Das Konzept der gesundheitsbezogenen Lebensqualität („health-related quality of life“, HR-QOL) hat sich in den letzten Dekaden zunehmend in der klinischen Medizin etabliert. Für die breite Akzeptanz dieses Konzepts musste zunächst ein Verständnis dafür entstehen, dass die Sicht von Patient:innen und Ärzt:innen auf die Therapie, ihre Ziele und Ergebnisse durchaus unterschiedlich sein kann. Die Erkenntnis, dass dabei die Patient:innensicht eine signifikante Bedeutung hat, ist mittlerweile anerkannt. Zudem wächst die Erkenntnis, dass für die Erfassung des subjektiven Erlebens der Patient:innen validierte Messinstrumente erforderlich sind und diese reproduzierbare Resultate liefern. Heute werden diese Untersuchungen unter dem Begriff „patient-reported outcome measures“ (PROM) zusammengefasst und sollen den von Patient:innen subjektiv wahrgenommenen Gesundheitszustand im Verlauf oder nach einer Behandlung mess- und vergleichbar zu machen. Damit tragen sie entscheidend zur Qualitätsverbesserung und zu mehr Patientenorientierung im Gesundheitswesen bei.

Nachdem zunächst onkologische Erkrankungen im Fokus standen (ein Meilenstein war die Gründung der Quality of Life Group der European Organisation for Research and Treatment of Cancer, EORTC, im Jahr 1980), wurden in der HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie seit Mitte der 1990er-Jahre auch die Einflüsse anderer, z. B. chronisch entzündlicher Erkrankungen auf die HR-QOL untersucht.

Heutzutage existieren zahlreiche krankheitsspezifische Messinstrumente für die häufigen HNO-Krankheitsbilder

Zu Beginn wurden vorwiegend allgemeine (generische) Messinstrumente entwickelt (z. B. der EORTC QLQ C30 für onkologische Patienten, der SF-36 (Short Form 36) für jegliche Patientengruppe), anschließend verlagerte sich der Fokus auf die Entwicklung krankheitsspezifischer Instrumente. In der HNO-Heilkunde steht inzwischen eine Vielzahl krankheitsspezifischer Lebensqualitäts-Messinstrumente zur Verfügung.

Für den deutschen Sprachraum wurden in diesem Prozess zunächst häufig im englischen Sprachraum existierende Instrumente ins Deutsche übertragen und validiert, aber auch neue Messinstrumente auf Deutsch entwickelt, die zum Teil international Verbreitung gefunden haben.

Zum jetzigen Zeitpunkt existieren validierte Messinstrumente in deutscher Sprache für fast jede Fragestellung, wobei noch einige Neuentwicklungen und Übertragungen/Validierungen existierender Instrumente aus anderen Sprachen durchgeführt werden. In einzelnen Situationen (vor allem bei seltenen Erkrankungen) gibt es kein anwendbares validiertes Instrument, sodass dann andere Möglichkeiten der Erfassung des subjektiven Outcomes wie z. B. visuelle Analogskalen alternativ verwendet werden.

PROM werden als gleichwertige Messinstrumente in prospektiven Behandlungs- und Therapiestudien eingesetzt

Insgesamt ist ein Übergang von der Entwicklungs- in die Anwendungsphase zu beobachten, d. h., Instrumente zur Erfassung der HR-QOL werden zunehmend in klinischen prospektiven Studien eingesetzt, um neben dem klinisch messbaren auch das subjektive Outcome als gleichberechtigten Parameter der Ergebnismessung standardisiert zu erfassen. Klinische Studien ohne Erfassung des subjektiven Outcomes werden immer seltener.

Auch eine Erweiterung der Fragestellungen in weitere Bereiche hat stattgefunden. Medizinische Behandlungen im Alter werden nicht mehr nur unter lebenszeitverlängernden Aspekten, sondern auch in Bezug zur resultierenden Lebensqualität diskutiert. Lebenszeitverlängerungen werden gesundheitsökonomisch als QALY („quality-adjusted life years“) angegeben, wobei Lebensjahre in eingeschränkt verbrachter Lebensqualität nur anteilig als Behandlungserfolg angerechnet werden.

Das vorliegende „PROM-Heft“ der HNO publiziert neben spannenden Reviews zur HR-QOL bei Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren, Stimm- und Schluckstörungen, Riech- und Schmeckstörungen sowie chronischer Otitis media auch eine Auswahl aktueller Projekte zur Messung der HR-QOL und den Einbezug dieses Konzepts in die klinische Forschung. Die Arbeiten zur Langzeitzufriedenheit mit der Sprachprozessorversorgung von Cochleaimplantatpatient:innen und die Validierung eines im englischen Sprachraums bereits etablierten Messinstruments zur Anwendung bei Patient:innen mit chronischer Otitis media illustrieren die vielfältigen Möglichkeiten und Anwendungsgebiete der Lebensqualitätsforschung in der HNO-KHC zum Wohl unserer Patient:innen.

Wir danken allen Autor:innen herzlich für ihre Beiträge und hoffen, dass diese Ausgabe der HNO einen stimulierenden Beitrag zur Lebensqualitätsforschung in der deutschsprachigen HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie leisten wird.