Das Influenzavirus verursacht jährlich europaweit die höchste Anzahl von Krankheits- und Todesfällen unter allen Infektionserregern. Das Krankheitsspektrum erstreckt sich von milden Infektionen der oberen Atemwege bis zu schweren Pneumonien mit respiratorischem Versagen. Bei klinischem Verdacht und schwerem Krankheitsbild sollte möglichst zeitnah ein Erregernachweis erfolgen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt unter anderem die jährliche Impfung des medizinischen Personals, wobei die Adhärenz an diese Empfehlung in Deutschland niedrig ist. Nosokomiale Übertragungen sind dementsprechend häufig.

Keine andere Infektionskrankheit führt europaweit zu mehr Erkrankungs- und Todesfällen als die Influenza. Eine kürzlich publizierte Studie des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) belegt auf eindrucksvolle Weise, dass unter den 30 relevantesten Infektionserkrankungen in Europa die Influenza die höchste Inzidenz (jährliche Infektionen/100.000) und gleichzeitig die höchste Mortalität (jährliche Todesfälle/100.000) aufweist [5].

Das Influenzavirus

Die Virusgrippe wird durch Influenza-A- und Influenza-B-Viren aus der Familie der Orthomyxoviren verursacht. Influenza-A-Viren entstammen einem weltweiten zoonotischen, primär aviären Reservoir und werden nach ihren Oberflächenantigenen, dem Hämagglutinin (H) und der Neuraminidase (N), in die Subtypen HxNx eingeteilt. Derzeit sind 18 H-Antigene und 11 N-Antigene bekannt. H1N1- und H3N2-Influenza-A-Viren zirkulieren derzeit in der humanen Bevölkerung und führen auf der Nordhalbkugel zu saisonalen Infektionswellen in den Wintermonaten, zusammen mit Influenza-B-Viren der Linien Victoria und Yamagata. Sporadische Infektionen mit porcinen (z. B. H1N2) oder aviären Influenza-A-Viren (z. B. H7N9, H5N1) kommen im Rahmen von Tier-zu-Mensch-Übertragungen vor und haben unterschiedliche Krankheitsverläufe (inapparent bis letal), sind aber in Europa sehr selten [50].

Eine Genreassortierung geschieht klassischerweise im porcinen Wirt

Das Genom von Influenzaviren besteht aus acht RNA-Einzelsträngen, die für die verschiedenen viralen Proteine codieren. Ein Charakteristikum des Erregers ist, dass die saisonal zirkulierenden Influenza-A-Viren aufgrund der fehlenden Proofreading-Funktion ihrer Polymerase ständig ihre Oberflächeneigenschaften durch neu auftretende Punktmutationen ändern, mit einer Frequenz von durchschnittlich 2–3 Mutationen pro repliziertem Genom ([34]; Antigen-Drift). Dies hat zur Folge, dass neutralisierende Antikörper gegen die Oberflächenantigene, die im Rahmen einer vorangegangenen Infektion oder einer Impfung entstanden sind, keine oder deutlich abgeschwächte Wirksamkeit haben. Daher muss die Impfung jährlich an die voraussichtliche Oberflächenstruktur der in der kommenden Saison zu erwartenden Viren adaptiert werden [51].

Der Antigen-Shift hingegen beschreibt das Phänomen der Genreassortierung, also der Vermischung der einzelnen Gensegmente in einer Zelle, die mit zwei oder mehreren unterschiedlichen Influenza-A-Viren infiziert ist. Klassischerweise geschieht eine solche Reassortierung im porcinen Wirt, der empfänglich für eine hohe Anzahl aviärer, porciner und humaner Influenza-A-Viren ist. Dabei entstehen neue Influenza-A-Viren, die auf eine für dieses Virus immunologisch weitgehend naive humane Bevölkerung treffen und dann Auslöser von Pandemien sind. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das Auftreten der sogenannten „Schweinegrippe“ in Mexiko im Jahr 2009, verursacht durch ein neues H1N1-Virus mit Genomanteilen aus humanen, porcinen und aviären Viren verschiedener Kontinente. Dieses Virus zirkuliert mittlerweile saisonal und hat sich über die Jahre zusehends an den humanen Wirt adaptiert [31]. Vorhergehende Pandemien des letzten Jahrhunderts waren die Spanische Grippe 1918 (A/H1N1) mit bis zu 50 Mio. Todesfällen [29], die Asiatische Grippe 1957 (A/H2N2), die Hongkong-Grippe 1968 (A/H3N2) und die Russische Grippe 1977 (A/H1N1; [31]).

Die hohe Plastizität des viralen Genoms ist eine maßgebliche Determinante der Epidemiologie und Pathogenität von Influenzaviren. Sie erlaubt dem Virus einerseits, den durch das Wirtsimmunsystem ausgeübten Druck zu meiden und insbesondere der humoralen Immunantwort bei einer neuen Infektion zu entgehen. Andererseits ermöglicht sie das Überspringen von Speziesbarrieren und eine rasche Adaptation an neue Wirte wie den Menschen.

Das Influenza-B-Virus weist eine deutlich höhere genetische Stabilität auf mit Abkömmlingen von nur zwei Linien („Yamagata-like“ und „Victoria-like“), der Hauptwirt ist der Mensch. Im Gegensatz zum Typ A, der durch die saisonale Prädominanz eines Subtyps (H1N1 oder H3N2) gekennzeichnet ist, kozirkulieren beide Typ-B-Subtypen seit 2001 in Menschen [1]. Etwa alle 10–15 Jahre dominieren dabei Influenza-B-Viren über Influenza-A-Viren, so etwa in der Saison 2017/2018.

Pathogenese und Klinik

Übertragung

Die Übertragung von Influenzaviren erfolgt primär durch Tröpfcheninfektion mit einer Partikelgröße von >5 μm. Die Tröpfchen entstehen vor allem beim Niesen oder Husten und infizieren Kontaktpersonen in geringer Distanz. Zuletzt wurde auch die Möglichkeit einer Übertragung durch kleinere Tröpfchen <5 μm diskutiert, die beim normalen Atmen oder Sprechen entstehen. Darüber hinaus ist eine Übertragung auch durch direkten Kontakt der Hände zu kontaminierten Oberflächen gegeben, beispielsweise beim Händeschütteln [43].

Influenzaviren adhärieren über eine Bindung von Hämagglutinin an Sialinsäuren auf der Oberfläche von Epithelzellen des oberen Respirationstrakts, des primären Kompartiments der viralen Replikation. Erfolgt nicht rasch eine Eindämmung durch die Induktion der angeborenen Typ-I- und Typ-III-Interferon-abhängigen Immunantwort, kann sich das Virus in den distalen Respirationstrakt ausbreiten und eine Pneumonie verursachen. In Tiermodellen und eleganten Omics-basierten Datenanalysen in gut definierten Patientenkohorten mit pneumonischen Verläufen konnte gezeigt werden, dass die Determinante einer schweren Influenzapneumonie mit respiratorischem Versagen weniger eine hohe Virusreplikation, sondern eher eine überschießende, persistierende Immunreaktion ist [17]. Dabei war das Entstehen eines Lungenversagens bzw. die Schwere der Erkrankung mit Signaturen einer starken Aktivierung bzw. Rekrutierung von Monozyten/Makrophagen und Neutrophilen assoziiert [2, 10, 18, 35].

Symptomatik und Infektiosität

Influenzainfektionen können klinisch ein weites Symptomspektrum verursachen, von nahezu inapparenten Verläufen mit milden Erkältungszeichen bis zur schweren, beatmungspflichtigen Pneumonie. Nach einer Inkubation von 1 bis 2 Tagen beginnt die Symptomatik oft plötzlich mit hohem Fieber und Schüttelfrost („sudden onset“). Appetitlosigkeit, trockenem Husten, Hals- und Kopfschmerzen, Myalgien und Arthralgien kommen häufig im Rahmen der Infektion vor. Dyspnoe und ausgeprägtes Erschöpfungsgefühl sind Zeichen einer Pneumonie. Die Krankheit kann sich je nach Altersgruppe unterschiedlich manifestieren. Während ältere Patienten häufig nur einen leichten Temperaturanstieg aufweisen, können bei Kleinkindern Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen im Vordergrund stehen [41].

Bereits vor Auftreten der ersten Symptome oder bei weitgehender Symptomlosigkeit kann der Patient infektiös sein, beim Immungesunden hält die Infektiosität dann etwa 4–5 Tage nach Symptombeginn an. Immunkompromittierte Patienten können wesentlich länger Viren ausscheiden [22, 24]. Üblicherweise lassen die Symptome innerhalb einer Woche spontan nach.

Komplikationen

Pneumonie

Die häufigste Komplikation der Infektion ist die influenzaassoziierte Pneumonie mit all ihren Folgeerscheinungen, sowohl als primäre virale Pneumonie als auch (wahrscheinlich häufiger) im Sinne einer sekundären bakteriellen Infektion durch kolonisierende grampositive Erreger (Streptococcuspneumoniae, Haemophilusinfluenzae, Staphylococcusaureus). Werden bei ambulant erworbener Pneumonie (CAP) virale und bakterielle Erreger nachgewiesen, steigt das Mortalitätsrisiko [46].

Verschiedene Faktoren für die Prädisposition zur bakteriellen Folgeinfektion werden derzeit diskutiert, z. B. eine Deaktivierung ortsständiger Immunzellen und eine durch antivirale Zytokine bedingte Reduktion in der Diversität der lokalen mikrobiellen Standortflora mit Überwachsen von pathogenen Erregern [13, 36]. Es ist anzunehmen, dass der Mehrzahl der ambulant erworbenen Pneumonien („community-acquired pneumonia“ [CAP]) ein viraler Trigger vorangeht, hierfür spricht sowohl die unerklärte Saisonalität der bakteriellen Pneumonie [47] als auch der häufige Polymerase-Kettenreaktions(PCR)-basierte Nachweis viraler respiratorischer Pathogene bei hospitalisierten CAP-Patienten [19].

Dementsprechend sind die Röntgenbefunde bei einer Influenzapneumonie häufig unspezifisch und zeigen nur selten, gelegentlich in der Frühphase, das Bild einer atypischen/interstitiellen Pneumonie; meist entspricht der Befund dem einer beidseitigen bakteriellen Infektion. Auch computertomographisch-morphologisch kann die Influenzapneumonie nicht sicher definiert werden.

C‑reaktives Protein (CRP) und Prokalzitonin steigen erfahrungsgemäß insbesondere bei der bakteriellen und kaum oder wenig bei der rein viralen Pneumonie. Dennoch existieren bis dato keine Daten, die Cut-off-Werte für beide Biomarker allein oder in Kombination zur Differenzierung erlauben. Zwei Studien belegen, dass eine Kombination aus drei Serumparametern – CRP, „TNF-related apoptosis-inducing ligand“ (TRAIL) und „interferon γ-induced protein-10“ (IP-10) – mit hoher Wahrscheinlichkeit eine virale von einer bakteriellen Pneumonie bei Kindern und Erwachsenen unterscheiden kann; diese Biomarker stehen derzeit aber nicht für die klinische Routine zur Verfügung [33, 45].

Weitere Komplikationen

Seltene Komplikationen sind Meningitis oder Enzephalitis, Perikarditis, Myokarditis, Myositis und Rhabdomyolyse. Diese Komplikationen treten öfter bei Patienten auf, die zu Risikogruppen gehören. Eine kürzlich im New England Journal of Medicine publizierte Studie zeigte, dass das Risiko von Patienten mit Influenza für einen Myokardinfarkt um das 6‑fache gegenüber Nichtinfizierten in den ersten 7 Tagen der Infektion anstieg und sich erst nach einer Woche wieder normalisierte [21]. Die Ursachen sind ungeklärt, diskutiert wird die erhebliche systemische Inflammationsreaktion mit erhöhter Thrombogenität und Plättchenaktivierung. Interessanterweise war das Risiko bei der Influenza B deutlich höher als bei Influenza-A-Infektionen. Evidenz für einen direkten Kardiotropismus von Influenza-B-Viren existiert nicht, es scheint jedoch, dass kardiale Komplikationen bei B‑Infektionen häufiger berichtet werden.

Die invasive pulmonale Aspergillose geht mit einer hohen Sterblichkeit einher

Eine weitere Komplikation bei intensivmedizinisch behandelten Patienten mit Influenza ist die invasive pulmonale Aspergillose, die mit einer hohen Sterblichkeit einhergeht. Eine retrospektive Analyse fand in einem 7‑Jahres-Zeitraum bei 83 (19 %) von 432 Patienten, die mit Influenza auf eine Intensivstation aufgenommen wurden, eine invasive Aspergilleninfektion durchschnittlich 3 Tage nach Aufnahme unabhängig vom Influenzasubtyp [42]. Die 90-Tages-Mortalität betrug 51 % bei Patienten mit invasiver Aspergillose vs. 28 % bei Patienten ohne diese Komplikation.

Epidemiologie

Laut Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) wurde die Zahl der influenzabedingten Krankenhauseinweisungen aus primärversorgenden Praxen in der Saison 2017/2018 auf etwa 45.000 geschätzt [3], mit 1615 gemeldeten Todesfällen, die nachweislich direkt mit einer Influenza assoziiert waren. Die europäische Kontrollbehörde ECDC überwacht in einzelnen europäischen Staaten in selektiv ausgewählten Kliniken die influenzabedingten Einweisungen auf Intensivstationen; für die Saison 2017/2018 belief sich die Zahl auf 9317 in zehn europäischen Staaten, sodass von mehreren Zigtausend in Europa insgesamt ausgegangen werden muss [11].

Risikopatienten

Die nationalen und internationalen Gesundheitsbehörden definieren folgende Risikogruppen für influenzaassoziierte Komplikationen:

  • Alter <2 und >65 Jahre

  • Chronische Lungenerkrankungen

  • Morbide Adipositas (ab Body-Mass-Index von 40 kg/m2)

  • Diabetes mellitus

  • Primäre oder sekundäre Immunsuppression

  • Chronisches Leber- oder Nierenversagen

  • Chronische Herzerkrankung

  • Schwere neurologische Erkrankungen

  • Unterbringung in Pflegeeinrichtungen

Bei schwangeren Patientinnen ist das Risiko der mütterlichen Komplikationen bis 2 Wochen postpartal deutlich erhöht, ebenso das der Frühgeburtlichkeit und der perinatalen Säuglingssterblichkeit. Kleinere neonatale Größe und geringeres Geburtsgewicht können weiterhin die postnatale Entwicklung des Säuglings verlangsamen. Bei Personen <19 Jahren und gleichzeitiger Langzeittherapie mit Acetylsalicylsäure steigt das Risiko für ein Reye-Syndrom.

Nicht selten erkranken aber auch ansonsten gesunde Patienten schwer. Dieses Phänomen wurde im Rahmen der letzten Pandemie 2009/2010 und 2010/2011 deutlich häufiger beobachtet und zum Teil durch die Tatsache erklärt, dass jüngere Patienten immunologisch naiv gegen das neue H1N1-Virus waren, wohingegen Ältere sich mit Vorläufern des Virus in früheren Zeiten bereits auseinandergesetzt hatten. Darüber hinaus wurden im Rahmen von genomweiten Assoziationsstudien bisher einige genetische Determinanten bei Erwachsenen und Kindern definiert, die mit schweren Verläufen einer pandemischen, saisonalen oder aviären Influenza assoziiert sind: Polymorphismen oder Gendefizienz in den codierenden Regionen für antivirale Gene wie „interferon-inducible transmembrane protein 3“ (IFITM3), „toll-like receptor 3“ (TLR3) oder „interferon regulatory factor 7“ (IRF7) sowie Mutationen in den codierenden Regionen für die Protease „transmembrane protease, serin 2“ (TMPRSS2), die die Spaltung von viralem Hämagglutinin bei der Aufnahme in die Zelle vermittelt, und weitere [8, 9, 25].

Medikamentöse Therapie der Influenza

Die Diagnose kann klinisch gestellt werden, sollte aber bei Patienten mit Therapieindikation (s. unten) durch ein PCR-basiertes Verfahren gesichert werden, ohne dabei den Therapiebeginn zu verzögern. Dabei eignet sich Spülwasser besser als ein Abstrich; bei Pneumonie ist eine Probenentnahme aus dem distalen Respirationstrakt zu bevorzugen [26]. Antigenschnelltests sollten aufgrund ihrer schlechten Sensitivität nicht eingesetzt werden bzw. bei negativen Befunden und klinischem Verdacht mittels PCR-basierter Diagnostik bestätigt werden [7].

Neuraminidasehemmer verhindern die Freisetzung von Viren aus infizierten Zellen

Derzeit werden primär Neuraminidasehemmer gegen die Influenzainfektion eingesetzt. Die M2-Hemmer Rimantadin und Amantadin werden aufgrund der weltweit verbreiteten Resistenzentwicklung (>99 % der Influenzastämme) und ihrer fehlenden Wirkung gegen Influenza B für die Therapie nicht mehr empfohlen. Neuraminidasehemmer verhindern die Freisetzung von Viren aus infizierten Zellen.

Oseltamivir wird in einer Dosierung von 2‑mal 75 mg p.o. täglich (prophylaktische Dosierung 1‑mal 75 mg) über 5 Tage verabreicht. Sollte etwa aufgrund unzureichender Resorption der oralen Medikation eine intravenöse Gabe notwendig sein, kann Peramivir i.v. einmalig (600 mg) verabreicht werden. Intravenöses Zanamivir befindet sich derzeit im Zulassungsverfahren der U.S. Food and Drug Administration. Zanamivir per inhalationem wird bei der Influenzapneumonie aufgrund der verminderten Bioverfügbarkeit in der Lungenperipherie nicht empfohlen. Bei Niereninsuffizienz und Kreatininclearance <30 ml/min soll die Dosis von Oseltamivir auf 1‑mal 75 mg angepasst werden. Oseltamivir ist für Kinder ab dem ersten Lebensjahr zugelassen, Peramivir ab zwei Jahren, Zanamivir ab 5 Jahren.

Bei hoher saisonaler Influenzaaktivität kann die kalkulierte Gabe von Oseltamivir bei hospitalisierten Patienten mit mittelschwerer bzw. schwerer Pneumonie zusätzlich zu einer kalkulierten antibakteriellen Therapie erfolgen. Eine molekularbiologische Diagnostik sollte gleichzeitig angestrebt werden. Bleibt der Influenza-PCR-Nachweis negativ, sollte die Behandlung mit Oseltamivir beendet werden [14].

In einer Cochrane-Metaanalyse von 2014 [20] mit der größten Menge an Studiendaten wurde für Oseltamivir bei Erwachsenen ohne Komorbiditäten eine Reduktion von Pneumonien konstatiert. Dieses Ergebnis ist allerdings umstritten, da das Vorliegen einer Pneumonie oftmals nicht diagnostisch gesichert wurde. Die in die Metaanalyse eingegangenen Studien (randomisierte, kontrollierte Studien) wurden während saisonaler Influenzaepidemien mit vorwiegend unkomplizierten Krankheitsverläufen und sehr geringer Mortalität durchgeführt und waren demnach nicht primär darauf ausgelegt, einen Effekt auf schwere Verläufe zu demonstrieren. Die aktuell vorhandenen Daten geben deshalb zwar Hinweise, aber keine zweifelsfreie Evidenz für einen positiven Einfluss der antiviralen Arzneimittel auf klinisch relevante Komplikationen bei Influenza. In diesem Zusammenhang relevant sind die Ergebnisse einer Beobachtungsstudie von Muthuri et al. während der Pandemie 2009/2010 [30]. Die Metaanalyse wertete Datensätze von 30.000 hospitalisierten Patienten aus 78 Einzelstudien aus und kam zu dem Ergebnis, dass die Gabe von Neuraminidasehemmern bei Erwachsenen mit einer statistisch signifikanten relativen Reduktion des Mortalitätsrisikos einhergeht.

Internationale und nationale Gesundheitsbehörden und Fachgesellschaften wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Centers for Disease Control and Prevention (CDC), das ECDC, die American Thoracic Society (ATS) und Infectious Diseases Society of America (IDSA; [12, 44, 48]) empfehlen die Therapie mit antiviralen Medikamenten für alle Patienten, die

  • aufgrund der Infektion hospitalisiert werden,

  • eine schwere komplizierte oder progressive Erkrankung aufweisen und

  • die zu den o. g. Risikogruppen gehören.

Dieser Einschätzung schlossen sich die deutschen Fachgesellschaften an, unter anderem die Gesellschaft für Virologie (GfV), die Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) und die Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG; [28]). Der Therapiebeginn innerhalb von 48 h nach Einsetzen der Symptome kann die Krankheitsdauer und die Komplikationen der Infektion verringern, sodass der Kliniker rechtzeitig entscheiden muss, ob der Patient von der Therapie profitieren wird [23]. Retrospektive Daten, erhoben an >1950 Patienten mit pandemischer H1N1-Infektion auf Intensivstationen, zeigten, dass eine signifikante Senkung der Mortalität durch eine Therapieeinleitung bis zu 5 Tage nach Symptombeginn erreicht werden konnte; je früher begonnen wurde, desto größer war aber der Nutzen [27]. Die optimale Behandlungsdauer bei schwerer, komplizierter oder progressiver Erkrankung ist nicht bekannt. Eine Verlängerung der Therapie über 5 Tage hinaus sollte gegebenenfalls erwogen werden, insbesondere bei Immunsupprimierten. Bei den erwähnten Risikogruppen kann eine Chemoprophylaxe erwogen werden, eine breite prophylaktische Anwendung wird nicht empfohlen.

Der Kliniker muss schnell entscheiden, ob der Patient von der Therapie profitieren wird

Seit Kurzem steht mit Baloxavir der erste Polymerasehemmer (gegen Polymerase A) für die Therapie der Influenza zur Verfügung. Studien haben eine Nichtunterlegenheit im Vergleich zur Standardtherapie bei der Behandlung der unkomplizierten Influenza gezeigt [16]. Baloxavir ist derzeit für die Behandlung der unkomplizierten Influenza ab 12 Jahren zugelassen. Eine weitere Studie bei Hochrisikogruppen (CAPSTONE II) zeigte eine Reduktion von Komplikationen im Vergleich zu Placebo. Pimodivir ist ein Polymerase-B-Inhibitor (PB2), der aktuell in Phase-III-Studien getestet wird.

Impfung

Die saisonale Influenzaimpfung bleibt nach wie vor eine wirksame Prophylaxe. Die WHO definiert anhand epidemiologischer Daten und Prädiktionsmodelle jeweils im Frühjahr eines Kalenderjahrs die Impfstoffzusammensetzung für die Nordhalbkugel, und im September für die Südhalbkugel [49]. Die Impfstoffe sind Totimpfstoffe (zumeist Split-Vakzine) und enthalten 3 oder 4 Antigene von 2 inaktivierten Subtypen des Influenza-A-Virus und von einem (trivalent) oder von beiden Influenza-B-Linien (tetravalent). Seit 2018 ist laut Empfehlung der STIKO in Deutschland die tetravalente Impfung der Standard [37, 39]. Auslöser hierfür war die schwer verlaufende Saison 2017/2018, in der beide Influenza-B-Linien zirkulierten und in der schätzungsweise 2 Mio. Menschen erkrankten. Die Heftigkeit dieser Influenzawelle wurde – neben anderen Faktoren – der Tatsache zugeschrieben, dass weitgehend die als ausreichend empfohlene trivalente Vakzine verabreicht worden war und somit unter den Geimpften kein Schutz gegen die Influenza-B-Linie Yamagata bestand. Die influenzaassoziierte Mortalität kann weiterhin reduziert werden, wenn die Pneumokokkenimpfung zusammen mit der Influenzaimpfung bei Risikopatienten verabreicht wird [52].

Für Kinder mit spezieller Impfindikation ist eine attenuierte Lebendvakzine zur intranasalen Anwendung verfügbar. Seit 2010 gehört die jährliche Influenzaimpfung zu den Empfehlungen des Advisory Committee on Immunization Practices der CDC für alle Personen älter als 6 Monate [6]. Die STIKO weicht hiervon ab und empfiehlt die jährliche Impfung als Standardimpfung für alle Personen ab einem Alter von 60 Jahren und als Indikationsimpfung bei Risikopatienten (chronische respiratorische, neurologische, Herz- und Kreislauf‑, Leber- oder Nierenkrankheiten, Diabetes mellitus, angeborene oder erworbene Immundefekte), Schwangeren ab dem zweiten Trimenon und Bewohnern von Alters- und Pflegeheimen. Eine berufliche Indikation stellt die Arbeit im Gesundheitswesen oder die Arbeit in engem Kontakt zu Geflügel und Wildvögeln dar [37].

Leider bleiben die Impfquoten in Deutschland nach wie vor niedrig. Obwohl das WHO- und EU-Ziel für die Impfquote bei Risikogruppen 75 % beträgt, sind nur 34,8 % aller Personen älter als 59 Jahre in Deutschland gegen Influenza geimpft. Mit 24 % ist weiterhin die Impfquote der chronisch Kranken dürftig [40]. Auch bei Ärzten und Pflegepersonal ist sie nicht ausreichend, obwohl einer RKI-Umfrage unter 5822 Klinikmitarbeitern zufolge 89 % der Kliniken eine Impfung am Arbeitsplatz anbieten. Insgesamt ließen sich gemäß der Erhebung 40,1 % der Mitarbeiter impfen. Am höchsten lag die Impfquote bei Ärzten (61,4 %), am niedrigsten beim Pflegepersonal (32,5 %; [38]). Ursächlich war bei den meisten Befragten das schlechte Nutzen-Risiko-Verhältnis. In der Tat unterliegt die Effektivität der Vakzine im Hinblick auf die Verhinderung einer im Labor bestätigten Infektion großen jährlichen Schwankungen. Retrospektive Analysen legen allerdings nahe, dass die Vakzine einen Nutzen im Hinblick auf die influenzaassoziierte Morbidität und Mortalität bei älteren Patienten und Risikogruppen hat, insbesondere wenn sie wiederholt verabreicht wird [4, 32].

Auch bei Ärzten und Pflegepersonal ist die Impfquote nicht ausreichend

Es bleibt also eine ärztliche Aufgabe, die Impfraten durch richtige Aufklärung zu steigern und dadurch sowohl den individuellen Patienten als auch die Kohorte vor den Komplikationen der Infektion zu schützen. Letzteres ist sicherlich vor dem Hintergrund der hohen nosokomialen Übertragungsraten hoch relevant. Eine prospektive unizentrische Studie auf Intensivstationen zeigte einen Anteil der nosokomialen an allen Influenzainfektionen von 42 % [15].

Intensive Forschungsbemühungen haben derzeit zum Ziel, eine sogenannte universelle Vakzine zu etablieren, die nicht mehr jährlich adaptiert und verabreicht werden muss. Dies wäre mit einem Impfstoff möglich, der Antikörper und bestenfalls eine zusätzliche T‑Zell-Immunität gegen besonders konservierte Epitope generiert. Bisher konnten solche Impfungen keine ausreichend protektive Immunantwort induzieren. Im Fokus sind aktuell Epitope der „Stammregion“, der rezeptorbindenden Region von Hämagglutinin, der extrazellulären Domäne des Matrixproteins 2 sowie des Matrixproteins 1 und des Nukleoproteins, die insbesondere eine T‑Zell-Immunität generieren [51].

Fazit für die Praxis

  • Morbidität und Mortalität der Influenza werden weiterhin unterschätzt. Keine andere Infektionskrankheit führt europaweit zu mehr Erkrankungs- und Todesfällen.

  • Risikopatienten, Patienten, die aufgrund der Influenza stationär aufgenommen werden, oder Patienten mit Komplikationen und schweren Verläufen wie einer Pneumonie sollten möglichst früh antiviral behandelt werden.

  • Die seit der Pandemie 2009/2010 in Deutschland kontinuierlich rückläufigen Impfquoten sollten dringend verbessert werden. Seit 2018 wird nur noch der tetravalente Impfstoff empfohlen.

  • Nosokomiale Übertragungen und Ausbrüche sind häufig. Insofern kommt auch der Verbesserung der Impfquoten des medizinischen Personals eine besondere Rolle zu.