Ende der 1960er Jahre wurde von der Gruppe um R.A. Good in Minneapolis die erste erfolgreiche allogene Transplantation bei einem Kind mit einem schweren kombinierten Immundefekt durchgeführt. Diese begründete die „moderne Ära“ der Stammzelltransplantation (SZT). 1 Jahr später wurde in Seattle erstmals einem Leukämiepatienten das Knochenmark eines HLA-identischen (HLA: „human leukocyte antigene“) Geschwisters übertragen. Seither hat sich die allogene SZT zu einem sehr wertvollen Therapieverfahren in der Behandlung vieler Patienten mit Hochrisikoleukämien, aber auch für Patienten mit nichtmalignen Erkrankungen der Hämatopoese und des Immunsystem sowie mit Stoffwechselstörungen entwickelt.

Die möglichen Langzeitfolgen der SZT müssen weiter verringert werden

Trotz großer Fortschritte in der Transplantationsmedizin bleibt die allogene SZT eine einschneidende Therapieform mit vielen akuten Komplikationsmöglichkeiten sowie der Gefahr von Langzeitfolgen wie Wachstums- und Fertilitätsstörungen. Diese Komplikationen sind zumeist der hochdosierten Chemo-/Radiotherapie geschuldet; aber auch immunologische Komplikationen wie die T-Zell-vermittelte „Transplantat versus Empfängererkrankung“ („graft versus host disease“, GvHD) sind geeignet, langfristige Beeinträchtigungen zu hinterlassen. Gerade in der Kinder- und Jugendmedizin sind Langzeitfolgen von besonderer Bedeutung; es sollten alle Anstrengungen unternommen werden, Langzeitfolgen zu verhindern, die die überlebenden Kindern stigmatisieren und eine altersgerechte Entwicklung unmöglich machen.

Da nur etwa 25% aller Patienten über einen HLA-identischen Spender in der Familie und weitere 50% über einen passenden unverwandten Spender verfügen, ist es ein zentrales Ziel, den Spenderpool zu erweitern und über HLA-Barrieren hinweg Stammzellen in Form von Knochenmark, peripherem Blut und Nabelschnurblut zu transplantieren. Vor allem im pädiatrischen Bereich stellt dabei der Einsatz von haploidentischen Spendern (im Wesentlichen Eltern) zum Stammzellersatz nach intensiver Radio-/Chemotherapie einen wesentlichen Fortschritt dar.

Die immunologische Wirkung des Transplantats hat entscheidende Bedeutung

Lange Zeit wurde zur erfolgreichen Behandlung von Patienten mit bösartigen Erkrankungen eine hochintensive, möglichst „supraletale“ Chemo-/Radiotherapie für erforderlich gehalten, wobei der Stammzellersatz im Kurationskonzept eine nachgeordnete Rolle spielte. Die intensive Beschäftigung mit den immunologischen Auswirkungen der Übertragung großer Mengen von Stammzellen und insbesondere der Subfraktionen des Transplantats zeigte jedoch die Bedeutung der immunologischen Wirkungsweise des Transplantats selbst, was zu einem Paradigmenwechsel führte. So spielen NK-Zellen im Transplantat bei der Überwindung von malignen Erkrankungen eine entscheidendere Rolle als die der Transplantation vorausgehende Chemo-/Radiotherapie. Damit können allogene Transplantationsverfahren und insbesondere die haploidentische Transplantation als immunologische Plattform verstanden werden, die eine sorgfältige Auswahl und Präparation des Transplantats selbst und eine vielfältige Kombination mit zellulären Therapien nach der Transplantation erlaubt. Die hochdosierten Chemo-/Radiotherapien sind weniger für die Eradikation des malignen Zellklons notwendig, sondern werden vielmehr als Ursache für viele unerwünschte Effekte der Transplantationsverfahren verstanden: Bei Kindern sind dies die negativen Auswirkungen auf Wachstum und Entwicklung und die Gewebeschädigung, die die Kaskade hin zur akuten und chronischen Graft-versus-Host-Reaktion in Gang setzt.

Dies eröffnet eine Perspektive, die allogene Transplantationsverfahren in Zukunft mit reduzierten Konditionierungen ohne wesentliche Gewebeschädigung oder sogar mit ausschließlich immunologischen Vorbereitungen des Empfängers denkbar macht. Spezifische Zelltherapieelemente sollen dabei zielgerichtet gegen die zugrunde liegende maligne Erkrankung eingesetzt werden, ohne eine allogene GvHD auszulösen. Andererseits können im Rahmen der SZT spezifische T-Zellen auch gegen Viren und Pilze verabreicht werden; beides sind Maßnahmen, die die allogene SZT weiter sicherer und erfolgreicher machen werden.

Prof. Dr. Peter Bader Prof. Dr. Dietrich Reinhardt