Liebe Kolleginnen und Kollegen,

zum Abschluss des Jahres stellen wir in dieser Ausgabe von Der Internist wie gewohnt unter der Überschrift „Was ist gesichert in der Therapie?“ ein breites Spektrum von Themen aus der Inneren Medizin dar. Die einzelnen Beiträge behandeln sehr unterschiedliche Gebiete der Inneren Medizin von der Behandlung der eher seltenen chronischen Periaortitis (Ormond-Syndrom) bis hin zur aktuellen Therapie der in der Praxis häufig auftretenden tachykarden Herzrhythmusstörungen.

Die einzelnen Beiträge machen auch deutlich, wie unterschiedlich der Wissenstand für die Empfehlung von Therapiestrategien bezüglich verschiedener Erkrankungen ist. In den beiden Beiträgen zur Therapie der Hepatitis und des multiplen Myeloms werden die aktuellsten Entwicklungen auf diesen Gebieten dargestellt. Hier sind in den letzten Jahren neue Arzneimittel auf den Markt gekommen, die die Behandlung deutlich verändern. In anderen Beiträgen nehmen die Autoren kritisch Stellung zur existierenden Praxis, so etwa Prof. T. Lenz zur Therapie der Nierenarterienstenose. Hier ist die Diskrepanz zwischen den Erkenntnissen der publizierten prospektiven Studien von DRASTIC bis ASTRAL und dem praktischen klinischen Einsatz der Angioplastie bei Nierenarterienstenosen offensichtlich.

Trotz der Bemühungen, unsere therapeutischen Entscheidungen evidenzbasiert zu treffen, existieren bei der kritischen Diskussion der unterschiedlichen Krankheitsbilder unterschiedliche Ebenen der Evidenz. Auf manchen Gebieten liegen sorgfältig ausgearbeitete Leitlinien vor, die einen sehr differenzierten therapeutischen Ansatz in der Praxis erlauben, z. B. bei der Therapie tachykarder Herzrhythmusstörungen. Auch zur Therapie des multiplen Myeloms liegen prospektive, randomisierte Studien vor, die ein differenziertes, aber klar strukturiertes Therapiekonzept erlauben. Auf die meisten Bereiche der Inneren Medizin trifft dies jedoch nicht zu. Am Beispiel der Therapie der chronischen Periaortitis wird es deutlich. Hier haben wir eine eher seltene Erkrankung, bei der bereits die variable Nomenklatur – retroperitoneale Fibrose, Morbus Ormond, inflammatorisches Aortenaneurysma – darauf hinweist, dass die Pathogenese der Erkrankung noch nicht eindeutig verstanden ist. Wie häufig bei seltenen Erkrankungen liegen v. a. Beobachtungsstudien oder nur sehr kleine prospektive Studien zur Therapie vor. Umso wichtiger ist es, dass eine Therapieempfehlung auf persönlicher Kompetenz sowie der großen Erfahrung und Kenntnis vieler Patienten basiert. Prof. F. Moosig hat sich dieser Aufgabe mit großem Engagement und einer sehr differenzierten Darstellung angenommen.

Bei Nierenarterienstenosen wird entgegen der Studienlage häufig eine Dilatation durchgeführt

Wie bereits angemerkt, beziehen die Beiträge dieser Ausgabe auch Stellung zu kritischen Fragestellungen. Im Beitrag von Prof. T. Lenz zur Therapie der Nierenarterienstenose wird sehr ausführlich auf die existierende Datenlage eingegangen. Es ist offensichtlich, dass die bisher durchgeführten prospektiven, randomisierten Studien wenig Unterstützendes zur invasiven Therapie der Nierenarterienstenose beitragen. In der Praxis sieht dies jedoch ganz anders aus. Hier werden Patienten mit Nierenarterienstenose häufig einer Dilatation unterzogen. Die Argumente für einen solchen Eingriff reichen von der Therapie der Hypertonie bis zum Erhalt der Nierenfunktion. Das Beispiel der Nierenarterienstenose zeigt sehr deutlich, wie kompliziert eine therapeutische Entscheidung bei einzelnen Patienten auf der Grundlage existierender prospektiver, randomisierter Studien ist. Dieses Thema zieht sich durch alle Beiträge dieses Schwerpunkts.

Nicht zuletzt wollen wir Ihnen in den vorliegenden Beiträgen neue Behandlungsstrategien vorstellen, die in den letzten Jahren zur Therapie der einzelnen Krankheitsbilder erarbeitet wurden. Ein hervorragendes Beispiel ist die Therapie der Hepatitis. Hier sind zuletzt zahlreiche neue Medikamente eingeführt worden, die das Therapiekonzept dramatisch verändern. Prof. M.P.  Manns aus Hannover, einer der führenden Experten auf diesem Gebiet, ordnet diese Entwicklungen in die Therapiestrategien der Hepatitis ein.

In allen Beiträgen wird die Brücke von der zugrunde liegenden Pathophysiologie zum evidenzbasierten Einsatz der Medikamente und zur individuellen Therapieentscheidung geschlagen. Ich hoffe, dass die Beiträge nicht nur interessant zu lesen sind, sondern einen Gewinn für Ihre tägliche Praxis darstellen.

Mit den besten Wünschen

H. Haller