gefunden werden, die entweder „neu“ sind oder Gebiete betreffen, in denen sich zuletzt Neuerungen ergeben haben. Ich hoffe, dass mit den Schwerpunkten Jungenmedizin/Kontrazeption/Haarwuchs/Peergroup auch Themen gewählt wurden, die diesen Neuwert erfüllen und das Interesse der Leserschaft finden.

B. Böttcher aus Innsbruck schreibt in ihrem Beitrag über den Kontrazeptionsbeginn in der Pubertät und beantwortet die Fragen „wann, wie, womit“. Sie geht dabei auch auf die Bedeutung von Familie und Freundeskreis ein und betont, dass am Anfang jeglicher Kontrazeption sorgfältige (Familien‑)Anamnese und Statuserhebung stehen müssen, u. a. zur Feststellung eines evtl. Thrombophilierisikos. In weiterer Folge beschreibt die Autorin die verschiedenen Methoden der Kontrazeption. Dabei steht nach wie vor „die Pille“ an erster Stelle – zumeist in Form von Kombinationspräparaten aus Östrogen und Gestagen. Bei konsequenter Einnahme beträgt der Pearl-Index 0,2–07, allerdings vergessen Jugendliche innerhalb von 3 Monaten ein- bis zweimal die Pilleneinnahme. Insbesondere bei mangelnder Compliance kommen daher auch andere Methoden in Betracht. B. Böttcher beschreibt u. a. die Wirkweise von Vaginalring, Hormonpflaster, Hormonimplantat, Dreimonatsspritze und (Hormon‑)Spirale und nennt deren Vor- und Nachteile. Für das Kondom wird erwähnt, dass es neben einem verhütendem auch einen schützenden Effekt vor sexuell übertragbaren Erkrankungen bietet; der nicht ganz zufriedenstellende Pearl-Index wird in erster Linie auf Anwendungsfehler zurückgeführt. Von Diaphragma, Spermiziden, Temperaturmessung und anderen „natürlichen“ Methoden rät die Autorin wegen deren unsicherer Wirksamkeit ab. Im letzten Teil werden schließlich einige „Vorurteile“ wie „Die Pille macht dick“ besprochen und aufgelöst.

B. Stier aus Hamburg widmet seinen Beitrag der Frage „Wann ist Mann ein Mann?“. Dabei geht er weniger auf die somatische Entwicklung/Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale ein, sondern konzentriert sich auf die intellektuelle und soziale Entwicklung von Jungen/jungen Männern im Verlauf der Pubertät. Er beschreibt, dass in der frühen Adoleszenz eher die hegemoniale Männlichkeit dominiert, und dass in dieser Phase eher Abgrenzung und Ablehnung des weiblichen Geschlechts im Vordergrund stehen. Daran schließt eine Phase der Öffnung mit zunehmendem Interesse für das „Weibliche“. Schließlich kommt es in der späten Pubertät zu entsprechender Konsolidierung mit der Fähigkeit zur Zweierbeziehung. Der Autor führt zahlreiche Faktoren an, die diese Entwicklung steuern bzw. beeinflussen, beginnend mit der Vater-Sohn-Beziehung in der Kindheit, über die „Rudelbildung“ unter Jungen bis hin zur Peergroup im Adoleszentenalter. Familie insgesamt, Schule, insbesondere aber auch soziale Medien sind weitere Einflussfaktoren und erzeugen teilweise einen enormen sozialen Druck zum „Mannwerden“. Sie tragen wesentlich dazu bei, wie sich ein Jugendlicher auf den „Bühnen der Männlichkeit“ präsentiert. Grundsätzlich möchten Jugendliche dabei die in sie gesetzten (auch sexuellen) Erwartungen erfüllen und entwickeln dabei einige typische Verhaltensmuster. Dazu zählen erhöhte Risikobereitschaft (z. B. schnelles Autofahren), Körperästhetisierung (z. B. Entfernung der Körperbehaarung), geändertes Ess- und Konsumverhalten (z. B. Einnahme von Anabolika, „Fitnessfigur“), v. a. aber auch der Drang nach sexueller Kompetenz. Als erfahrener Jungenmediziner beschreibt B. Stier schließlich, wie Kinder- und JugendärztInnen Jungen/junge Männer in dieser schwierigen Phase der „Mannwerdung“ unterstützen können und wie sie – im besten Sinn – zu „Influencern“ werden können.

K. Kapelari aus Innsbruck beschreibt in seinem Beitrag physiologische und pathologische Vorgänge rund um Haarwuchs und Haarausfall. Der Autor nennt die verschiedenen Haarformen (Lanugo‑, Vellus- und Terminalhaare), deren Verteilung und Abhängigkeit vom Lebensalter, sowie den hormonellen Einfluss, dem diese Haarformen unterliegen. Dabei spielen v. a. Testosteron (und andere Androgene), Östrogen und Prolaktin eine Rolle. Zusammenwirken und Metabolismus dieser Hormone sind komplex und können je nach Überwiegen zum Haarausfall (Effluvium), aber auch zu vermehrter Behaarung (Hypertrichose bzw. Hirsutismus) führen. Für den Haarverlust werden ein männliches Verteilungsmuster („male pattern hair loss“ [MPHL]) und ein weibliches Verteilungsmuster („female pattern hair loss“ [FPHL]) unterschieden. Neben den Hormonen haben ethnische Abstammung, aber z. B. auch Medikamente einen Einfluss auf Ausmaß und Verteilung der Behaarung. K. Kapelari erwähnt, dass starke (Körper‑)Behaarung vormals als Zeichen von Männlichkeit angesehen wurde, heute aber (auch) von männlichen Jugendlichen unerwünscht sei und daher großenteils entfernt werde. Schwieriger zu „behandeln“ ist der Verlust der Kopfbehaarung, der bei Jungen oft schon mit der Pubertät beginnt, bei etwa der Hälfte der 40- bis 50-Jährigen bereits eine Alopezie bedingt, bei Frauen hingegen seinen Gipfel im Klimakterium hat. Die verschiedenen Formen von vermehrtem Haarwuchs und Haarverlust werden durch Abbildungen illustriert.

Die Betreuung Jugendlicher in der Pubertät gehört ebenso zu den Kernkompetenzen der Pädiatrie

P. Scheer aus Graz beschäftigt sich in seinem Beitrag mit den Eigenheiten, Stärken und Risikopotenzialen der „Peergroup“. Er betont dabei den beträchtlichen Wandel im Lauf der Zeit; vieles davon schreibt er den neuen elektronischen Medien und (sogenannten) sozialen Netzwerken zu. Der Autor erzählt dabei auch über seine eigenen Erfahrungen in der Jugend und stellt einen Vergleich mit der Klimaaktivistin Greta Thunberg und anderen „Influencern“ an. Durchaus (selbst-)kritisch sieht er die Bestrebungen der Erwachsenen, die Netzwerke der Jugendlichen mitnutzen zu wollen. Dem Kinder- und Jugendarzt ordnet er die Rolle des Vermittlers zwischen Jugendlichen und deren Eltern zu. Bei den Eltern soll so Verständnis für die Denk- und „Arbeitsweise“ der Jugendlichen erzeugt oder gefördert werden, gleichzeitig soll aber die (in der Pubertät unerlässliche) Distanz gewahrt bleiben.

Die Pubertät ist eine Lebensphase, in der sich „fast alles“ ändert. Ob und wie Kinder- und Jugendärzte diese Phase medizinisch adäquat begleiten können, hängt i) von ihrer Bereitschaft dazu, ii) ihren Kenntnissen und Fertigkeiten, iii) ihrem Zugang zu dieser Altersgruppe ab. Noch immer werden Kinder- und Jugendärzte vielfach mit Teddybären abgebildet und als „Babyärzte“ betrachtet. Die Integration der Jugendmedizin und damit auch die Betreuung Jugendlicher in der Pubertät gehört aber ebenso zu den Kernkompetenzen der Pädiatrie. Ich hoffe, dass dieses Themenheft ein wenig dazu beiträgt, eben diese Kompetenz zu stärken.

Anregungen und Kommentare zu diesem Themenheft, aber auch zu einzelnen Beiträgen sind wie immer herzlich willkommen und können ggf. im „Leserforum“ abgedruckt werden.

Leoben, im August 2019

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Univ. Prof. Dr. Reinhold Kerbl