Infektionskrankheiten haben in industrialisierten Ländern durch verbesserte Hygiene, breit zur Anwendung kommende Schutzimpfungen und potente Antibiotika in den letzten Jahrzehnten einen Teil ihres Schreckens verloren. Nach wie vor aber sind Infektionserkrankungen in der Pädiatrie nicht nur die am häufigsten diagnostizierten Erkrankungen, sondern auch verantwortlich für einen großen Anteil an der Mortalität von Kindern. Auch wenn die Zahl schwerpunktmäßig tätiger „Infektiologen“ in der Pädiatrie relativ gering ist, spielen Infektionskrankheiten doch in fast allen Organ-(system-)bezogenen Spezialisierungen eine Rolle.

Anteil der Mortalität von Kindern durch Infektionskrankheiten ist hoch

Das vorliegende Themenheft der Monatsschrift Kinderheilkunde widmet sich einigen aktuellen Entwicklungen der pädiatrischen Infektiologie und möchte damit auch ein wenig auf die Möglichkeiten der zukünftigen Entwicklung vorausschauen.

Sonnleitner et al. präsentieren in ihrer Übersichtsarbeit die Pathogenese, klinischen Verläufe, diagnostischen Möglichkeiten und Therapieoptionen der Borreliose im Kindes- und Jugendalter. Bei dieser durch Zecken (Ixodes ricinus) übertragenen Infektion handelt es sich um eine Multisystemerkrankung; das höchste Erkrankungsrisiko im Kindes- und Jugendalter besteht zwischen 5 und 14 Jahren. Die Autoren betonen, dass für den Keimübertritt aus dem Speichel der Zecke eine mehrstündige Blutmahlzeit Voraussetzung ist; deshalb macht das regelmäßige „Absuchen“ der Kinder auf Zecken durch die Eltern durchaus Sinn. In unseren Breiten sind knapp 14 % aller Zecken borrelienkontaminiert. Nach Zeckenstich zeigt sich in 2,5–5,6 % eine Serokonversion, die meist asymptomatisch bleibt. Eine Borrelioseerkrankung wird nach Zeckenstich in 0,3–1,4 % der Fälle beobachtet. Diese manifestiert sich als lokalisiertes Frühstadium (Erythema migrans), als generalisiertes Frühstadium (u. a. Lymphozytom, Fazialisparese, Meningitis, Karditis, Konjunktivitis) und als Spätstadium (Acrodermatitis chronica atrophicans, Enzephalomyelitis, Arthritis). Die Autoren verweisen auf die oft bestehenden diagnostischen Schwierigkeiten und die Wertigkeit der diagnostischen Tests [Serologie, Immunoblot, Westernblot, Polymerase-Kettenreaktion „polymerase chain reaction“ (PCR)]. Schließlich geben sie Empfehlungen für die (altersabhängige) Art und die (stadiumabhängige) Dauer der antibiotischen Behandlung (u. a. mit Amoxicillin, Doxycyclin, Ceftriaxon, ggf. auch Clarithromycin oder Azithromycin). Abschließend wird auf einen neuen multivalenten Impfstoff verwiesen, der in einer Phase-II-Studie gute Verträglichkeit und Antikörperbildung zeigte.

Weichert et al. besprechen Clostridium-difficile-assoziierte Infektionen im Kindes- und Jugendalter. Sie betonen, dass eine Kolonisierung mit Clostridium difficile keinesfalls gleichbedeutend mit einer Erkrankung ist. Insbesondere bei Kindern im 1. Lebensjahr liegt eine (meist asymptomatische) hohe Kolonisierungsrate vor; deshalb ist die Diagnostik in diesem Alter in den allermeisten Fällen nicht sinnvoll. Sie verweisen auf die Altersabhängigkeit des Auftretens verschiedener Ribotypen; im Kindesalter werden häufig nichttoxigene Stämme beobachtet. Ob das sporenbildende grampositive anaerobe Stäbchenbakterium zu einer Erkrankung führt oder nicht, hängst einerseits von der Virulenz und Toxinbildung des Keims ab, andererseits aber auch von „Wirtsfaktoren“. Als Risikogruppen gelten neben alten Menschen u. a. Immunsupprimierte, Menschen mit gestörtem Mikrobiom, aber auch Frühgeborene. Tatsächliche Erkrankungen können sehr unterschiedliche Verläufe nehmen; das Spektrum erstreckt sich von vorübergehendem selbstlimitierendem Durchfall über schwere protrahierte Erkrankungen bis hin zum Tod. In vielen Fällen folgt die Infektion einer antibiotischen Behandlung; hierbei kommen v. a. die kolitogenen „4C“-Antibiotika (Clindamycin, Fluorchinolone, Cephalosporine, Amoxicillin ± Clavulansäure) als Auslöser in Betracht. Während eine „einfache“ Clostridium-difficile-Infektion selbstlimitierend ist und außer dem Absetzen des potenziell auslösenden Antibiotikums keine weitere Behandlung erfordert, sind schwerere Verläufe in erster Linie mit Metronidazol oder Vancomycin zu behandeln. Für therapieresistente Verläufe kommt der fäkale Mikrobiomtransfer (FMT) durch Stuhltransplantation in Betracht. Die Autoren beschließen ihren Beitrag mit wichtigen Hinweisen zu Hygienemaßnahmen, die das vermehrte Auftreten von Clostridium difficile verhindern sollen.

Dresbach et al. beschreiben in ihrem Beitrag die Formen, klinischen Präsentationen, Behandlungsoptionen sowie Dekolonisations- und Präventionsmöglichkeiten von Infektionen mit Methicillin-resistentem Staphylococcus aureus (MRSA). Sie weisen darauf hin, dass MRSA auch im Kindesalter Krankheitsrelevanz besitzt, einerseits als nosokomialer Infektionserreger bei hospitalisierten Patienten [“hospital-acquired“ (HA-)MRSA], andererseits als Verursacher v. a. von Haut- und Weichteilinfektionen bei ambulanten Patienten [“community-acquired“ (CA-)MRSA]. Der Erreger besitzt eine Resistenz gegen β-Lactamase-feste Penizilline, aber auch gegen Cephalosporine der 1. bis 4. Generation und gegen Carbapeneme. Als Risikogruppen für eine Infektion mit HA-MRSA gelten u. a. Patienten nach Operationen, mit Gefäßkathetern, unter Beatmung und mit Mukoviszidose. Die Autoren empfehlen daher auch ein risikoadaptiertes Screening durch Bakterienkultivierung. Des Weiteren geben sie Empfehlungen für die Vorgangsweise in der Geburtshilfe und Neonatologie; hier besteht v. a. für Frühgeborene ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Daraus ergeben sich für diese Patientengruppe eine Dekolonisationsempfehlung und verschärfte Hygienemaßnahmen. Die verschiedenen Maßnahmen der Dekolonisation (die bei sonst gesunden Kindern keinesfalls routinemäßig durchgeführt werden muss) werden im Detail beschrieben. Schließlich widmet sich der Beitrag ausführlich der antibiotischen Behandlung von MRSA-Infektionen. Vancomycin, Teicoplanin, Fosfomycin, Rifampicin, Doxycyclin, Linezolid und Daptomycin werden als wirksame Antibiotika angeführt. Abschließend betonen die Autoren die Notwendigkeit der sachlichen und fundierten Aufklärung des Gesundheitspersonals und betroffener Familien.

Binder et al. aus Graz beschreiben in ihrem Beitrag die derzeitigen und künftigen Möglichen der genetischen Diagnostik bei Kindern mit schweren bakteriellen Infektionskrankheiten. Die Autoren verweisen einleitend auf die Familiarität (z. B. bei Zwillingen) derartiger Erkrankungsverläufe, die eine genetische Komponente nahelegen. In weiterer Folge erwähnen sie die verschiedenen Methoden wie Assoziations- und „Linkage“-Studien, die eine bestimmte genetische Konstellation in Bezug zum Erkrankungsrisiko bzw. zur Schwere der Erkrankung setzen. Die mittlerweile etablierten Methoden des „whole exome“ und „whole genome sequencing“ haben hier die Möglichkeiten bahnbrechend erweitert. Eine von den Autoren als besonders zukunftsweisend angesehene Methode ist die Genexpressionsanalyse, bei der die Transkription von 47.000 Genen in deren korrespondierende „messenger RNA“ (mRNA) untersucht wird. Bei dieser auch als „Superbluttest“ bezeichneten Analyse zeigen unterschiedliche Erkrankungen (z. B. Influenza vs. bakterielle Infektionen, latente vs. aktive Tuberkulose) unterschiedliche Expressionsmuster; diese sind somit „erkrankungsspezifisch“. Zukünftig könnten derartige Untersuchungen (die die „Antwort“ des Erkrankten auf die Infektion betreffen) wesentlich zur Erkrankungsdiagnostik beitragen. Schließlich erwähnen die Autoren die Multizenterstudie European Childhood Life-Threatening Infectious Diseases Study (EUCLIDS), an der sich über 100 Zentren in 10 Ländern beteiligen. Dabei verschweigen sie auch die methodischen Schwierigkeiten einer derartigen (notwendigen) Netzwerkbildung nicht.

Wir hoffen, dass wir mit dieser Auswahl interessante Themen aus dem großen Gebiet der pädiatrischen Infektiologie angesprochen haben, die auch für allgemeinpädiatrisch Tätige von Relevanz sind.

Wir wünschen viel Freude bei der Lektüre; allfällige Kommentare in Form von Leserbriefen sind jederzeit herzlich willkommen.

R. Kerbl und W. Zenz

Leoben/Graz im Januar 2015