Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der 89. Jahreskongress steht unter Motto „FORSCHUNG HEUTE – ZUKUNFT MORGEN“. Inhaltlich versucht der Kongress in den Referaten und durch die eingeladenen Sprecher, speziell die des International Forum, aber auch der einzelnen Arbeitsgemeinschaften, die Themen im Detail zu beleuchten, die in den nächsten Jahren das Potenzial haben, die Versorgung unserer Patienten grundlegend zu verändern.

Es sind Themen aus ganz unterschiedlichen grundlagenwissenschaftlichen und vielen klinischen Themenkreisen, die sich auf viele Bereiche der gesamten HNO-Heilkunde erstrecken.

Ein unverändert großes Problem stellt die unverändert limitierte Überlebenschance der Patienten mit Kopf-Hals-Karzinom dar. Trotz der Erweiterung der Chirurgie um diverse rekonstruktive Verfahren wie auch die Erweiterung der strahlentherapeutischen Maßnahmen bleibt die Prognose und Überlebensrate der Patienten in den fortgeschrittenen Erkrankungsstadien schlecht. Daher greifen die Referate die Entwicklungen im Bereich der Onkologie auf. Es geht um die Charakterisierung des „zweiten Kopf-Hals-Karzinoms“, das durch humane Papillomaviren (HPV) initiiert wird und sich molekular, biologisch, immunologisch und damit wahrscheinlich in Zukunft auch therapeutisch vom durch klassische Noxen induzierten Kopf-Hals-Karzinom unterscheidet. Hierbei kommt das hochaktuelle Gebiet der Immuntherapie gerade zum richtigen Zeitpunkt. Durch eine Vielzahl von Antikörpern, die gerade ihren Übergang aus Studien in die klinische Routine finden, gelingt es, die Zellen der körpereigenen Immunantwort gegen Krebszellen zu aktivieren. Die aktuelle klinische Datenlage weist für bestimmte Patienten einen merklichen Überlebensvorteil aus.

Durch die rechnerische Verarbeitung vielfacher Datensätze lassen sich krankheitsspezifische Muster entwickeln

Der Einzug der „big data“ in die Medizin wird sowohl im Bereich der Individualisierung von therapeutischen Entscheidungen wichtig werden als z. B. auch ganz praxisorientiert die radiologische Genauigkeit von Befunden verändern. Durch die rechnerische Verarbeitung vielfacher Datensätze lassen sich krankheitsspezifische Muster entwickeln, die die Genauigkeit der Voraussage erheblich verbessern werden. Zukunftsorientiert sind „big data“ auch in der robotergestützten Chirurgie, denn neben der „zitterfreien“ Hand mit erheblich verbesserten Freiheitsgraden spielen mathematische Algorithmen und Einbringen von Erfahrungsdatensätzen eine große Rolle. Auch die Entwicklung der minimal-invasiven Chirurgie durch morbiditätssparende Zugangswege, z. B. durch den äußeren Gehörgang oder an der Schädelbasis, sind Kernthemen des Kongresses.

Mehr aus dem molekularen Verständnis speist sich die Zukunft der regenerativen Medizin und des Hörens. Je mehr Erkenntnisse aus dem Miteinander und den Signalwegen der jeweiligen Zellen bestehen, desto eher lassen sich für den Menschen translationale Anwendungen denken, welche die Lebensqualität wiederherstellen. Die trifft insbesondere bei Schädigungen zu, die durch den Ausfall von Organfunktionen entstanden sind.

Angesichts der Verdichtung der Arbeitsbelastung bedarf es neuer Strategien für Forschung im Arbeitsalltag

Durch neuartige therapeutische Verfahren wird den Patienten eine geringere Morbidität der Therapie ermöglicht. Dieser Trend findet sich ganz stark in der Entwicklung der Immuntherapie für die chronischen Rhinitiden. An die Stelle oftmals nur kurzfristig wirksamer operativer Verfahren treten die antikörpergestützten Therapiemaßnahmen, welche die zugrunde liegende Entzündung eindämmen helfen. In diesem Kontext wird auch die in letzter Zeit so häufig diskutierte große Unbekannte beleuchtet: das Mikrobiom des Menschen. Jeder menschliche Körper wird von mehr Bakterien begleitet, als er körpereigene Zellen aufweist.

Klinische Entwicklungen benötigen einen durch Zeit und Ressourcen gestützten Raum. Angesichts der erheblichen Verdichtung der klinischen Arbeitsbelastung bedarf es der Implementierung neuer Strategien, wie die klinische oder grundlagenwissenschaftliche Forschung im regulären Arbeitsalltag noch stattfinden kann. Das in Deutschland einzigartige Gut der translationalen Forschung muss durch erkennbare Strukturen und auskömmliche Finanzierung besser gefördert und verankert werden. Faszination an der Forschung und Innovation stellen ein hohes Gut dar, das wir der nachfolgenden Generation im Sinne unserer Patienten ermöglichen sollten. Die Innovation innerhalb eines Fachs wirkt maßgeblich auf seine Zukunftsfähigkeit. Fachspezifische Traditionen, die diese Erneuerung blockieren, wollen wohl durchdacht sein und müssen zeitnah geändert werden.

Willkommen zu

FORSCHUNG HEUTE – ZUKUNFT MORGEN

Ihre

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Prof. Dr. Barbara Wollenberg