Die Idee zum Leitthema dieses Hefts der Monatsschrift Kinderheilkunde entwickelte sich aus jahrelanger persönlicher Betroffenheit. Ohne Frage ist Fieber eines der häufigsten klinischen Symptome bei Säuglingen und Kindern – aber es ist keine Krankheit. Trotzdem löst das fiebernde Kind nicht nur bei Eltern immer wieder Unsicherheit und Sorge aus, sondern ist auch im Klinikalltag regelhaft Anlass für unstrukturierte Diagnostik und übermäßigen Einsatz von Antipyretika. Eltern wie medizinisches Fachpersonal unterliegen dem Irrglauben, ein fieberndes Kind, beispielsweise im Verlauf einer Infektion, müsse unverzüglich zu normalen Körpertemperaturen zurückgeführt werden. Immer wieder verwechseln wir also Fieber mit Krankheit. Häufig ist Fieber jedoch eine sinnvolle physiologische Reaktion, ein Epiphänomen im Rahmen einer immunologischen Abwehrreaktion. Dabei kann sich die erhöhte Körpertemperatur sogar vorteilhaft auf die Qualität der Immunantwort und den Heilungsprozess auswirken.

Die Angst vor Fieber ist wohl so alt wie die Sorge um die Gesundheit unserer Kinder. Schon 1980 berichtete Schmitt [6], mehr als 52% aller befragten Eltern befürchteten, dass Fieber zu bleibenden neurologischen Schäden bei Kindern führen könne. Er inaugurierte damals den Begriff der Fieberphobie – ein Phänomen, das bis heute Eltern wie medizinisches Fachpersonal bewegt. So nimmt etwa die Hälfte der Eltern an, dass bei einer Körpertemperatur von 38°C bereits Fieber vorliege, und 25% verabreichen Antipyretika bereits bei Temperaturen von weniger als 37,8°C. Die Frage, ob sie ihr Kind für die Verabreichung fiebersenkender Medikamente aufwecken, bejahten 85% der befragten Eltern [2]. Poirier et al. [5] untersuchten 2010 anlässlich der Vorstellung in pädiatrischen Notfallambulanzen erneut die Einschätzung von Eltern zu Fieber. Unter 230 befragten Personen gaben 32% an, die größte Gefahr bei Fieber bestehe in Krampfanfällen, 18% befürchteten Tod und 15% erwarteten neurologische Schäden. Mehr als 30% der befragten Eltern würden kaltes oder warmes Wasser zur Senkung der Temperatur und 9% sogar Alkoholumschläge nutzen, alles Maßnahmen, die heute nicht mehr empfohlen werden.

Das Phänomen der sog. Fieberphobie ist auch unter Ärzten weit verbreitet

Auch das Verhalten von Ärzten/-innen prägt die Risikowahrnehmung der Eltern fiebernder Kinder. So leiden Kinderärzte nicht selten ebenfalls unter Fieberphobie, wie die Studie von May u. Bauchner [3] eindrücklich belegte. Die Autoren berichteten, dass Kinderärzte häufig Antipyretika schon bei Temperaturen unter 38,8°C verabreichen und Eltern dementsprechend beraten; schlimmer noch, der wissenschaftlich völlig unbegründete und in der Hand von Laien gefährliche Einsatz alternierender Gaben von Paracetamol und Ibuprofen ist in der ambulanten und stationären Versorgung auch heute noch gängige Praxis [4]. Es ist zu hoffen, dass dieses, eine Überdosierung geradezu herausfordernde Vorgehen zumindest in Kliniken hinreichend sorgfältig überwacht wird. In jedem Fall gibt es für Eltern und Begleitpersonen ein falsches, weil potenziell schädigendes Beispiel. Der ungezügelte Einsatz von Antipyretika kann nicht ohne das Engagement von Kinderärzten/-innen in Praxis und Klinik eingedämmt werden. Hier haben wir alle eine wichtige Aufgabe, sowohl in der Ausbildung unseres Nachwuchses als auch in der Schulung und Beratung von Eltern.

2011 publizierte die American Academy of Pediatrics (AAP) [1] einen Report über die Wirksamkeit und Risiken von fiebersenkenden Medikamenten bei Kindern. Die in dieser Publikation ausgesprochenen Empfehlungen stellen eine gute Basis für den sinnvollen Einsatz von Antipyretika bei Kindern dar. Mit dieser Zielsetzung wandten sich auch die Autoren des aktuellen Leitthemas den Fragen, wann und wie soll oder muss Fieber im Kindesalter gesenkt werden, zu.

Kowalzik et al. führen in ihrem Beitrag zunächst in die physiologischen und pathophysiologischen Grundlagen der Fieberreaktion ein. Anschließend werden grundlegende Aspekte der pharmakologischen Fiebertherapie diskutiert. Die Autoren empfehlen ein patientenorientiertes, evidenzbasiertes und verantwortungsvolles Fiebermanagement, mit dem primären Ziel, das Wohlbefinden des Kindes zu verbessern.

Huppertz erläutert das diagnostische und therapeutische Vorgehen bei Kindern mit Fieber ohne erkennbare Ursache. Die Definition von Fieber ohne Fokus veränderte sich in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich. Viele früher lebensbedrohliche Infektionskrankheiten sind heute infolge der konsequent und erfolgreich eingesetzten Impfprogramme nahezu verschwunden. Die diagnostische Abklärung des fiebernden Kindes muss mit Augenmaß und Sorgfalt geplant werden. Dies beinhaltet die Beachtung des individuellen Umfelds eines Patienten und die Rückkehr zu den Grundlagen unseres Fachs – akribische und wiederholte Anamnese und körperliche Untersuchung. Insbesondere die Beurteilung junger fiebernder Säuglinge veränderte sich. Bei Berücksichtigung gut definierter klinischer Kriterien können Säuglinge mit niedrigem Risiko für eine schwere bakterielle Infektion identifiziert und der Einsatz diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen entsprechend angepasst werden [7].

Wingerter et al. befassen sich mit dem diagnostischen und therapeutischen Vorgehen bei Patienten mit Fieber bei Neutropenie. Das Fehlen von typischen, durch Granulozyten vermittelten Aktivierungsprozessen der Inflammationsreaktion stellt uns in dieser klinischen Situation vor besondere Herausforderungen. Die normalerweise relevanten Inflammationsparameter spielen für Diagnostik und Therapieentscheidung keine oder allenfalls eine nachgeordnete Rolle. Eine Therapie ist unverzüglich einzuleiten und folgt primär empirischen Erkenntnissen. Strukturierte Handlungsempfehlungen, wie von den Autoren vorgestellt, bewährten sich im klinischen Alltag.

Neben Inflammation können besonders im Kindesalter äußere (Umwelt-)Bedingungen ebenfalls zu Störungen der Temperaturregulation führen. Wagner widmet sich in einer Übersichtsarbeit den (patho-)physiologischen Grundlagen und klinischen Folgen einer durch externe Bedingungen ausgelösten Hypo- oder Hyperthermie. Zur Therapie gehören in dieser Situation die vorsichtige Wiederherstellung der Normothermie und die Überwachung pathophysiologischer Entgleisungen.

Das fiebernde Kind gehört zum pädiatrischen Alltag. Mit dem aktuellen Leitthema adressieren wir auch die bei Eltern und Ärzten immer noch weit verbreitete Angst vor einem biologisch nicht immer schädlichen Phänomen. In 4 Beiträgen wollen wir die klinische Bewertung des Symptoms Fieber im Kindesalter reevaluieren und praktische Hinweise für ein moderates, den Bedürfnissen des Kindes angepasstes Vorgehen geben.

Prof. Dr. F. Zepp