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Liebe Leserinnen und Leser,

sicher haben Sie es schon – in der einen oder anderen Form – erwartet: ein Leitthemenheft zu COVID-19.

Das Coronavirus SARS-CoV‑2 hat seinen Einfluss auf alle unsere Lebensbereiche geltend gemacht

Da die HNO sich mit den monatlichen Ausgaben i. d. R. speziellen Leitthemen widmet, war es nur eine Frage der Zeit, dass auch mit der COVID-19-Pandemie verknüpfte Aspekte zum Leitthema eines Hefts werden. Das Coronavirus SARS-CoV‑2 hat seinen Einfluss auf alle unsere Lebensbereiche geltend gemacht. Für uns als Ärzt*innen betrifft dies neben der Infektionskrankheit an sich auch Aspekte der Krankenversorgung i. Allg., Aspekte von Wissenschaft und Forschung sowie der medizinischen Aus‑, Fort- und Weiterbildung. Das aktuelle Leitthemenheft widmet sich daher diesen verschiedenen Bereichen.

Herzog et al. geben eine Übersicht über die Auswirkungen auf die Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, eine Einschätzung des besonderen Infektionsrisikos für HNO-Ärzt*innen sowie Maßnahmen zur Aerosoleindämmung und Empfehlungen zum Schutz vor Infektionen bei bestimmten HNO-ärztlichen Tätigkeiten. Ein besonderes Risiko stellt hier natürlich die Tröpfchenexposition bei der Tracheotomie dar, ein Thema, welches von Plettenberg et al. anhand einer Fallanalyse und entsprechender Konsequenzen und Schlussfolgerungen analysiert wird.

In einer zweiten Arbeit untersuchten Herzog et al. im Rahmen einer Langzeiterhebung unter HNO-Ärzt*innen die Unterschiede zwischen der ersten und zweiten Pandemiewelle und schlussfolgern, dass unter konsequenter Beachtung der empfohlenen Maßnahmen eine weitgehende Rückkehr zur Regeltätigkeit möglich ist.

Durch die hochgradige Einschränkung von Präsenzveranstaltungen und Kontaktbeschränkungen während der COVID-19-Pandemie sah sich die medizinische Lehre an den Universitäten erheblichen Herausforderungen gegenübergestellt. Dies wird in den Artikeln von van Bonn et al. sowie Stöver et al. thematisiert. In letzterem Artikel geht es auch um den durchaus variablen Einfluss der Pandemie auf die medizinische Forschung an den Universitäten, wo sich sowohl negative als auch positive Effekte der veränderten Klinikorganisation auf die Ressourcen für die Forschung an den Universitäts-HNO-Kliniken zeigten. Den Sinnesorganen widmen sich die Artikel zum Riechen von Dörig et al. sowie – wiederum COVID-19-assoziiert – zum akuten Hörverlust von Gerstacker et al.

Bei Studien und Publikationen wurden eventuell die üblichen wissenschaftlichen Standards nicht immer angesetzt

Durch die zahlreichen Fragestellungen, welche im Rahmen der COVID-19-Pandemie auftraten, und aufgrund des Bedürfnisses, diese in kürzester Zeit mit wissenschaftlichen Untersuchungen zu beantworten, bestand die reale Gefahr, dass hier übliche wissenschaftliche Standards nicht immer in dem Maße angesetzt wurden, die ansonsten beim Studiendesign, bei der Durchführung und bei der Publikation angestrebt werden. Der dadurch entstandenen Gefahr für möglicherweise falsche Schlussfolgerungen für die klinische Praxis widmet sich die Arbeit von Klimek et al. mit der Stellungnahme zum Einsatz von topischem Budesonid bei SARS-CoV-2-Infektion. In diesem Positionspapier des Ärzteverbands deutscher Allergologen und der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie setzen sich die Autoren sehr kritisch mit einer wissenschaftlichen Untersuchung auseinander, die zu teils falschem Verhalten von Menschen führen kann oder geführt hat. Die von den Autoren kritisch analysierte Arbeit erschien in dem renommierten Fachblatt The Lancet Respiratory Medicine. Es stellt die Hypothese auf, dass die frühzeitige Verabreichung von inhalativen Glukokortikosteroiden die Wahrscheinlichkeit reduziert, dass eine dringende medizinische Versorgung benötigt wird, und die Zeit bis zur Genesung verkürzt. Die Autoren des Positionspapiers äußern sich hier klar und mahnen zur vorsichtigen Interpretation der in dem besprochenen Artikel vorgelegten Daten. Sie zeigen eindrücklich, dass die kritische Lektüre wissenschaftlicher Literatur und ihre Betrachtung im Gesamtkontext verschiedener zu einem Thema veröffentlichter Studien wichtig sind.

Auch wenn wir hoffen, dass die COVID-19-Pandemie bald der Vergangenheit angehört und die Auswirkungen auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens und unsere berufliche Tätigkeit bald nur noch wenig zu spüren sind, wünsche ich Ihnen bei der Lektüre der Artikel in diesem Heft viele interessante Erkenntnisse zu einem der präsentesten Themen der letzten anderthalb Jahre.

Ihr Stefan Plontke

Univ.-Prof. Dr. med. Stefan K. Plontke

Schriftleiter HNO