Ältere Menschen leiden meist unter mehr als einer chronischen Erkrankung. Diese Multimorbidität umfasst alle Organsysteme, so auch das zentrale Nervensystem. Bei betagten Menschen verschiebt sich deshalb der Fokus sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie – dies deshalb, weil diese chronischen Erkrankungen auch bei symptomatisch erfolgreicher Therapie eine Restitutio ad integrum nicht erreichen können. So haben ältere Patienten auch meist eine anders priorisierte Zeit- und Zielperspektive. Therapeutisches Ziel für sie ist der Erhalt der Funktionalität und damit der Selbstständigkeit. Studiendaten zeigen, dass über 60 % der über 60-Jährigen mindestens eine chronische Krankheit haben, eine Zahl, die mit dem Alter stetig zunimmt. Jenseits des 80. Lebensjahrs sind es vorab zwei Domänen, die rapide an Bedeutung gewinnen: Probleme mit den Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) und kognitive Einbußen (diverse Demenzformen).

Jenseits des 80. Lebensjahrs gewinnen Probleme mit ADL sowie kognitive Einbußen rapide an Bedeutung

Fokus dieses Schwerpunkts sind die kognitiven Probleme älterer Menschen. Wir als Internisten sehen solche Krankheiten häufig als Teil der Multimorbidität. Das Spektrum der Beiträge in dieser Ausgabe von Der Internist ist bewusst breit gefächert. So beschreibt W. Hofmann in seinem Beitrag, wie häufige Demenzkrankheiten und internistische Komorbidität interagieren und eine speziell auf diese Patientengruppe ausgerichtete Diagnostik und Therapie verlangen – auch weil sich die Symptomatik bei betagten Menschen per se und erst recht bei vorliegender Demenz häufig atypisch präsentiert. J.W. Kraft fasst in seinem Beitrag die aktuell möglichen medikamentösen Therapien bei demenziellen Erkrankungen zusammen. Leider gibt es aktuell nur symptomatische Therapien für die Demenz vom Alzheimer-Typ. Verfügbare Medikamente verlangsamen aber deren Verlauf und verringern Verhaltensstörungen dementer Menschen, was in erster Linie für die betreuenden Angehörigen eine große Hilfe ist. Des Weiteren ist die vaskuläre Demenz – allein oder in Kombination mit einer Demenz vom Alzheimer-Typ – ebenfalls häufig und deren Prävention und Therapie primär internistisch.

Im Beitrag von K. Singler u. C. Thomas wird auf ein sehr häufiges Problem bei Patienten mit und ohne Demenz eingegangen, das Delir. In ihrem Beitrag beschreiben die Autorinnen, wie das Hospital Elder Life Program (HELP) in Modellprojekten mit einem multidisziplinären Team erfolgreich zur Delirprävention eingesetzt werden kann. R. Wirth (Geriater) u. R. Dziewas (Neurologe) beschreiben, wie prävalent oropharyngeale Dysphagien bei geriatrischen und neurologischen Patienten sind. Damit assoziierte Komplikationen wie Aspirationspneumonien, aber auch die Mangelernährung sind mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden. Die Autoren beschreiben eine sinnhafte und praktikable Diagnostik sowie vielfältige therapeutische Möglichkeiten. Diese beinhalten nebst der Konsistenzmodifikation der Nahrung auch logopädische Strategien und Stimulationstechniken. D. Volkert diskutiert nicht nur den hohen Prozentsatz demenziell erkrankter Menschen, die eine Fehl- und Mangelernährung zeigen, sondern auch die vielfältigen Optionen, diese Problematik anzugehen. Dabei zeigt sie auf, wie gerade die Nahrungsaufnahme ein wichtiger sozialer Akt ist und dass sich mit dem Fortschreiten der Demenz dieser Aspekt ständig verschiebt.

Die Herausforderungen, die durch Patienten mit kognitiv-neurologischen Problemen auf uns Internisten zukommen, sind erheblich. Da sie aber für die Betroffenen und ihre Angehörigen mit einem enormen Leidensdruck einhergehen und oft auch Grund für den Übertritt in eine Langzeitpflegeeinrichtung sind, gehört ihnen unsere volle Aufmerksamkeit. Dieser Schwerpunkt soll dazu beitragen.

Herzliche Grüße

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C. Sieber