Im Folgenden werden zunächst die gesundheitsbezogenen und soziodemographischen Angaben im HÖRSTAT-Fragebogen, die Ergebnisse der Nonresponder-Befragung und die Prävalenz von Schwerhörigkeit nach WHO-Klassifikation beschrieben. Daran anschließend folgen eine Analyse der Einflussfaktoren, die Abschätzung der Gesamtprävalenz und ein Vergleich mit internationalen Untersuchungen.
HÖRSTAT-Fragebogen
In Tab. 2 und Tab. 3 sind die Ergebnisse aus den Befragungen der Studienteilnehmer dargestellt. Rund 90 % der Probanden gaben einen ausgezeichneten bis guten allgemeinen Gesundheitszustand an. Sehschwäche ist in allen Altersgruppen die am häufigsten angegebene Beeinträchtigung. Mit zunehmendem Alter wurde vermehrt von Hörschwierigkeiten, Sehschwäche, hohem Blutdruck und Rückenproblemen berichtet. Als Ursachen für Hörschwierigkeiten (26 %) wurden krankheitsbedingte Gründe (Ohroperationen, Infektionskrankheiten, Medikamenteneinnahme, Schädelverletzung), Lärm (Knall oder Explosion, Schießübungen, Musikveranstaltung), andere oder unbekannte Ursachen angegeben.
Insgesamt konnten sich 37 % der Teilnehmer an mindestens eine Mittelohrentzündung erinnern, bei mit dem Alter abnehmendem Anteil. Ab dem mittleren Erwachsenenalter betrug die Angabe eines Hörsturzes gleichbleibend etwa 11 %. Rund 6 % der Teilnehmer berichteten von Ohroperationen. 13 % der Probanden gaben Ohrgeräusche an, die wöchentlich oder täglich auftreten und über mehrere Stunden anhalten oder immer vorhanden sind. Auf einer Skala von 0 (stört überhaupt nicht) bis 100 (stört außerordentlich stark) stuften 72 % dieser Probanden den Grad der Belästigung geringer als 50 ein; 8 % sahen sich mit einem Skalenwert von über 70 stark belästigt. Hörgeräteträger waren mit etwa 7 % unter den Studienteilnehmern vertreten.
Tab. 2 Gesundheitsbezogene Angaben im HÖRSTAT-Fragebogen. Angaben in Prozent (n = 1866) Bei den Studienteilnehmern sind höhere Bildungsabschlüsse im Vergleich zur bundesweiten Verteilung überrepräsentiert. Nach eigenen Angaben erreichten 50 % der Studienteilnehmer die fachgebundene oder allgemeine Hochschulreife und 31 % einen Abschluss an einer Universität oder Fachhochschule. Im Bundesgebiet verfügen nur 27 bzw. 14 % der Bürger (ab 15 Jahre) über entsprechende Bildungsabschlüsse [11]. Die überproportionale Beteiligung von Erwachsenen mit Hochschulreife ist in allen Alterskohorten nachweisbar, aber insbesondere in den jüngeren Altersgruppen sowie in der Oldenburger Stichprobe bis in höhere Jahrgänge stark ausgeprägt. Die Berufsangaben wurden nach der Systematik der Agentur für Arbeit [5] klassifiziert.
Mit der Überrepräsentation hoher Bildungsabschlüsse ist eine Unterrepräsentation der Berufstätigkeit insbesondere im produktiven Sektor verbunden. Mit jeweils etwa 1/4 sind oder waren die meisten Studienteilnehmer in Berufen mit Büroarbeit oder in Sozial-, Lehr- und Gesundheitsberufen tätig. Die Frage nach Berufslärm verneinten 68 % der Studienteilnehmer, 17 % dagegen gaben eine berufliche Lärmbelastung von mehr als 15 h pro Woche an.
Tab. 3 Soziodemographische Angaben im HÖRSTAT-Fragebogen in Prozent (n = 1866) Befragung der Nichtteilnehmer
Die Tab. 4 gibt eine altersabhängige Übersicht der Ergebnisse aus der Nonresponder-Befragung. Von den kontaktierten Personen wurden vor allem zeitliche Gründe und andere Gründe für die Nichtteilnahme angegeben. Bei Nachfrage räumten insgesamt 21 % mögliche Hörprobleme ein, wenn alle Antworten bei Ausnahme der expliziten Verneinung einbezogen werden. Bei den Studienteilnehmern (s. “Hörschwierigkeiten“ in Tab. 2) berichteten dagegen 26 % von subjektiven Hörschwierigkeiten.
Signifikante Unterschiede zwischen Studienteilnehmern und Nonrespondern sind in den Dekaden 40–49 Jahre für beide Geschlechter, 50–59 Jahre für Männer und 70–79 Jahre für Frauen nachzuweisen. Die Geschlechtsverteilung in der Nonresponder-Gruppe (46 % Männer) entspricht etwa derjenigen in der Studiengruppe. In beiden Gruppen bejahten Männer die Frage nach Hörschwierigkeiten mit OR 1,4 bzw. OR 1,5 etwas häufiger als Frauen (OR 1), allerdings erwies sich der Anteilsunterschied in keiner Altersdekade als signifikant. Ein signifikanter Zusammenhang mit dem Wohnort ist nicht nachweisbar.
Tab. 4 Ergebnisse der Nonresponder-Befragung Wellenanalyse
Die Frage, ob sich Nonresponder und Responder hinsichtlich des Tonhörvermögens systematisch unterscheiden, wurde in einer einfachen Form der Wellenanalyse untersucht. Spontan reagierten 57,9 % der Studienteilnehmer auf das Einladungsschreiben und nahmen Kontakt mit dem Studienzentrum für eine Terminvereinbarung auf (Kontaktstufe 1: spontane Responder). Dagegen reagierten 38,3 % der Studienteilnehmer nicht von sich auf das Einladungsschreiben und ggf. die schriftliche Erinnerung, sondern wurden durch das Studienzentrum in der Regel zusätzlich telefonisch kontaktiert und im Gespräch für die Studienteilnahme gewonnen (Kontaktstufe 2: späte Responder). Diese persönliche Kontaktierung fand frühestens 10–14 Tage nach Versand der Schreiben statt, zu einem Zeitpunkt, an dem nach der Erfahrung aus der Feldarbeit nur noch in Ausnahmefällen eine Kontaktaufnahme seitens der Eingeladenen zu erwarten war. Für 3,8 % der Studienteilnehmer kann die Kontaktstufe nicht gültig entschieden werden.
Mit 27,9 % gaben die spontanen Responder häufiger Hörschwierigkeiten an als die späten Responder mit 23,1 %. Die dekadische Altersverteilung beider Gruppen unterscheidet sich nicht signifikant (KW, χ2(1, 1796) = 2,908; p = 0,088). Die mit erhöhtem Aufwand rekrutierten späten Responder können, wird eine stetige Verteilung der Teilnahmemotivation unter den Studienteilnehmern vorausgesetzt, den Nonrespondern als ähnlicher angenommen werden als die stärker motivierten spontanen Responder [18]. Ein Gruppenvergleich gibt somit einen Hinweis, ob eine systematische Verzerrung in der Studienpopulation vorliegt, die zu einer signifikanten Über- oder Unterschätzung des mittleren Hörverlusts in der Studie führen kann. Spontane und späte Responder sind bei Berücksichtigung von Alter und Geschlecht ähnlich häufig schwerhörig (Kontaktstufe 1: OR 1, Kontaktstufe 2: OR 0,9) und unterscheiden sich nicht signifikant im PTA-4 des besseren Ohrs, weder Männer (KW altersstandardisiert: χ2(1, 815) = 0,045; p = 0,833) noch Frauen (KW altersstandardisiert: χ2(1, 981) = 0,189; p = 0,664).
Prävalenz nach Alter, Geschlecht und Wohnort
Die beobachtete Prävalenz für Schwerhörigkeit in der Teilnehmergruppe (18–97 Jahre) nach dem WHO-Kriterium beträgt 15,7 % (95 %-KI: 14,0–17,4 %). Der Anteil derjenigen, die von Schwerhörigkeit betroffen sind, nimmt wie zu erwarten mit dem Alter zu (Abb. 1). Die Tab. 5 weist die beobachtete Prävalenz getrennt nach Altersdekaden, Geschlecht und Wohnort aus. Bis zum Alter von 50 Jahren sind keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen zu beobachten. Ab diesem mittleren Alter jedoch unterscheidet sich jede Altersdekade in der Prävalenz jeweils signifikant von der voraus- und der nachfolgenden Dekade. Unter den 50- bis 59-Jährigen sind knapp 7 % als schwerhörig zu klassifizieren, 20 % unter den 60- bis 69-Jährigen. In der folgenden Dekade der 70- bis 79-Jährigen liegt der Anteil mit 42 % etwa doppelt so hoch. 72 % der Probanden im Alter von 80 Jahren und darüber sind bei Betrachtung des besser hörenden Ohrs schwerhörig.
Zum Vergleich ist in Tab. 5 auch der beobachtete Anteil von Schwerhörigen nach Maßgabe des schlechteren Ohrs aufgenommen, der in den Altersgruppen ab 60 Jahren rund 10–15 % über der Prävalenz von Schwerhörigkeit nach Maßgabe des besseren Ohrs liegt. Der Anstieg der Prävalenz geht mit einem Anstieg mittel- und hochgradig ausgeprägter Schwerhörigkeit einher. Mittel- und hochgradige Schwerhörigkeit betrifft weniger als 3 % der 60- bis 69-jährigen Probanden, aber 14 % der 70- bis 79-Jährigen. Bei den über 80 Jahre alten Probanden waren mittel- und hochgradige Schwerhörigkeiten (36 %) ähnlich häufig zu beobachten wie eine geringgradig ausgeprägte Schwerhörigkeit (35 %).
Tab. 5 Prävalenz von Schwerhörigkeit in Oldenburg und Emden in Prozent, n = 1866 Die Abb. 2 zeigt die Prävalenz und die graduelle Ausprägung von Schwerhörigkeit getrennt nach Wohnort und Geschlecht. Männer sind mit rund 18 % insgesamt etwas häufiger von Schwerhörigkeit betroffen als Frauen (14 %). Beim Vergleich der Wohnorte zeigt sich eine höhere Prävalenz von Schwerhörigkeit in Emden (19,5 %) gegenüber Oldenburg (14 %) für beide Geschlechter (Tab. 5). Der PTA-4 der 1866 Probanden ist nach Wohnort, Geschlecht und Alter in Tab. 6 zusammengestellt.
Tab. 6 PTA-4 in Oldenburg und Emden, nach Geschlechtern getrennt, in dB HL (Mittelwerte), n = 1866 Risikofaktoren
Der Einfluss der Faktoren Wohnort, Geschlecht, Schulabschluss und berufliche Lärmbelastung auf die Prävalenz von Schwerhörigkeit bzw. den mittleren Hörverlust wurde mit einer logistischen Regression (Tab. 7) und einer ANOVA untersucht. Wie erwartet ist das Lebensalter als bedeutendster Risikofaktor zu erkennen. Sowohl die altersadjustierten einfachen OR wie das multivariate Modell identifizieren darüber hinaus den Wohnort, den höchsten erreichten Schulabschluss und Berufslärm als signifikante Prädiktoren für Schwerhörigkeit in der Studiengruppe. Sie erhöhen die Varianzaufklärung im multivariaten Modell von rund 42 % (Zugehörigkeit zu einer Altersdekade) um knapp 3 auf rund 45 %, wobei die Faktoren Wohnort und Geschlecht keinen substanziellen Beitrag leisten.
Tab. 7 Altersadjustierte einfache und multivariate OR für Schwerhörigkeit nach WHO-Klassifikation Die mehrfaktorielle ANOVA der altersstandardisierten PTA-4-Daten ergab für die Faktoren höchster erreichter Schulabschluss (p < 0,001) und Wohnort (p = 0,024) signifikante Haupteffekte. Für die selbst angegebene berufliche Lärmbelastung (p = 0,05) und die Geschlechtszugehörigkeit (p = 0,514) waren keine signifikanten Effekte auf die altersstandardisierten PTA-4-Werte nachweisbar. Eine signifikante Faktorwechselwirkung zeigte sich für Wohnort, Geschlecht, Lärmbelastung (p = 0,018) sowie für Wohnort, Geschlecht, Lärmbelastung und Schulabschluss (p = 0,028).
Wohnort
Der Einfluss des Wohnorts auf den PTA-4 wurde in Altersdekaden zwischen 18 und 79 Jahren weiter untersucht. Kruskal-Wallis-Tests zeigten signifikante Unterschiede im PTA-4 zwischen Oldenburger und Emder Probanden bei den 50- bis 59-Jährigen (KW, χ2(1, n = 349) = 3,93; p = 0,048) und den 60- bis 69-Jährigen (KW, χ2(1, n = 261) = 9,40; p = 0,002). Bei Berücksichtigung der Geschlechtszugehörigkeit konnte ausschließlich unter 60- bis 69-jährigen Männern ein signifikanter Zusammenhang des PTA-4 mit dem Wohnort (KW, χ2(1, n = 107) = 11,10; p = 0,001) beobachtet werden.
Lärm am Arbeitsplatz
Probanden in Emden gaben mit 35,7 % häufiger eine berufliche Lärmbelastung an als Oldenburger Probanden (29,5 %). Dies gilt sowohl für eine geringe und mittlere wöchentliche Expositionsdauer von bis zu 15 h als auch für eine extensive Exposition von mehr als 15 h in der Woche. 16,2 % der Oldenburger und 18,4 % der Emdener Probanden berichteten über eine extensive, beruflich bedingte Exposition von durchschnittlich 17 Jahren in Oldenburg bzw. 19 Jahren in Emden. Dies entspricht einer Anzahl von 314 Probanden. Insgesamt 1273 Probanden hingegen verneinten jegliche berufliche Lärmbelastung.
In Abb. 3 ist rechts der Hörstatus der Probanden mit einer beruflichen Lärmbelastung von mehr als 15 h pro Woche dargestellt und links der Probanden ohne Lärmbelastung im Beruf. Freizeitlärm und eine wöchentliche Lärmexposition im Beruf von bis zu 15 h sind hier nicht berücksichtigt. Die Teilnehmergruppe mit hoher beruflicher Lärmbelastung zeigt eine höhere Prävalenz (21,3 %) sowie eine stärkere Ausprägung von Schwerhörigkeit als die Teilnehmergruppe ohne berufliche Lärmbelastung (Prävalenz 15,3 %).
In Tab. 8 ist der mittlere Hörverlust bei beruflicher Lärmexposition aufgenommen. Wurde eine Berufslärmbelastung angegeben, so war bei Männern ein höherer PTA-4 des besseren Ohrs zu beobachten als bei Frauen, der allerdings nur bei den 50- bis 59-Jährigen statistische Signifikanz erreicht (KW: χ2(1, n = 121) = 9,15; p = 0,002). Ein signifikanter Einfluss des Wohnorts lässt sich bei Berufslärmbelastung – mit Ausnahme der Gruppe der 60- bis 69-jährigen Männer – in keiner Geschlechtsgruppe nachweisen. In Bezug auf die wöchentliche Expositionsdauer ist ein Effekt zwischen den Gruppen mit mehr als 15 h vs. Gruppen ohne Berufslärmbelastung erkennbar, der auf die Lärmexposition männlicher Probanden zurückzuführen ist (KW altersstandardisiert: χ2(1, n = 684) = 12,38; p < 0,001). Der PTA-4 von Probanden mit mittlerer oder geringer Berufslärmexposition unterscheidet sich nicht von dem alters- und geschlechtsgleicher Probanden ohne Exposition. Dies spiegelt sich auch in den Effektkoeffizienten aus der logistischen Regression wider (Tab. 7).
Tab. 8 PTA-4 in Gruppen, getrennt nach beruflicher Lärmexposition und Geschlecht in dB HL (Mittelwerte), n = 1861 In der Gesamtgruppe derer, die eine berufliche Lärmbelastung pauschal verneinten, ist kein belastbarer Unterschied zwischen den Geschlechtern zu erkennen (OR Frauen: 1, OR Männer: 1,2). Der PTA-4 der Frauen ist signifikant, aber mit geringem Effekt, besser als bei Männern (KW altersstandardisiert: χ2(1, n = 1273) = 7,07; p = 0,008). Innerhalb der Altersdekaden lässt sich keine signifikante Geschlechtsdifferenz im PTA-4 nachweisen.
Schulisches Bildungsniveau und Berufsbereich
Die Verteilung der schulischen Bildungsabschlüsse hat sich in den vergangenen 30 bis 40 Jahren stark verändert, der Anteil höherer Schulabschlüsse ist in jüngeren Alterskohorten ungleich höher als in den älteren Gruppen. Eine Auswertung in der Gesamtstichprobe ist deshalb in den jüngeren Geburtsjahrgängen problematisch. Gleiches gilt für die Berufsbereiche. Sie blieben in der ANOVA und der logistischen Regression unberücksichtigt, weil in den jüngeren Alterskohorten häufig keine berufliche Zuordnung möglich ist. Im Hinblick auf die Fragestellung, welche Faktoren mit der Prävalenz von Schwerhörigkeit nach dem WHO-Kriterium assoziiert sind, müssen deshalb junge Alterskohorten ausgeschlossen werden. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf 1194 Probanden im Alter von 40 bis 79 Jahren, die einen Abschluss von Hauptschule, Realschule/POS oder Hochschulreife erlangt haben (Tab. 9). Probanden ohne Schulabschluss oder anderem Abschluss sowie die zahlenmäßig schwächer besetzte älteste Studiengruppe ab 80 Jahren wurden ausgeschlossen, um eine zu starke Fragmentierung und die hieraus folgende Zunahme gering oder nicht belegter Zellen in der mehrfaktoriellen Analyse zu vermeiden. Einzeln berücksichtigt wurden die 5 zahlenstärksten Berufsbereiche gemäß Klassifikation der Berufe (KldB 2010; Tab. 3), in denen rund 85 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten tätig sind.
Tab. 9 Wohnort, Schulabschluss, Lärmexposition getrennt nach Berufsbereichen (KldB 2010, Tab. 3) der 40- bis 79-jährigen Probanden in Prozent, n = 1194 Das gendertypische Muster ist deutlich: Berufe in den Bereichen Produktion und Verkehr/Schutz werden überwiegend von männlichen Studienteilnehmern angegeben. Weibliche Studienteilnehmer sind größtenteils in Berufen mit hohem Büroanteil, in Gesundheits-, Erziehungs- und Lehrberufen tätig. Die Verteilung der Schulabschlüsse ist wie erwartet ungleich. Mehr als 60 % der Studienteilnehmer mit Hochschulreife sind oder waren in den Bereichen Gesundheit/Lehre oder Verwaltung und nur rund 15 % in den Bereichen Produktion, Verkehr/Schutz und Handel tätig. Eine hohe Belastung durch Berufslärm wird in den männlich dominierten Berufsbereichen signifikant häufiger angegeben als in den überwiegend von Frauen angegebenen Berufen. Hinsichtlich der Angaben zur Lärmexposition in der Freizeit sind keine Unterschiede zwischen den Berufsbereichen erkennbar. Probanden mit niedrigstem Schulabschluss gaben signifikant häufiger einen „weniger guten“ und „schlechten“ Gesundheitszustand an (OR Hochschulreife: 1, OR Hauptschulabschluss: 2,1).
Die Prävalenz unter Studienteilnehmern mit niedrigen schulischen Bildungsabschlüssen und Berufstätigkeit in den Bereichen Produktion und Verkehr/Schutz liegt höher als in den Vergleichsgruppen (Abb. 4, Abb. 5). Die zugehörigen Mittelwerte im PTA-4 sind in Tab. 10 ausgewiesen. Der Einfluss der Faktoren Lärmbelastung, Gesundheitsstatus, Berufstätigkeit und höchster erreichter Schulabschluss auf die Prävalenz von Schwerhörigkeit unter den 40- bis 79-Jährigen wurde mithilfe der logistischen Regression geschätzt (Tab. 11). In den einfachen OR zeigt sich – mit Ausnahme der Faktoren Freizeitlärm und Gesundheitsstatus – bei Berücksichtigung des Alters jeweils eine signifikante Assoziation zwischen den Einzelfaktoren und der Prävalenz von Schwerhörigkeit. Die Einzelfaktoren Lärmbelastung, Berufstätigkeit und Schulabschluss sind, wie beschrieben, allerdings vergleichsweise stark korreliert. Dies begründet Konfundierungseffekte, die in der multivariaten Analyse minimiert sind. Bei wechselseitiger Berücksichtigung der Faktoren Alter, Berufslärm, Schulabschluss und Berufsbereich zeigt sich ausschließlich für den Faktor Berufsbereich, genauer für die Bereiche Produktion und Verkehr/Schutz, eine im Bootstrap-Verfahren als signifikant bestätigte Assoziation mit der Prävalenz von Schwerhörigkeit.
Tab. 10 PTA-4 des besseren Ohrs mit 95 %-KI nach Berufsbereich und Schulabschluss der 40- bis 79-jährigen Probanden in dB HL (Mittelwerte), n = 1194 Tab. 11 Altersadjustierte OR mit 95 %-KI für Schwerhörigkeit nach WHO-Klassifikation unter 40- bis 79-Jährigen, n = 1194 Die Analyse der altersstandardisierten PTA-4-Daten unterstützt dieses Ergebnis. Der mittlere Hörverlust bei Berufstätigkeit in den Bereichen Produktion und Verkehr/Schutz ist höher als in den anderen Berufsbereichen (KW altersstandardisiert: χ2(5, n = 1194) = 39,82; p < 0,001). Diese Assoziation bleibt auch erhalten, wenn alle Fälle mit Berufslärm unterschiedlicher Dauer ausgeschlossen werden (KW altersstandardisiert: χ2(5, n = 817) = 15,3, p = 0,009). Innerhalb der Berufsbereiche sind keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern erkennbar, wobei die Datenlage in den Bereichen Produktion und Verkehr/Schutz unzureichend ist. Post-hoc-Tests der PTA-4-Daten, altersstandardisiert zum einen nach Schulabschluss, zum anderen nach Berufsbereich, bestätigen weitgehend die Ergebnisse aus der logistischen Regression. Unterschiede im PTA-4, die im Vergleich von Teilgruppen mit niedrigstem und höchstem Schulabschluss nachweisbar sind, zeigen insgesamt moderate Effekte. Diese Effekte bestehen allerdings nach dem Ausschluss mit Berufslärm belasteter Probanden fort. In der Gruppe der 40- bis 79-Jährigen, die nach eigenen Angaben keinerlei Lärm während ihrer beruflichen Tätigkeit ausgesetzt sind oder waren, ist der PTA-4 unter den Probanden mit Hauptschulabschluss auch bei Berücksichtigung des Gesundheitsstatus signifikant höher als unter den Probanden mit Hochschulreife (KW altersstandardisiert: χ2(1, n = 503) = 13,03; p < 0,001).
Prävalenz bei Gewichtung
Die Abweichung der Studiengruppe in Bezug auf die bundesdeutschen Referenzwerte kann durch eine Gewichtung der Daten kompensiert werden [15]. Je nach den in verschiedenen Gewichtungsmodellen berücksichtigten Merkmalen ergibt sich eine abweichende Prävalenz von 15,1–16,3 % der erwachsenen Bevölkerung (Tab. 12). Diese Transformationen sind unweigerlich von Effektivitätsverlusten begleitet. Bei einer Anpassung der 5 zahlenstärksten Berufsbereiche, die vorstehend näher untersucht wurden, ist der größte Effektivitätsverlust (rund 28 %) hinzunehmen. Der Anteil kritischer Faktoren betrifft in allen Gewichtungsmodellen insbesondere jüngere und ältere Randgruppen. Werden die mittleren Konfidenzintervallgrenzen zugrunde gelegt, kann mit Bezug auf den Bevölkerungsstand in Deutschland 2012 von etwa 10–12 Mio. schwerhörigen Personen ab 18 Jahren ausgegangen werden.
Tab. 12 Gütekriterien ausgewählter Gewichtungsmodelle und Gesamtprävalenz In Tab. 13 ist die Prävalenz für Männer und Frauen aus der ungewichteten Stichprobe ausgewählten Prävalenzabschätzungen gegenübergestellt, die sich bei Anpassung der Stichprobe an die bundesdeutsche Referenzstruktur ergeben. Die Wirkung der Gewichtungskorrekturen muss vor dem Hintergrund unterschiedlicher Altersverteilungen in den Geschlechtsgruppen (höhere Lebenserwartung der Frauen) interpretiert werden. So zeigt sich, dass Frauen zu einem höheren Anteil schwerhörig sind als Männer, wenn die Stichprobe an die Alters- und Geschlechtsverteilung der in Deutschland lebenden Erwachsenen angepasst wird. Bei zusätzlicher Berücksichtigung der zahlenstärksten Berufsbereiche ergibt die Schätzung etwa ausgeglichene Anteile in beiden Geschlechtsgruppen.
Tab. 13 Prävalenz von Schwerhörigkeit nach WHO-Klassifikation in der ungewichteten Stichprobe und in gewichteten Stichproben, getrennt nach Geschlecht, in Prozent, n = 1866 Vergleich der HÖRSTAT-Ergebnisse mit internationalen Untersuchungen
Die in HÖRSTAT beobachtete Prävalenz von Schwerhörigkeit liegt im Bereich anderer internationaler Studien, wenn die jeweils abweichenden Klassifikationskriterien bestmöglich auf die erhobenen HÖRSTAT-Daten angewendet werden (Tab. 14). Nicht in allen Fällen können die Altersspannen angepasst werden, wenn, wie in den Studien von Davis [9], Uimonen et al. [31], Wilson et al. [35] und Lin et al. [24] auch Probanden unterhalb von 18 Jahren einbezogen wurden. In diesen Fällen ist der Vergleichswert der HÖRSTAT-Daten systematisch überhöht. In allen anderen Fällen liegt die Prävalenz in HÖRSTAT unterhalb der in der Literatur angegebenen Prävalenz. Die Gesamtprävalenz stellt als Einzahlwert allerdings nur eine sehr vage Orientierungsgröße dar. Schließlich unterscheiden sich die Studienpopulationen sowohl in ihrer soziodemographischen Zusammensetzung, darunter insbesondere in ihrer Altersverteilung, als auch hinsichtlich der betrachteten Generationen, weil die Untersuchungen mit einem Zeitversatz von bis zu 25 Jahren durchgeführt wurden.
Tab. 14 Vergleich mit anderen epidemiologischen Studien Das Lebensalter kann als wichtigster Einflussfaktor durch einen Vergleich innerhalb der Altersdekaden einbezogen werden. Unter den Studien mit annähernd gleichem Klassifikationskriterium wurden nach Maßgabe von Repräsentativität bzw. Stichprobengröße, Aktualität und Berichtsqualität 11 Veröffentlichungen ausgewählt. Drei Publikationen berichten aus den fortlaufenden US-amerikanischen National Health and Nutritional Examination Surveys [1, 23, 24], wobei innerhalb der folgenden vergleichenden Darstellungen eine Überschneidung der Datenbasis ausgeschlossen ist. Die Studienergebnisse beziehen sich zu einem geringeren Teil auf gewichtete Kohorten, wobei die Anwendung der Gewichte in den altersgeschichteten Daten nicht immer eindeutig ist [1, 9, 23]. Mit Ausnahme zweier Studien [27, 35] sind Frauen in den betrachteten Studienpopulationen leicht überrepräsentiert (53–57 %).
In Abb. 6 ist die Prävalenz für Schwerhörigkeit bei Betrachtung des besseren Ohrs angegeben (Höchstalter: 89 Jahre). Gefüllte Kreissymbole markieren die Anwendung des WHO-Kriteriums PTA-4 > 25 dB HL, offene Kreise dagegen das Kriterium PTA-4 ≥ 25 dB HL. Die von den jeweiligen Autoren angegebene Prävalenz wurde jeweils in der Mitte der zugehörigen Altersspanne markiert. Der graue Bereich kennzeichnet das 95 %-Konfidenzintervall für die Prävalenz von Schwerhörigkeit in HÖRSTAT. Die Abb. 7 zeigt die entsprechenden Angaben bei Berücksichtigung des schlechteren Ohrs. Mit Ausnahme der schwedischen Studie von Johansson und Arlinger [19], in der Probanden mit starker beruflicher Lärmexposition ausgeschlossen wurden, beziehen sich die Prävalenzdaten auf nicht gescreente Populationen.
Je nach angesetztem Kriterium, PTA4 > 25 dB HL oder PTA4 ≥ 25 dB HL, schwankt die Prävalenz in den Alterskohorten der HÖRSTAT-Daten um bis zu 4,1 %. Insgesamt sind die in HÖRSTAT ermittelten Prävalenzdaten für beide Kriterien insbesondere in den interessierenden höheren Alterskohorten vergleichsweise niedrig und damit unter den Werten, die in den europäischen Studien beispielsweise von Borchgrevink et al. [4], Davis [9], Johansson und Arlinger [19] und Quaranta et al. [27] angegeben werden. Die größte Übereinstimmung in den höheren Altersgruppen ergibt sich für den Vergleich mit den neueren Studien von Chia et al. [7] und Lin et al. [23], die in den Jahren 1997–2000 bzw. 2005–2006 durchgeführt wurden.
Studienvergleich: Prävalenz und Geschlecht
Bei Hinzunahme des demographischen Merkmals Geschlechtszugehörigkeit, sofern in den Vergleichsstudien eine separate Prävalenz angegeben ist, ergibt sich ein differenzierteres Bild. Die Abb. 8 und Abb. 9 zeigen die altersabhängige Prävalenz nach Geschlechtern getrennt für das bessere Ohr (PTA-4 ≥ 25 dB HL) resp. schlechtere Ohr (PTA-4 > 25 dB HL). Durchgezogene Linien mit Kreuzmarkierungen stehen in beiden Abbildungen für die Prävalenz von Schwerhörigkeit bei Frauen, die gestrichelten Linien mit Quadratsymbolen für die Prävalenz von Schwerhörigkeit bei Männern. Die Prävalenz bei Männern in HÖRSTAT liegt deutlich niedriger als in den Vergleichsstudien. Die Abweichungen bei Frauen sind dagegen vergleichsweise gering. Die in HÖRSTAT beobachtete Prävalenz für Frauen verschiedener Altersgruppen liegt in einem engen Korridor mit den Angaben von Lin et al. [24], Cruickshanks et al. [8], Nash et al. [25] und Borchgrevink et al. [4]. Die Geschlechtsdifferenz ist in der vorliegenden Studie fast so gering ausgeprägt wie in der schwedischen Studie von Johansson und Arlinger [19], in der die Autoren die Probanden mit starker Berufslärmbelastung ausgeschlossen hatten.