Von den Lesern der Monatsschrift Kinderheilkunde wird immer wieder der Wunsch nach Beiträgen zu Kindernotfällen geäußert. Nachdem zuletzt der Basisnotfallversorgung von Kindern und Jugendlichen breiter Raum gegeben und die gültigen ERC-Richtlinien (ERC: „European Resuscitation Council“) dargestellt wurden, widmet sich das aktuelle Themenheft einigen speziellen Bereichen der Erst- und Folgeversorgung.

Der Beitrag von Stein stellt einen Streifzug durch typische kardiologische Notfälle dar. Dabei beginnt die Diagnostik bereits pränatal, z. B. bei intrauterin diagnostizierbaren Herzfehlern oder dem Vorhofflattern, welches seinen Häufigkeitsgipfel in der intrauterinen Phase aufweist. Bei angeborenen Herzfehlern wird zwischen solchen mit Links- und Rechtsobstruktion unterschieden, dazu kommt die Transposition der großen Arterien. Der Autor weist darauf hin, dass auch extrakardiale Symptome (z. B. Kopfschmerzen, Krampfanfall) eine kardiale Ursache haben können. Weitere mögliche Ursachen kardialer Notfälle wie Koronaranomalien, Kardiomyopathien und entzündliche Herzerkrankungen werden kursorisch angesprochen. Schließlich werden die häufigsten Rhythmusstörungen beschrieben und deren Notfallmaßnahmen dargestellt.

Die Arbeit von Riedler bringt einen Überblick über häufige respiratorische Probleme mit dem Leitsymptom Dyspnoe. Dabei werden die Symptomatik, Diagnostik und Therapie von Laryngitis, Epiglottitis, Tracheobronchitis, Bronchiolitis, Asthma, Fremdkörperaspiration und Pneumothorax beschrieben. Interessant ist hierbei u. a. die Feststellung, dass β-Sympathomimetika bei Asthma häufig unterdosiert werden, v. a. wenn sie als Dosieraerosol verabreicht werden.

Durch Prävention sind bis zu 50% der pädiatrischen Unfälle vermeidbar

Dem Thema Kinderunfälle und deren Prävention widmet sich der Beitrag von Eberl et al. Die Grazer Autorengruppe berichtet über eigene Ergebnisse, aber auch über internationale Ereigniszahlen. Unfälle stellen im Kindes- und Jugendalter jenseits der Neonatalperiode die häufigste Todesursache dar und sind nach Infektionen die zweithäufigste Ursache für Krankenhausbehandlungen. Jungen sind in allen Lebensaltern vermehrt gefährdet, die Unfallart ist wesentlich vom Lebensalter abhängig, und jedes Lebensalter hat sein charakteristisches Unfallspektrum. Dieses kann sich im Lauf der Zeit auch signifikant verändern, wie zuletzt z. B. durch die vermehrte Verwendung von Trampolinen im privaten Bereich und in Österreich durch die Herabsetzung des Mindestalters für Mopedfahren von 16 auf 15 Jahre. Die Autoren stellen klar, dass systematische Unfallforschung die Voraussetzung für eine gezielte und effektive Unfallprävention darstellt. Letztere wollen die Autoren für Österreich v. a. an den Mutter-Kind-Pass gekoppelt sehen. Sie gehen davon aus, dass bei gezielter und flächendeckender Unfallprävention 35–50% aller Unfälle im Kindes- und Jugendalter vermeidbar sind, als exemplarisch nennen sie die Ergebnisse in den Niederlanden.

Schließlich beschreibt Schaible vom ECMO-Zentrum (ECMO: extrakorporale Membranoxygenierung) in Mannheim die zwar nur selten erforderliche Maßnahme der ECMO, die aber in bestimmten Situationen die einzig mögliche lebensrettende Intervention darstellt. In seinem Manuskript werden die Indikationen [z. B. angeborene Zwerchfellhernie, CDH („congenital diaphragmatic hernia“)] und Kontraindikationen für diese invasive Maßnahme dargestellt und deren praktische Durchführung illustriert. Es wird darauf hingewiesen, dass die Häufigkeit von ECMO-Behandlungen durch andere Behandlungsverfahren (v. a. Surfactant, Hochfrequenzoszillationsbeatmung und Stickstoffmonoxid) im letzten Jahrzehnt deutlich abnahmen, dass aber gewisse Indikationen weiterhin bestehen bleiben. Die mittlere Überlebensrate wird mit 50–70% angegeben, wovon in weiterer Folge unter 5% der ehemaligen ECMO-Patienten ein schweres und bis zu 50% ein leichtes Entwicklungshandicap aufweisen. Abschließend betont der Autor, dass eine derart spezialisierte Behandlung auf einige wenige Zentren beschränkt bleiben muss und die Transportlogistik eine eigene Herausforderung darstellt.

Die Autoren und der Herausgeber hoffen, mit dem Themenheft Kinderunfälle und -notfälle ein Thema von allgemeinem Interesse angesprochen zu haben und damit zur individuellen richtigen Vorgangsweise in potenziell (lebens-)bedrohlichen Situationen beizutragen. Denn gerade in Akutsituationen kann die rasch getroffene richtige Entscheidung besondere Bedeutung erlangen.

Leoben im Oktober 2011

Univ.-Prof. Dr. Reinhold Kerbl