Nahrungsmittelallergien werden in der Bevölkerung überschätzt, 5‑ bis 10-mal häufiger wird das Vorliegen einer Nahrungsmittelallergie vermutet, als sie tatsächlich mittels diagnostischer Standards nachgewiesen werden kann.

Nichtsdestotrotz stellt die Nahrungsmittelallergie sowohl im Kindesalter als auch im Erwachsenenalter eine nicht seltene Erkrankung dar, die mit der allgemeinen Zunahme von allergischen Erkrankungen weltweit an Bedeutung gewonnen hat. Während sich die Diagnostik einer Nahrungsmittelallergie in den letzten Jahrzehnten v. a. für die In-vitro-Diagnostik verbessert hat, so gibt es im Bereich der Therapie der Nahrungsmittelallergie nach wie vor einen hohen medizinischen Bedarf.

Kinder sind häufiger als Erwachsene von einer Nahrungsmittelallergie betroffen, und auch das Auslösespektrum unterscheidet sich in diesen Altersgruppen.

Wichtig in der Betreuung von nahrungsmittelallergischen Patienten sind die standardisierte Diagnostik und Therapie. Hier gibt es in Deutschland die Leitlinie zum Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien, die im letzten Jahr auf dem Level S2k aktualisiert wurde. Sie enthält die wichtigsten Aspekte einer Nahrungsmittelallergie wie Epidemiologie, Kofaktoren, Differenzialdiagnostik, Anamnese, In-vitro- und In-vivo-Diagnostik, Notfall- und Langzeitmanagement sowie eigene Kapitel zur Prävention der Nahrungsmittelallergie und der Bedeutung einer Nahrungsmittelallergie im beruflichen Kontext. Im Artikel von M. Worm werden die wichtigsten Aspekte bzw. Kernaussagen aus der Leitlinie vorgestellt, sodass Ihnen die Lektüre ermöglicht, einen Überblick zum Status quo zum Management der Nahrungsmittelallergie zu bekommen.

Die Nahrungsmittelallergie führt für die Betroffenen nicht selten zur Einschränkung der Lebensqualität, und genau dieser wichtige Aspekt wird im Artikel von Veronika Höfer und Mitarbeiterinnen näher beleuchtet. Aktuelle Ergebnisse zu Studien, die die Lebensqualität bei verschiedenen Formen der Nahrungsmittelallergie untersucht haben, werden hier dargestellt. Entscheidend für die Aussagekraft der Untersuchungen ist die Verfügbarkeit eines standardisierten Erhebungsinstrumentes zur Bestimmung der Lebensqualität bei Patienten mit Nahrungsmittelallergie.

Milcheiweiß ist ein häufiges Nahrungsmittelallergen im Kindesalter und wird bei Erwachsenen nur in Einzelfällen beobachtet. Daher ist die Fallvorstellung von Josefine Grünhagen interessant, die das Thema der Milcheiweißallergie bei einem Erwachsenen darstellt. Bei solchen Patient*innen stellt sich neben der ernährungstherapeutischen Beratung im Langzeitmanagement die Frage, wie mit einer solchen Nahrungsmittelallergie therapeutisch umgegangen wird. Die orale Immuntherapie ist bislang nur für die Erdnussallergie bei Kindern etabliert, jedoch kann sie auch in Einzelfällen bei Erwachsenen durchgeführt werden, hierzu gibt es in der Literatur einige Fallberichte. Eine andere Therapiemöglichkeit beinhaltet die symptomatische Therapie mit Anti-IgE (Omalizumab). Obgleich bisher zahlreiche Fallserien zur Behandlung einer Nahrungsmittelallergie (mono- oder polyvalent) in der Literatur beschrieben worden sind, ist das Medikament, welches Dermatolog*innen sehr erfolgreich zur Behandlung der chronisch spontanen Urtikaria einsetzen, zur Behandlung einer Nahrungsmittelallergie bisher nicht zugelassen. In schweren ausgewählten Fällen kann ein Off-label-Antrag erfolgreich sein und die Behandlung mit Omalizumab zu einer Steigerung der vertragenen Allergendosis beitragen bzw. das Risiko akzidenteller Reaktionen vermindern.

Die häufigsten Auslöser einer schweren durch Nahrungsmittel ausgelösten Reaktion, d. h. also einer Nahrungsmittelanaphylaxie, bei Erwachsenen sind Weizen, Sellerie und Krusten- und Schalentiere. Weitere, nicht seltene Allergene, sind Nüsse bzw. Hülsenfrüchte sowie auch die Fleischallergie. Zu beiden Auslösergruppen präsentieren wir Ihnen in diesem Heft ausgewählte Fallvorstellungen, die auf die Bedeutung der molekularen IgE-Diagnostik abzielen. Gerade im Bereich der Hülsenfrucht bzw. Nussallergie gibt es zahlreiche rekombinant bestimmbare Allergenkomponenten für das spezifische IgE, die auch eine Bedeutung für die Vorhersage der zu erwartenden Schwere der Reaktion haben. Obgleich die molekulare Allergologie ein komplexes Themenfeld darstellt, so ist es doch wünschenswert, dass die wichtigsten Gruppen, wie Speicherproteine, Lipidtransferproteine, PR10-Proteine und Profiline den in der Praxis tätigen Allergolog*innen im Rahmen der Diagnostik ein Begriff ist. Auch die seltene vorkommende Fleischallergie sollte im Alltag nicht übersehen werden, insbesondere bei Patient*innen, bei denen sich ein größerer Zeitraum (4–6 h) zwischen Nahrungsaufnahme und Auftreten der Symptome findet. Pathogenetisch spielen Zeckenbisse eine wichtige Rolle für die Entstehung der Fleischallergie, die im Übrigen häufiger bei Jägern bzw. Personen aus ländlichen Regionen beobachtet wird. Auch hier hat die molekulare Allergiediagnostik mit der Möglichkeit, spezifisches IgE gegenüber Alpha-Gal zu bestimmen, die Differenzialdiagnostik verbessert. Herr Fischer gibt in seinem Artikel eine sehr gute Übersicht zum aktuellen Status quo der Fleischallergie einschließlich der Diagnostik und Differenzialdiagnostik sowie des therapeutischen Managements.

Schalenfrüchte gehören zu den häufigsten Auslösern einer Anaphylaxie. In dem Fallbericht von A. Alexiou et al. wird eine Patientin mit einer Walnussallergie bei einer kombinierten Sensibilisierung gegenüber dem verdauungsstabilen 2S-Albumin-Speicherprotein Jug r 1 und dem Walnuss-LTP Jug r3 präsentiert. Mit der placebokontrollierten Provokationstestung konnten die auslösende Allergenmenge bestimmt und das Notfallmanagement optimiert werden.

Last not least befinden wir uns in einer Zeit des ökologischen Wandels, und hierzu gehört auch die Zunahme der vegetarischen/veganen Ernährung in unserer Gesellschaft, die aus allergologischer Sicht neue Fallkonstellationen für uns bietet. Dieses Thema wird in dem Artikel von Sabine Dölle-Bierke aufgegriffen und dargestellt. Die Arbeit zeigt, wie wichtig es in der Allergologie ist, aktuelle Entwicklungen und Trends zu beobachten.

Zum Schluss einige Worte zur Erdnuss – sie stellt das wichtigste Nahrungsmittelallergen in der frühen Kindheit, aber auch im Erwachsenenalter dar. Neben einer verbesserten molekularen Diagnostik besteht hier seit letztem Jahr die Möglichkeit einer oralen Immuntherapie, nachdem ein Produkt zur Behandlung dieser Erkrankung im Kindesalter europaweit zugelassen wurde. Derzeit werden Netzwerke aufgebaut, um die Versorgung dieser Patient*innen durch allergologisch fachkompetente Zentren und Praxen sicherzustellen, da diese Therapie sowohl für die Behandler*innen als auch die Behandelten aufgrund von Sicherheitsaspekten eine Herausforderung darstellt.

Die Herausforderungen in der Medizin sind gleichzeitig auch das Spannende, und somit wünschen wir Ihnen viel Freude bei der Lektüre.

Herzliche Grüße, Ihre

Prof. Dr. med. M. Worm

Prof. Dr. med. U. Raap