Das Schwerpunktthema in der vorliegenden Ausgabe der Zeitschrift HNO ist dem noch jungen Fach „Musikermedizin“ gewidmet. Schon in der Antike kannte man die enge Verbindung zwischen Musik und Medizin. Lange Zeit stand dabei die heilende Wirkung der Musik im Vordergrund. Durch die Entwicklung des Virtuosentums im 19. Jh. häuften sich immer mehr Berichte über Musiker, die im Zug ihrer Musikausübung körperliche oder psychische Probleme entwickelten. Die Frage: „Warum wurde Beethoven taub?“ ist nicht nur für den HNO-Arzt spannend.

Aus epidemiologischen Erhebungen ist bekannt, dass bis zu zwei Drittel der Berufsmusiker unter musikerspezifischen Beschwerden leiden. Nach Anfängen der modernen Musikermedizin in den USA und der Einrichtung eines ersten Lehrstuhls in Hannover gründete sich bereits vor nahezu 2 Jahrzehnten eine eigene deutsche Fachgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Musikphysiologie und Musikermedizin (www.DGfMM.org).

Die Musikermedizin hat sich als Fachdisziplin in den letzten Jahren besonders in Deutschland rasant weiterentwickelt. Allein in den letzten Jahren sind hier 5 neue Lehrstühle eingerichtet worden. Musikermedizin ist ein „breites“ Gebiet, welches Fragestellungen aus den verschiedensten Facharztgebieten wie Orthopädie, Psychosomatik, Neurologie u. a. umfasst. Im vorliegenden Heft können nur die Ausschnitte dargestellt werden, welche für HNO-Ärzte besonders relevant erscheinen.

Singen fördert die kindliche Entwicklung

Über die primäre Fokussierung auf die Behandlung von erkrankten Musikern hinaus ist in den letzten Jahren allgemein ein stark auflebendes Interesse festzustellen, welches sich mit Fragen des Zusammenhangs zwischen Musikausübung und geistiger, körperlicher und sozialer Entwicklung beschäftigt. Die nordrhein-westfälische Initiative „Jedem Kind sein Instrument“, die Untersuchungen von Gerd Bastian zur intelligenzfördernden Wirkung von Musikunterricht oder auch Buchpublikationen wie „Der genetische Notenschlüssel – warum Musik zum Menschsein gehört“ von Christian Lehmann zeigen dies deutlich.

In diesem Zusammenhang besonders bemerkenswert erscheint eine aktuelle Studie von Thomas Blank von der Universität Bielefeld, der bei seinen Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Singen und Schulreife feststellen konnte, dass Kinder, die im Singen geübt waren, bei der Einschulungsuntersuchung eine etwa doppelt so hohe Schulreifequote aufwiesen wie Kinder, die nicht sangen.

Sänger – Herausforderung für den HNO-Arzt

Der Schwerpunkt des vorliegenden Hefts ist die Sängerstimme. Sänger sind in besonderer Weise von der optimalen Funktionsfähigkeit ihrer Stimme abhängig und suchen deswegen – auch schon bei kleineren Problemen – meist früher den Arzt auf als Instrumentalisten. Der HNO-Arzt ist also immer wieder mit dem Thema Sängerstimme konfrontiert, welches ihn jedoch nicht selten mit offenen Fragen etwas ratlos zurücklässt.

Um dazu beizutragen hier mehr Klarheit zu schaffen, finden sich in den Artikeln dieses Hefts detaillierte Ausführungen zu klinischen relevanten Aspekten der Stimme der Sänger unter besonderer Berücksichtigung der im klinischen Alltag so wichtigen psychologischen Aspekte sowie die Darstellung einer spannenden Längsschnittuntersuchung zum Thema „Kann man Unterschiede der Stimmgattungen medizinisch messen?“. Als weiteres für den HNO-Arzt bedeutsames Thema wird der Gehörschutz im Orchester in einer Übersichtsarbeit behandelt.

B. Richter