Während die typischen Krisensituationen in der Diabetologie – diabetische Ketoazidose, hyperosmolares Koma und Hypoglykämie – immer noch häufige präklinische, aber auch stationär auftretende Notfälle darstellen, sind Notfälle in der Endokrinologie eher selten. Die Datenlage ist nicht ganz einheitlich, aber nach epidemiologischen Schätzungen werden endokrinologische Notfälle bei etwa 1 % der notfallmäßig stationär aufgenommenen Patienten beobachtet.

Diese Notfallsituationen entstehen in der Regel auf dem Boden einer bereits bekannten und chronischen endokrinen Erkrankung, wie etwa bei der Addison-Krise. Der Auslöser ist meist eine nicht-endokrine Erkrankung, was auch zur Vielschichtigkeit der Symptomatik beiträgt.

Endokrinologische Notfälle sind differenzialdiagnostisch von erheblicher Bedeutung

Ungeachtet der Tatsache, dass es sich gerade bei den endokrinologischen Notfällen um seltene Ereignisse handelt, sind sie doch differenzialdiagnostisch von erheblicher Bedeutung; Beispiele sind die vielfältigen, auch endokrinen, Ursachen einer Hypoglykämie oder endokrine Auslöser einer hypertensiven Krise. Dies bedeutet, dass von vornherein auch endokrinologische Krankheitsbilder in die Differenzialdiagnostik eingeschlossen werden müssen. In jedem Fall ist das Übersehen der Ursache für den Patienten eine Entwicklung mit in der Regel fatalen Folgen.

Wie auch bei anderen Notfällen gilt hier, dass sich ein zielgerichtetes diagnostisches und therapeutisches Handeln unmittelbar aus der Pathophysiologie der Erkrankung ableitet. Daher ist eine exakte Kenntnis der krankheitsrelevanten Mechanismen notwendig, wie auch das Verständnis der nicht-endokrinen Einflüsse auf die Krankheitsentstehung.

Diesen für die Praxis aus differenzialdiagnostischer und therapeutischer Sicht hochrelevanten Themen widmen sich fünf Beiträge dieser Ausgabe von Der Internist. Sie bilden das wesentliche Spektrum an Notfällen in der Endokrinologie und Diabetologie ab.

Der thyreotoxischen Krise und dem Myxödemkoma ist sicher gemeinsam, dass unbehandelt eine hohe Morbidität und Mortalität bestehen und unmittelbar rasche – in der Regel intensivmedizinische – Maßnahmen eingeleitet werden müssen. Auch gilt für beide, was weiter oben aufgeführt wurde – nämlich die Auslösung eines solchen Ereignisses durch unterschiedlichste externe Belastungen; Beispiele sind Traumen, Infektionen oder auch psychische Belastungen. Die Autoren C. Spitzweg, M. Reincke und R. Gärtner beleuchten sehr kenntnisreich klinische Faktoren, die für die Diagnosestellung und den prognostischen Verlauf sehr wichtig sind.

Hinsichtlich der Prävention einer Hypoglykämie hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden

Die typischen diabetologischen Notfälle werden von H. Kalscheuer, G. Serfling, S. Schmid und H. Lehnert ausführlich besprochen. Auch hier wird deutlich, wie bedeutsam hinsichtlich der Vermeidung von Folgekomplikationen die rasche diagnostische und therapeutische Intervention ist. Insbesondere die Unterscheidung zwischen Ketoazidose und hyperglykämischer, hyperosmolarer Entgleisung ist unverändert relevant und sollte jederzeit vom internistisch tätigen Arzt beherrscht werden. Hinsichtlich der Einschätzung und auch der Prävention einer Hypoglykämie hat in der Diabetologie in den vergangenen Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden; die Einstellung des Patienten mit Diabetes hat auch ganz übergeordnet zum Ziel, eine Hypoglykämie zu vermeiden, da sie beispielsweise als unabhängiger Risikofaktor für deletäre kardiovaskuläre Ereignisse gilt. Diese neuen Aspekte werden im Beitrag auch entsprechend gewürdigt.

Die hyperkalzämische Krise und die Tetanie als Notfallsituationen aus dem Bereich des Kalziumstoffwechsels werden umfassend von C. Kasperk dargestellt. Insbesondere die hyperkalzämische Krise ist eine klare Notfallsituation, in der Regel entsteht sie entweder auf dem Boden eines primären Hyperparathyreoidismus oder als Tumorhyperkalzämie mit entsprechend supprimierter Sekretion von Parathormon. Diese Unterscheidung ist natürlich auch für das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen hoch bedeutsam. Unerkannt und unbehandelt verläuft sie in der Regel letal.

Die Nebennierenkrise wiederum ist eine typische Erstmanifestation einer Nebennierenrindeninsuffizienz, tritt aber auch bei sonst gut behandeltem Morbus Addison auf. Auch hier gilt, dass Hauptauslöser externe Ereignisse sind, in aller Regel Infektionen. Die schnellstmögliche Substitution von Hydrokortison ist eine entscheidende therapeutische Maßnahme. Das Vorgehen wird von S. Burger-Stritt und S. Hahner klar und umfassend dargestellt.

Für die Behandlung der Hyponatriämie und ihre Einordnung ist eine profunde Kenntnis der Natrium- und Wasserregulation entscheidend. Dies wird im Beitrag von W. Fenske beispielhaft dargestellt, betont wird zudem, dass die Behandlungsmaxime die Sicherheit des Patienten ist – auch vor dem Hintergrund, dass hier die Unterscheidung einer akuten und chronischen Hyponatriämie essenziell ist. Nur die akute Hyponatriämie mit entsprechender begleitender Klinik macht zwingend ein rasches therapeutisches Handeln notwendig.

Die Herausgeber dieses Schwerpunkts verbinden mit der Publikation die große Hoffnung, nicht nur Grundlagen zum zielgerechten Umgang mit endokrinen und metabolischen Krisen verständlich und nachvollziehbar zu vermitteln, sondern auch Freude und Enthusiasmus im Umgang mit komplexen Krankheitsbildern und differenzialdiagnostischen Prozessen zu wecken.

Allen Autoren sei an dieser Stelle herzlichst gedankt. Den Lesern wünschen wir viel Freude und Gewinn bei der Lektüre der Beiträge.

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H. Lehnert

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M. Reincke