FormalPara Leserbrief zu

Fleig S et al (2016) Chronische Niereninsuffizienz. Internist 57:1164-1171. doi:10.1007/s00108-016-0150-7

Sehr geehrte Damen und Herren,

leider wird im deutschen Schrifttum seit Jahren ein dummer Fehler von einem Beitrag zum anderen geschleppt. Auch in diesem Beitrag lautet eine Überschrift „Definition und Diagnostik der chronischen Niereninsuffizienz“ und in der Überschrift zu Tab. 1, S. 1164, steht: „Stadien der chronischen Niereninsuffizienz“.

Als Quelle dient:

Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) CKD Work Group (2013) KDIGO 2012 clinical practice guideline for the evaluation and management of chronic kidney disease. Kidney Int Suppl 3:1–150. http://www.kdigo.org/clinical_practice_guidelines/pdf/CKD/KDIGO_2012_CKD_GL.pdf

Abgesehen davon, dass die Zitierweise nicht richtig ist, wird auch hier fälschlicherweise „chronic kidney disease“ (CKD) mit chronischer Niereninsuffizienz gleichgesetzt. Dies ist nicht nur ein semantischer Fehler, er hat leider auch Auswirkungen auf die Beurteilung eines Patienten.

Zur Klarstellung ein übersetzter Auszug aus der KDIGO-Leitlinie:

„Die chronische Nierenkrankheit („chronic kidney disease“ [CKD]) ist definiert als Abnormitäten von Strukturen und Funktionen der Nieren, die länger als 3 Monate bestehen und Implikationen für die Gesundheit haben.

Kriterien für eine chronische Nierenkrankheit sind Marker für einen Nierenschaden wie Albuminurie, anomales Urinsediment, Elektrolytanomalien durch tubuläre Schäden, anomale Histologie, Anomalien in der Bildgebung und Zustand nach Nierentransplantation sowie eine reduzierte GFR < 60 ml/min/1,73 m 2 (GFR-Kategorien G3a–G5).

Die Klassifikation der chronischen Nierenkrankheit sollte auf Basis der Ursache, der GFR-Kategorie und der Kategorie der Albuminurie erfolgen.

Die Ursache der chronischen Nierenkrankheit sollte auf dem Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Systemerkrankung und der Lokalisierung von beobachteten oder angenommen pathologisch-anatomischen Befunden innerhalb der Nieren basieren.

Die GFR-Kategorien (ml/min/1,73 m 2 ) sind folgende:

  • G1: ≥90; normal oder hoch,

  • G2: 60–89; leicht vermindert,

  • G3a: 45–59; leicht bis mäßig vermindert,

  • G3b: 30–44; mäßig bis schwer vermindert,

  • G4: 15–29; schwer vermindert,

  • G5: Nierenversagen.

In einer Fußnote wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Kategorien G1 und G2 allein nicht die Kriterien für eine chronische Nierenerkrankung erfüllen. Ein Patient mit der Kategorie G3 hat also nicht das Stadium 3 einer Niereninsuffizienz, sondern eine chronische Nierenerkrankung mit der GFR-Kategorie G3. Das mag spitzfindig klingen. Stadium 3 einer Niereninsuffizienz suggeriert aber, dass bei 5 Stadien das dritte Stadium schon eine weit fortgeschrittene Insuffizienz bedeutet. Dabei zeigt G3a erst eine milde bis moderate Verminderung an.

Außerdem kann ein Patient auch bei normaler glomerulärer Filtrationsrate eine Nierenkrankheit haben.

Mit freundlichen Grüßen

G. Schultze