Die Zahl der Patienten, die aufgrund einer Depression oder anderer psychiatrischer Erkrankungen vorübergehend oder dauerhaft arbeitsunfähig werden und zum Teil frühberentet werden müssen, hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Dieser Trend, der aus den Statistiken der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger hervorgeht, ist auf den ersten Blick besorgniserregend. Zumindest teilweise dürfte dies jedoch auch Ausdruck der sehr wünschenswerten Entwicklung sein, dass mehr Erkrankte professionelle Hilfe suchen und dass Ärzte psychiatrische Erkrankungen besser erkennen, behandeln und, vermutlich am wichtigsten, korrekter benennen. Früher wurden z. B. Depressionen öfter hinter weniger negativ besetzten Ausweichdiagnosen wie:

  • chronischem Rückenschmerz,

  • Tinnitus,

  • Fibromyalgie,

  • Kopfschmerz und

  • „chronic fatigue“

versteckt. Mit „Burnout“ ist allerdings auch eine neue Ausweichdiagnose in Mode gekommen.

Psychische Erkrankungen können dazu führen, dass körperliche Beschwerden, die zuvor gut toleriert wurden, als unerträglich erlebt werden. Umgekehrt können internistische Erkrankungen als Auslöser für psychiatrische Erkrankungen fungieren. Aus diesem Grund ist es erforderlich, dass jeder internistisch tätige Arzt ausreichende Kenntnisse besitzt, um psychische Störungen zu erkennen und gegebenenfalls entsprechende Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen. Nicht immer ist allerdings die Grenze zwischen normalen psychologischen Reaktionen, z. B. auf schwere internistische Erkrankungen, und behandlungsbedürftigen psychiatrischen Erkrankungen leicht zu ziehen. Auch die Abgrenzung des sog. Burnout-Syndroms von klar definierten psychiatrischen Erkrankungen erfordert oft psychiatrische Expertise.

Jeder internistisch tätige Arzt sollte psychische Störungen erkennen können

Das Ziel unseres Schwerpunkthefts ist es daher, einen aktuellen Überblick über Anpassungsstörungen und einige psychische Erkrankungen zu geben und Eckpunkte der Symptomatik und Behandlung aufzuzeigen. Dazu haben die Autoren zentrale Themenkomplexe übersichtlich dargestellt, die unterschiedliche Aspekte seelischer Anpassungsstörungen und psychischer Erkrankungen in der Inneren Medizin abdecken.

So befasst sich der erste Beitrag von M. Strauß et al. mit der Problematik, die Symptomvariabilität von Anpassungsstörungen im Rahmen internistischer Erkrankungen darzustellen und die Abgrenzung gegenüber einer relevanten psychischen Erkrankung zu ermöglichen.

Der Beitrag von H.P. Kapfhammer widmet sich ausführlich der Burnout-Problematik und insbesondere der Frage, ob es sich dabei um eine eigenständige Erkrankung oder lediglich um ein Symptom handelt. Auch wird die Frage behandelt, wie ein Burnout-Syndrom von einer echten Depression im Sinne einer psychisch-psychiatrischen Erkrankung abgegrenzt werden kann.

Zu den häufigsten Formen psychischer Störungen gehören Angststörungen, die im Beitrag von F. Geiser et  al. auf prägnante Weise dargestellt werden.

Der Beitrag von P. Heußner u. W. Hiddemann widmet sich dem speziellen Problem seelischer Störungen im Rahmen von Krebserkrankungen. Die Autoren umreißen das Spektrum psychoonkologischer Symptome und psychischer Komorbiditäten sowie deren Behandlung.

Der abschließende Beitrag von J. Cordes et  al. fasst sehr übersichtlich den Einsatz von Psychopharmaka zusammen und zeigt insbesondere potenzielle Nebenwirkungen und Interaktionen bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen auf.

Wir hoffen, mit dem vorliegenden Schwerpunktheft von Der Internist einen aktuellen Überblick über das Spektrum psychischer Erkrankungen in der Inneren Medizin geben zu können und damit dem praktisch tätigen Internisten ein wichtiges Werkzeug für die tägliche Praxis an die Hand zu geben.

U. Hegerl

P. Heußner

W. Hiddemann