Das Cochleaimplantat (CI) ist die erste elektrische Reizprothese zum funktionellen Ersatz eines Sinnesorgans. Seit den ersten klinischen Versuchen Anfang der 1970er-Jahre hat es sich als Therapie der Wahl bei angeborener und erworbener Innenohrtaubheit etabliert. Weltweit sind bisher etwa 500.000 Patienten implantiert – bei rasch steigender Zahl. Dennoch ist erst ein kleiner Teil aller Kandidaten mit einem CI versorgt.

Das vorliegende Themenheft stellt in dieser und der Juli-Ausgabe der Zeitschrift HNO in mehreren Expertenbeiträgen die Grundlagen sowie den heutigen Stand der Versorgung mit einem CI dar. Dabei werden die heute erreichte Qualität und der hohe Standard deutlich. Nur das lückenlose Ineinandergreifen der einzelnen Module garantiert den Rehabilitationserfolg, der über das eigentliche Hören weit hinausgeht. So kann zu Recht von einer lebensverändernden Maßnahme gesprochen werden.

Dieser Erfolg ist nicht zuletzt den erzielten technologischen Fortschritten geschuldet. Heute können etwa 70 % der Patienten mit erworbener Taubheit mithilfe des CI telefonieren, und Kinder mit angeborener Taubheit entwickeln bei rechtzeitiger Versorgung ein normales Sprachvermögen. Damit sind für viele Betroffene der Besuch einer Regelschule und die Integration in das Berufsleben möglich (s. Beitrag Illg im 2. Teil des Themenheftes).

Die technischen Grundlagen des CI werden im Beitrag von A. Büchner in diesem Heft dargestellt. Das Grundprinzip besteht in der elektrischen Stimulation des Hörnervs, um damit den möglichst vollständigen Funktionsersatz der inneren Haarzellen zu erreichen. Durch technische Nachbildung des Hörvorgangs soll durch das bionische Ohr ein möglichst physiologisches Erregungsmuster im Hörnerv und damit ein gutes Hörvermögen, v. a. Sprachverstehen, erreicht werden. Durch Fortschritte der Mikroelektronik und der Signalverarbeitung konnten hier erhebliche Verbesserungen in den letzten Jahrzehnten erzielt werden. Einen wesentlichen Grund für das eingeschränkte Sprachverstehen im Störgeräusch sowie beim Musikhören stellen die heutigen Elektrodensysteme dar. Aufgrund der geringen Anzahl von Reizkontakten und durch die distante Position zu den Spiralganglienzellen des Hörnervs mit schlechter Kanaltrennung weist die Elektroden-Nerven-Schnittstelle eine limitierte Informationsübertragungskapazität auf.

Im Artikel von A. Kral werden die Pathophysiologie der Taubheit und die neurophysiologischen Grundlagen der Hörrehabilitation mit dem CI dargestellt. Trotz der durch Degeneration verminderten Zahl von Spiralganglienzellen und der durch akustische Deprivation veränderten zentral-auditorischen Verarbeitung ist das auditorische System in der Lage, aus der reduzierten Information die für das Sprachverstehen essenziellen Anteile zu extrahieren und mit Einschränkung auch das Hören von Musik zu ermöglichen. Bei Kindern kommt es zu einer Entwicklung des Hörsystems, wenn auch mit Defiziten.

Die Indikationen für das CI haben sich stetig erweitert, u. a. auf Patienten mit Restgehör, Hochtontaubheit und einseitige Taubheit. Voraussetzung für eine erfolgreiche Hörrehabilitation ist eine adäquate präoperative Diagnostik, die im Beitrag von W. Shehata-Dieler dargestellt wird. Sie umfasst neben der subjektiven und objektiven Audiometrie die Funktionsprüfung des Hörnervs und eine hochauflösende Bildgebung zur Darstellung von Innenohr, Hörnerv und Hörbahn.

Der Erfolg des CI hängt u. a. von einer sicheren und standardisierten Operationstechnik mit niedriger Komplikationsrate ab, die das Ergebnis umfangreicher klinischer Erfahrung ist. Sie muss sowohl für Erwachsene wie Kinder anwendbar sein. Spezielle Techniken sind erforderlich für Fälle mit Missbildungen und Obliterationen der Cochlea, der Reimplantation und zur Beherrschung von Komplikationen. Von hoher Bedeutung ist der Erhalt des Restgehörs u. a. für das elektroakustische Hören mit Hybridsystemen. Durch Berücksichtigung patientenspezifischer Faktoren wie Anatomie der Cochlea, Restgehör, Ursache und dem zeitlichen Verlauf des Hörverlusts kann bereits heute das Konzept einer individualisierten Cochleaimplantation mit geeigneter Elektrodenauswahl verfolgt werden („precision medicine“). Wie die Therapie und Hörrehabilitation intralabyrinthärer Schwannome mittels CI erfolgte, untersuchte A. Aschendorff retrospektiv an einer Fallserie.

Die intra- und postoperative elektrophysiologische Diagnostik ist ein wesentlicher Pfeiler zur Überprüfung der Implantatfunktion, der Reizantworten des Hörnervs und der darauf aufbauenden Implantateinstellung mit objektiven Parametern. Ebenso können Reifungsvorgänge der Hörbahn nach Implantation überwacht werden (s. Beitrag von T. Wesarg).

Für den individuellen Hörerfolg mit entscheidend ist die optimierte postoperative Anpassung, deren Grundlagen U. Hoppe in der Juli-Ausgabe erläutert. Spezielle Verfahren und entsprechende Erfahrungen sind bei Kindern erforderlich. Hier ist die unmittelbare Interaktion mit dem Therapeuten von besonderer Bedeutung.

Das Hören mit einem CI muss gelernt werden. Bei Erwachsenen kann auf die Hörerinnerung aufgebaut werden. Kinder müssen das Hören als eine neue Sinneserfahrung in ihren Erfahrungsraum einbauen, damit der Hör-Sprach-Erwerb gelingt. A. Illg geht im 2. Teil des Themenheftes auf die speziellen Rehabilitationskonzepte ein und stellt die Hörergebnisse dar.

Die bilaterale CI-Versorgung hat zu einer wesentlichen Verbesserung des Richtungshörens und des Sprachverstehens im Störgeräusch geführt. Bei Kindern kann eine erhebliche Beschleunigung der Hör-Sprach-Entwicklung beobachtet werden, wie J. Müller im 2. Teil beschreibt.

Die einseitige Taubheit sowie das asymmetrische Hörvermögen stellen erst seit Kurzem eine Indikation für eine Cochleaimplantation dar. Dadurch können das Richtungshören und das Sprachverstehen im Störgeräusch deutlich verbessert werden, wie S. Arndt und R. Laszig in der Juli-Ausgabe ausführen.

Zukünftige Entwicklungen im CI-Bereich werden neben der weiteren technischen Entwicklung mit verbesserten selektiven Reizelektroden v. a. durch den Einsatz biologischer Therapien gekennzeichnet sein. A. Römer stellt das Potenzial von lokaler Pharmakotherapie, Gentransfer und Stammzelltransplantation zur Verbesserung des neuralen Teils der Elektroden-Nerven-Schnittstelle und zur Erhaltung des Restgehörs im 2. Teil des Themenheftes dar.

Die Hörrehabilitation mit einem CI ist heute fest etabliert. Sie ist eine interdisziplinäre Teamleistung in einem spezialisierten Zentrum. Nur so können die Qualität der Versorgung und gute Hörergebnisse dauerhaft gesichert werden, wie es in der Leitlinie zur CI-Versorgung beschrieben ist. Die Implantation heute bedingt die lebenslange Nachsorge von morgen. Dieser Verantwortung müssen sich die in der CI-Versorgung tätigen Ärzte, Audiologen und Therapeuten bewusst sein.

figure b

Thomas Lenarz