Herr Prof. Dr. Dr. Wolfgang Draf hat durch seine Persönlichkeit mit großer Kraft als Arzt und Lehrer in der HNO-Heilkunde und in der Entwicklung der Schädelbasischirurgie gewirkt. Dieser Nachruf zum Tode von Herrn Prof. Draf verfolgt nicht den Gedanken, eine Würdigung unter vollständiger Darstellung der einzelnen Leistungen und Verdienste vorzunehmen. In seinem umfangreichen beruflichen Schaffen hat Prof. Draf eine Fülle von Aufgaben wahrgenommen, die an dieser Stelle nicht in der Gesamtheit dargestellt werden können. Aus der sehr persönlichen Sicht eines Schülers ist der Nachruf dem Lehrer gewidmet, der mit großer Begeisterung sein Wissen weitergegeben hat und stets eine Weiterentwicklung des Fachgebiets im Sinn hatte.

Von wesentlicher Bedeutung waren für Prof. Draf der Respekt gegenüber dem Menschen und die Achtung seiner Würde. Dies haben seine Patienten ebenso wie seine Mitarbeiter erfahren. Viele Patienten haben in ihm nicht nur einen hoch kompetenten Arzt gefunden, sondern haben ihre Behandlung in einer durch Herrn Prof. Draf vermittelten Geborgenheit erlebt. In dem Bestreben, die Behandlungen von Patienten weiter zu verbessern und Menschen auch bei fortgeschrittenen Erkrankungen insbesondere an der Schädelbasis zu helfen, hat er mit großem persönlichem Einsatz Grenzen überschritten. Aus diesem Ansatz sind für das Fachgebiet wegweisende Entwicklungen hervorgegangen. Herr Prof. Draf ist als Pionier der heutigen differenzierten endonasalen Stirnhöhlenchirurgie und der endonasalen Chirurgie im Bereich der vorderen Schädelbasis zu würdigen.

Mit seinem hohen persönlichen Einsatz hat Herr Prof. Draf seine Mitarbeiter stimuliert, gemeinsam mit großem Engagement die Arbeit anzunehmen. Die Mitarbeiter waren in der von ihm geschaffenen Geborgenheit und der persönlichen Annahme jedes Einzelnen in der Lage, die gemeinsame Arbeit zu leisten. Für jeden Mitarbeiter fand er ein persönliches Wort, und mit wachem Auge erkannte er die Sorgen seiner Mitarbeiter. In fachlichen ebenso wie in persönlichen Lebenssituationen waren der Rat und die Unterstützung durch Prof. Draf eine Gewissheit. Nicht nur die eigenen Mitarbeiter, sondern auch eine große Zahl von Kollegen und dem Fach der HNO-Heilkunde nahe stehenden Personen, haben sich mit großem Vertrauen an ihn gewandt und wertvollen Rat erhalten.

Der Satz aus dem Werk des Thomas von Aquin, „Lehren ist ein Geschehen, das sich begibt zwischen lebendigen Menschen“, kennzeichnete in besonderer Weise das Wirken von Herrn Prof. Draf. Er hat für sich immer ein neugieriges Staunen bewahrt und war von großer Freude getragen, wenn sich ein neuer Zusammenhang erschloss oder die konkrete Umsetzung eines Vorhabens gelang. Dem einzelnen Schüler gewährte er uneingeschränkte Einblicke in sein Wissen, und zwar in der Hoffnung, dass der Schüler seinen eigenen Weg augrund dieses Wissens gehen kann. Für den Lehrer war es beglückend zu erfahren, wenn seine Schüler neue Akzente setzten und das Fach der HNO-Heilkunde weiterentwickelten.

Für Prof. Draf war es selbstverständlich, Gäste aus der ganzen Welt in der eigenen Klinik willkommen zu heißen, die Einblick in die Operationstechniken nehmen durften und in den Operationstechniken ausgebildet wurden. Mit großem Engagement und langer Tradition hat er über Jahre den Kurs für Nasennebenhöhlenchirurgie in Fulda gestaltet. Darüber hinaus hat Prof. Draf eine Fülle von Kursen und Tagungen weltweit begleitet. Mit Begeisterung hat er sein Wissen weitergeben und Menschen für die HNO-Heilkunde inspiriert. Hierdurch hat Prof. Draf nicht nur großen Respekt erfahren. Er hat persönlich eine Fülle von Freunden gefunden, die ihm mit Achtung begegneten. Mit seiner Ausstrahlung hat Prof. Draf Menschen zusammengeführt und bei entstehendem Vertrauen zum gemeinsamen Denken und Arbeiten geführt.

Nur wenige Wochen vor seinem Tod hat Herr Prof. Draf die Fachtagung der slowakischen und tschechischen HNO-Kollegen besucht. Mit großer Freude wurde er von vielen Kollegen empfangen, gab Rat, führte Kollegen zusammen, gestaltete einen Runden Tisch mit in die Zukunft weisenden Themen und motivierte viele Teilnehmer. Die HNO-Heilkunde hat einen Lehrer verloren, der sich mit Begeisterung und Verantwortung mit seiner ganzen Person den Schülern und dem Fachgebiet zugewandt hat.

Die Ausrichtung seines Denkens auf einen Fortschritt in der Behandlung der Patienten drückte sich auch in den vielfältigen fachübergreifenden Einsätzen von Herrn Prof. Draf aus. Mit großem Engagement hat Prof. Draf die eigenen Fachgrenzen überschritten und den Kontakt zu anderen Fachdisziplinen gesucht. Früh hat er erkannt, dass in dem fachübergreifenden Gespräch und der gemeinsamen Behandlung ein medizinischer und menschlicher Gewinn liegen kann. Nur durch diese Erfahrungen und in dem gelebten Dialog hat sich die heutige Schädelbasischirurgie entwickeln können.

Herrn Prof. Draf gilt der besondere Dank seiner Schüler für sein exzellentes Wirken in der HNO-Heilkunde, für die Begleitung auf dem persönlichen Lebensweg und für das gelegte Fundament des Wissens in der Tätigkeit als HNO-Chirurg. Mit Herrn Prof. Draf hat die HNO-Heilkunde einen wertvollen Menschen verloren, der in seiner besonderen Begabung als Arzt wirkte, neue Behandlungsmöglichkeiten entwickelte, sein Wissen in vielfältigen Formen weitergab und Menschen an verschiedenen Orten unserer Welt zusammenführte. Die vermittelte Begeisterung des Lehrers hat junge Menschen ebenso wie erfahrene Kollegen angesteckt. Herr Prof. Draf hat den wichtigen Blick über die eigenen Fachgrenzen hinaus geworfen und im Bereich der Schädelbasischirurgie in besonderer Weise gelebt.