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Während früher rheumatische Vitien den Großteil der nicht unmittelbar erregerbedingten Herzklappenerkrankungen im Erwachsenenalter ausmachten, stehen heute in westlichen Ländern degenerative Klappenerkrankungen ganz im Vordergrund. Zurückzuführen ist dies auf den Rückgang des rheumatischen Fiebers durch rasche Antibiotikabehandlung der Tonsillitis, besonders aber auf die zunehmende Lebenserwartung. Die Verschiebung der Bevölkerungspyramide führt darüber hinaus dazu, dass die Häufigkeit von Klappenerkrankungen zugenommen hat und weiterhin dramatisch steigt. Besonders deutlich wird dies bei der Aortenklappenstenose. Die Zahl der interventionell oder operativ behandelten Patienten hat sich hier in den letzten 10 Jahren mehr als verdoppelt. Aber auch bei Mitral- und Trikuspidalklappenvitien sehen wir deutlich zunehmende Fallzahlen.

Nicht nur die Häufigkeit von Klappenerkrankungen hat sich verändert, sondern auch die Therapie derselben. So hat vor 22 Jahren mit der Einführung der Transkatheteraortenklappenimplantation (TAVI) durch Cribier die interventionelle Herzklappenbehandlung Einzug in die Herzklappentherapie gehalten und diese revolutioniert. Heute werden bei gegenüber dem Jahr 2011 etwas rückläufiger Operationsfrequenz etwa dreimal so viele katheterbasierte Aortenklappenimplantationen durchgeführt wie operative Eingriffe. Auch bei den anatomisch komplexeren Mitral- und Trikuspidalklappen sind heute interventionelle Kathetereingriffe die Regel. Hierbei werden überwiegend Edge-to-edge-Rekonstruktionsverfahren eingesetzt. Aber wie bei der Aortenklappe stehen auch hier zunehmend komplette Klappen für den klinischen Einsatz zur Verfügung, entweder komplett katheterbasiert oder transapikal.

Die Häufigkeit von Klappenerkrankungen nimmt aus demografischen Gründen weiter stark zu

Während bei der Aortenklappe die Klappenstenose durch Degeneration und Verkalkung der Taschen entsteht, geht es bei den atrioventrikulären Klappen hauptsächlich um Klappeninsuffizienzen als Folge einer morphologisch-anatomischen Veränderung der Vorhöfe und/oder der Kammern (Remodeling). Ursachen sind hier die koronare Herzkrankheit, die arterielle Hypertonie, Kardiomyopathien und Vorhofflimmern. An der Trikuspidalklappe entstehen Insuffizienzen nicht selten im Zusammenhang mit transvalvulär liegenden Schrittmacher- oder Defibrillatorelektroden.

Selbstredend müssen oder können nicht alle Patienten mit relevanten Vitien operativ oder interventionell behandelt werden. Deshalb muss grundsätzlich für jeden Patienten individuell die Frage geklärt werden, ob ein medikamentös-konservatives, ein operatives oder ein interventionelles Verfahren das beste Behandlungskonzept darstellt (personalisierte Medizin). Die Entscheidungsfindung ist standardisiert und erfolgt in interdisziplinären Heart-Teams mit Teilnehmern aus der Herzchirurgie, Anästhesiologie, kardialen Bildgebung und Kardiologie.

Auch wenn die interventionelle Herzklappentherapie, subsumiert unter dem Begriff strukturelle Herzerkrankungen, ein Höchstmaß an Spezialistentum erfordert, ist die Kenntnis der Möglichkeiten und Prozeduren für Ärztinnen und Ärzte in der allgemeinen Inneren Medizin oder der Allgemeinmedizin von großer Wichtigkeit, wenn die Patienten in der täglichen Praxis vorbereitet und nachbehandelt werden. Darüber hinaus werden zahlreiche Patienten mit relevanten Herzklappenerkrankungen medikamentös-konservativ behandelt, und natürlich spielt die medikamentöse Begleittherapie auch bei allen Patienten nach Klappeneingriffen eine wesentliche Rolle. Besonders an die Kolleginnen und Kollegen mit solchen Patienten richtet sich der vorliegende Schwerpunkt. Folgende Themen werden behandelt:

  • Konservative Therapien von Herzklappenvitien im Erwachsenenalter

  • Katheterbasierte und operative Therapien bei Aortenvitien

  • Katheterbasierte und operative Therapien bei Mitralklappenvitien

  • Klinik und Therapie der Trikuspidalinsuffizienz

  • Update Endokarditis 2024

Zum Thema Herzklappenerkrankungen gehört natürlich auch die Endokarditis mit einer neuen Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC). Die Endokarditis nimmt an Häufigkeit zu, weshalb Kenntnisse zur Therapie und insbesondere auch zur Prävention von essenzieller Bedeutung sind. Nur so viel vorab: Das diagnostische Spektrum wurde durch die Option der Computertomographie (CT) und Positronenemissionstomographie(PET)-CT erweitert, und in der Antibiotikatherapie werden jetzt auch Möglichkeiten für eine ambulante orale Behandlung nach initialer intravenöser Antibiotikagabe aufgezeigt. Schließlich wurde in der Antibiotikaprophylaxe das Indikationsspektrum hinsichtlich der Definition von Risikopatientinnen und -patienten und auch in Bezug auf die Art der Eingriffe mit Präventionsempfehlung erweitert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, fünf spannende und für alle in der Krankenversorgung tätigen Ärztinnen und Ärzte relevante Beiträge zu Herzklappenerkrankungen im Erwachsenenalter sind in diesem Schwerpunkt zusammengefasst. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und einen guten Erkenntnisgewinn zum Wohle unserer Patientinnen und Patienten.

Ihr

Gerd Hasenfuß