Zusammenfassung
Hintergrund
Da sich die Indikation für eine CI-Versorgung erweitert hat („Single-Sided Deafness“ [SSD], elektrisch akustische Stimulation [EAS], bilaterale Versorgung, Versorgung bei sehr langer Taubheit) und daher zunehmend mehr Patienten für eine solche Versorgung infrage kommen, kommt es auch immer öfter zu Auseinandersetzungen mit den Kostenträgern hinsichtlich der Frage, ob die Kosten für die Operation und die Nachsorgekosten durch die Krankenversicherungen getragen werden müssen.
Zielsetzung/Fragestellung
Dieser Artikel gibt einen Überblick über Urteile der deutschen Sozialgerichte. Es wurde untersucht, ob und in welchen Fällen es für den einzelnen Patienten empfehlenswert ist, den Klageweg zu beschreiten, und mit welcher Verfahrensdauer gerechnet werden muss.
Material und Methoden
Ausgewertet wurden die beiden größten kommerziellen juristischen Datenbanken sowie die durch die Sozialgerichtsbarkeit veröffentlichten Urteile. Als Suchparameter dienten verschiedene Kombinationen aus den Begriffen „Cochlear“, „Cochlea“, „Implant“ und „Implantat“. Drei Entscheidungen wurden durch direkte Anforderung beim entscheidenden Gericht erlangt, eine weitere in einem Artikel aufgeführt. Die besprochenen Entscheidungen ergingen im Zeitraum 2003 bis 2017.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 12 Entscheidungen gefunden. Die Hauptsacheentscheidungen gingen bis auf einen Fall alle zugunsten der Patienten aus. Bei dem Verfahren, in dem die Klägerin nicht Recht bekam, handelte es sich um einen Ausnahmesachverhalt. Ein Kläger unterlag zwar im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz, in der Hauptsache erkannte die Krankenversicherung seinen Anspruch auf eine CI-Versorgung jedoch an. Die Verfahren dauerten zwischen 1;8 Jahren und 9;5 Jahren.
Schlussfolgerung
Trotz des zeitlichen Aufwands lohnt sich die Beschreitung des Rechtswegs. Das grundsätzlich kostenfreie sozialgerichtliche Verfahren führt in den meisten Fällen dazu, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen zur Tragung der Kosten für ein CI verpflichtet werden.
Abstract
Background
Since the indication for receiving a cochlear implant (CI) has widened (single-sided deafness [SSD], electric acoustic stimulation [EAS], bilateral CI, CI for long-term deafness), more and more patients come into consideration for such a treatment. Hence, disputes increasingly arise between patients and their insurance companies concerning the question of whether surgery and follow-up treatment have to be paid for by statutory health insurance.
Objective
This work provides an overview of judgments rendered by the German social courts. We investigated whether and in which cases it is advisable for a patient to go to court, and how long the proceedings may take.
Materials and methods
We looked for judgments in the two biggest commercial legal databases and in the database of the German social courts, using combinations of the search parameters “Cochlear,” “Cochlea,” “Implant,” and “Implantat.” Three verdicts were attained by directly contacting the court; another one was mentioned in an article. The reviewed judgements were issued between 2003 and 2017.
Results
A total of 12 judgments were found. The patients won in all but one of the main proceedings. The case that was lost concerned exceptional circumstances. One patient didn’t get the desired interim measure, but won in the main proceedings. The proceedings took between 1 year and 8 months, and 9 years and 5 months.
Conclusion
Despite the amount of time the patient has to invest, taking legal action is worthwhile. The proceedings at the social courts are generally exempt from charges. In most cases, the statutory health insurance is ordered to pay for a CI.
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Danksagung
Die vorliegende Arbeit ist Teil zur Erlangung des Dr. rer. biol. hum. von Frau Anna Lottner an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Unser besonderer Dank gilt Herrn Uwe Knüpfer, dem Chefredakteur der Zeitschrift Schnecke, Frau Margit Gamberoni von der Selbsthilfegruppe OhrRing Bamberg, Herrn Dieter Schaal, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Hörbehinderten Selbsthilfe e. V., Frau Barbara Gängler von der Deutschen Cochlea Implantat Gesellschaft e. V., sowie den Rechtsanwälten Bernhard Kochs und Oliver Penninger aus München.
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A. Lottner, H. Iro, A. Schützenberger und U. Hoppe geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.
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Lottner, A., Iro, H., Schützenberger, A. et al. Das Cochleaimplantat in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung. HNO 66, 135–143 (2018). https://doi.org/10.1007/s00106-017-0445-6
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