Wir begrüßen die Tatsache, dass Herr PD Dr. J. Liese eingeladen wurde, das von uns erstellte Konsensuspapier zur RSV-Prophylaxe aus Sicht der entsprechenden deutschen Arbeitsgruppe zu kommentieren, zumal sich die deutsche Leitlinie in nicht unbedeutendem Maße auf Studiendaten aus Österreich stützt.

Im aktuellen Konsensuspapier zur Prophylaxe der Respiratory-Syncytial-Virus(RSV)-Infektion mit Palivizumab der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde wird eine mögliche Erweiterung der Indikationen aufgrund rezenter Studiendaten betreffend Kinder mit neuromuskulären Erkrankungen, zystischer Fibrose und Immundefekten/Immunsuppression dargestellt und erstmals für Österreich auch die Prophylaxe bei Frühgeborenen 33(+0)–35(+6) Schwangerschaftswochen mit hohem Risiko für eine erste schwere RSV-Infektion empfohlen. Diese möglichen Indikationen für Palivizumab sind bis auf die neuromuskulären Erkrankungen nicht neu und wurden von der American Academy of Pediatrics bereits 2003 in einem „Policy Statement“ festgehalten. So wie einzelne europäische Empfehlungen zur RSV-Prophylaxe mit Palivizumab beträchtlich differieren – wie auch Herr PD Dr. J. Liese in seinem Kommentar feststellte – bestehen auch zwischen den schweizerischen, deutschen und österreichischen Empfehlungen Unterschiede.

Die europäischen Empfehlungen zur RSV-Prophylaxe mit Palivizumab differieren beträchtlich

Der monoklonale Antikörper Palivizumab ist kostenintensiv, jedoch in verschiedenen pharmaökonomischen Modellen und für spezifische Patientengruppen kosteneffektiv. Palivizumab stellt seit den erfolglosen RSV-Impfstudien der 1960er Jahre das einzig wirksame Medikament zur Verhinderung schwerer RSV-Infektionen bei Risikopatienten dar. Interessanterweise ist in Europa sehr früh eine heftige ökonomische Diskussion zu diesem Thema entstanden, was sich auch gut anhand der großen Zahl der erst nach der Zulassung von Palivizumab durch die EMEA (European Medicines Agency, 1999) durchgeführten epidemiologischen Studien zur RSV-Infektion in Europa nachweisen lässt.

Die deutschen Empfehlungen in Form der AWMF-Leitlinie (www.leitlinien.net, www.dgpi.de) basieren auf einer Analyse der Daten der Münchener und österreichischen RSV-Studie. Die daraus abgeleitete Unterscheidung in Kinder mit hohem, mittlerem und niedrigem Risiko entspricht auf den Faktor Frühgeburtlichkeit bezogen nicht der Evidenz aus anderen Studien, welche keinen Unterschied im Schweregrad der RSV-Infektion bei unterschiedlichen Gestationsaltern fanden. Die im Weiteren daraus abgeleiteten „Soll“- und „Kann“-Empfehlungen einer Prophylaxe sind ebenso problematisch wie jede zusätzliche Risikofaktorenevaluierung. Die Impact-Studie, die zur Zulassung von Palivizumab geführt hatte, konnte gerade bei Frühgeborenen zwischen 32 und 35 Wochen die höchste relative Reduktion an RSV-Hospitalisierungen (82%) nachweisen.

Im Vordergrund sollte die medizinische Diskussion stehen

Die Post-RSV-Atemwegserkrankung wurde im Österreichischen Konsensuspapier erstmals für den deutschsprachigen Raum als Nachfolgephänomen einer RSV-Infektion dargestellt. Diese kurze Zusammenfassung eines insgesamt schwierigen und unübersichtlichen Literaturgutes dient ausschließlich der Information des Lesers. Nirgendwo im vorliegenden Konsensuspapier wird daraus eine Indikation zur Prophylaxe mit Palivizumab abgeleitet.

Generell sollte im Vordergrund die medizinische Diskussion und nicht eine ökonomische stehen. Derzeit bleibt die Diskussion einer Palivizumabprophylaxe für jedes einzelne Risikokind offen.