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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Demografie sagt in den nächsten Jahren sehr viel mehr ältere Menschen voraus, die wir Dermatologen in den Praxen und in den Kliniken zunehmend betreuen werden. Dies bedeutet, dass wir nicht nur zunehmend mit multimorbiden Patienten umgehen, sondern auch sehr viel häufiger altersrelevante Dermatosen diagnostizieren und behandeln werden.

Die hier vorliegende Leitthemenausgabe zur Alterung beschäftigt sich mit den altersrelevanten Dermatosen und deren Besonderheiten, aber auch mit den zugrunde liegenden Ursachen und neuen Konzepten, wie man Alterung nicht nur in der Haut, sondern auch in anderen Organen beeinflussen kann. Entsprechend gelingt mit dieser Ausgabe eine Synthese aus ursächlichem Verständnis, aktueller klinischer Relevanz und in die Zukunft gerichteten therapeutischen Ansätzen, die die gesamte Medizin und die Dermatologie und deren altersrelevante Erkrankungen betreffen.

In den letzten Jahren wurde zunehmend das Konzept erarbeitet, dass die zelluläre Seneszenz zum Funktionsverlust und zur phänotypischen Alterung der Haut, aber auch anderer Organe beiträgt. Ebenso spielt die zelluläre Seneszenz auch für die Dysfunktion anderer Organe und verschiedene altersrelevante Erkrankungen eine ursächliche Rolle. Seneszente Zellen können nicht mehr proliferieren und nicht zur Regeneration beitragen. Sie können nicht in Apoptose gehen und führen durch verstärkte Freisetzung zahlreicher proinflammatorischer Faktoren, die als SASP (Seneszenz-assoziierter sekretorischer Phänotyp) bezeichnet werden, zu einer unterschwelligen Entzündung und Gewebeabbau. Jeder Zelltyp kann seneszent werden. Seneszente Fibroblasten spielen in der Haut eine zentrale Rolle, da sie die Stammzellnischen der Epidermis, des Haarfollikels, der Talgdrüsen und der Dermis selbst nachhaltig unterdrücken, insgesamt die in der Haut befindlichen residenten Immunzellen beeinflussen und entsprechend die angeborenen und erworbenen Immunreaktionen modifizieren.

Auf der anderen Seite ist gerade in der letzten Zeit deutlich geworden, dass Alterung der hämatopoetischen Stammzellen im Knochenmark sehr wesentlich für die Immunalterung der peripheren Immunzellen des nativen und adaptiven Immunsystems ist. Zellen des adaptiven und nativen Immunsystems sind direkte Abkömmlinge der hämatopoetischen Stammzellen. Wenn die hämatopoetischen Stammzellen altern, ist auch die Funktionsfähigkeit der Immunzellen eingeschränkt. Durch Rejuvenierung der hämatopoetischen Stammzellen, so konnte experimentell gezeigt werden, wird die Funktion von T‑Zellen des Immunsystems deutlich verbessert. Ob sich diese experimentellen hochinteressanten Befunde in den nächsten Jahren in die Klinik für neue Therapien einführen lassen, bleibt mit Spannung abzuwarten. Um der Alterung, der eingeschränkten Organfunktion und Alterserkrankungen innovativ entgegenzuwirken, wurde das Konzept der Senolytika oder der Senomorphika entwickelt und im Tiermodell und in klinischen Studien am Menschen erfolgreich überprüft. Senolytika überführen seneszente Zellen in den Zelltod. Senomorphika können Alterung vermittelnde Signalwege hemmen oder den proinflammatorischen SASP modifizieren. Dieses neue Konzept, welches auch für die Dermatologie wichtig ist, und bereits in klinischen Studien Einzug gefunden hat, wird im ersten Beitrag dargestellt. Wichtig dabei ist, dass die intrinsische Alterung, aber auch die extrinsische Alterung, die durch das sog. Exposom vorangetrieben wird, mit einer Anhäufung der seneszenten Zellen einhergehen. Dies liegt entweder an der Aktivierung von alterungsinduzierenden Signalwegen oder direkt am mitochondrialen und nukleären DNA-Schaden. Deshalb wurde dem Exposom ein Beitrag von mehreren Autoren aus dem Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung und der praktischen Dermatologie gewidmet. Auch in diesem Beitrag ergeben sich zahlreiche neue Erkenntnisse, auch dass eine Erhöhung der Temperatur, wie im Klimawandel antizipiert, die Hautalterung verstärkt. Ebenso scheint die Wechselwirkung von UV-Strahlung und zusätzlichen Umweltnoxen eine wichtige Bedeutung zu haben.

Die weiteren Beiträge zur Themenausgabe konzentrieren sich auf klinisch relevante Alterungsdermatosen, deren differenzialdiagnostische Abgrenzung und die zur Verfügung stehenden therapeutischen Maßnahmen. Diese Beiträge sind erkenntnisgetrieben und lassen sich direkt in den klinischen Alltag übersetzen. Hier stehen beim älteren Menschen zum einen die aktinischen Keratosen im Vordergrund, auch als Berufserkrankung anerkannt. Die Behandlung von aktinischen Keratosen und deren maximale Ausprägung einer Feldkanzerisierung bei älteren Menschen werden mit klarer leitliniengerechter Empfehlung von Herrn Prof. Szeimies und Herrn Prof. Stege näher beleuchtet.

Die zelluläre Seneszenz trägt zum Funktionsverlust und zur phänotypischen Alterung der Haut bei

Zum anderen spielt der zunehmend vielfältig auftretende Juckreiz bei zahlreichen entzündlichen Erkrankungen, die im Alter besonders auftreten, eine zentrale Rolle. Bei der Pruritusforschung wurde das Verständnis der Ursachen des Juckreizes entscheidend verbessert. Dieses Wissen ist bereits über klinische Studien konsolidiert und hat unsere therapeutischen Möglichkeiten bedeutsam erweitert. Dies wird im Beitrag von Herrn Dr. Witte, Frau Dr. Zeidler und Frau Prof. Ständer zusammengefasst.

Passend zum Beitrag des Juckreizes wird eine sehr ansprechende Übersicht und differenzialdiagnostische Abgrenzung von Altersekzemen und deren moderne Behandlung von einem ausgewiesenen Mehrautorenteam aus Hannover beigesteuert.

Die Immunalterung führt unter anderem zu Autoimmunerkrankungen. So ist es nicht verwunderlich, dass Kollagenosen, aber auch autoimmun-bullöse Dermatosen mit zunehmendem Alter in ihrer Häufigkeit ansteigen. Als Modellerkrankung einer autoimmun-bullösen Dermatose wurde von der Lübecker Universitätsdermatologie durch ein Mehrautorenteam eine zeitgemäße, sehr gut verständliche Übersicht über Besonderheiten des bullösen Pemphigoids bei älteren Menschen gegeben. Es wird darauf hingewiesen, dass Antigene von Tumoren das bullöse Pemphigoid verstärken können und, dass die neoplastische Grunderkrankung stets im Blickfeld des Dermatologen bleiben muss. Es wird deutlich, dass es unterschiedliche Antigene gibt, gegen die sich die Antikörper richten, und dass die Diagnostik für die angemessene Therapie entscheidend ist. So sind bullöse Pemphigoide mit Antikörpern gegen das 200 kDa große Protein mit weniger Glukokortikoiden zu behandeln.

Schließlich trägt der letzte Beitrag über die Progeroidsyndrome aus der Universitätsdermatologie in Regensburg wesentlich zum Verständnis und der Klinik dieser komplexen Syndrome bei. Dies ist von besonderer Bedeutung, um diese Patienten in Spezialambulanzen überweisen zu können. Die Progeroidsyndrome sind interessant, weil sie in ihrer Pathogenese teilweise auch den intrinsischen Alterungsprozess widerspiegeln. So wurde beim Hutchinson-Gilford-Syndrom gezeigt, dass Lamin‑A über eine Splicevariante in Progerin überführt wird. Dies führt zur Instabilität der Kernmembran unserer Zellen, und es kommt zu Störungen im Chromatin und den Telomeren mit verstärkter Ausbildung von zellulärer Seneszenz. Progerin wird auch bei der intrinsischen Alterung vermehrt gebildet. Dies bedeutet, dass wir von Progeroidsyndromen auch für die intrinsische Alterung lernen können.

Zusammenfassend bietet diese Themenausgabe eine gute Möglichkeit, den Stand der Wissenschaft, aber bereits jetzt in die tägliche Praxis zu überführendes Wissen nachzulesen und direkt am Patienten anzuwenden. Wir wünschen Ihnen, dass Sie Freude am Lesen haben, so viel Freude, wie die Autoren beim Schreiben und Zusammentragen der neuen wissenschaftlichen, praxisrelevanten Erkenntnisse hatten.

Mit den besten Grüßen

Prof. Dr. med. Karin Scharffetter-Kochanek