Zusammenfassung
Bei der Diagnostik von Nahrungsmittelallergien sind viele Faktoren zu berücksichtigen. Zunächst ist es wichtig, die verschiedenen klinischen Bilder zu erkennen, die durch eine Nahrungsmittelallergie hervorgerufen werden können. Die Zuordnung zu einer Erkrankung entscheidet, welche weiteren Untersuchungen notwendig und sinnvoll sind. Bei Immunglobulin(Ig)E-vermittelten Allergien ist neben der Anamnese der Sensibilisierungsnachweis durch die Bestimmung des spezifischen IgE oder den Prick-Test ein wichtiger Pfeiler der Diagnostik. Entscheidend ist, dass der Nachweis einer Sensibilisierung gegen einen Extrakt aus einer Allergenquelle nur selten eine tatsächliche Allergie bedeutet. Ein Großteil der positiven Befunde hat keine klinische Relevanz. Die moderne komponentenbasierte Allergiediagnostik verbessert die Aussagekraft. Trotzdem ist die Diagnose oft nur mit einer Provokationstestung endgültig zu stellen. Dieser Beitrag weist auf mögliche Schwierigkeiten bei der Befundinterpretation hin.
Abstract
For the diagnostics of food allergies several points need to be considered. Firstly, it is important to recognize the various clinical pictures that can be caused by a food allergy. The assignment to a disease decides which further examinations are necessary and reasonable. In immunoglobulin (Ig) E‑mediated allergies, the detection of sensitization by determining the specific IgE or the prick test in addition to the medical history is an important mainstay of the diagnostics. Crucial is the fact that the detection of a sensitization against an extract from an allergen source only rarely implies an actual allergy. The majority of positive findings are not clinically relevant. The modern procedure of component-resolved allergy diagnostics improves the significance. Nevertheless, the diagnosis can often only be achieved by oral provocation tests. This article points out possible difficulties with the interpretation of the findings.
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Wissenschaftliche Leitung
E. Gaffal, Magdeburg
S. Ständer, Münster
R.-M. Szeimies, Recklinghausen
A. Zink, München
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Beitrag für Personenbezeichnungen nur die weibliche Form verwendet. Dies impliziert immer beide Formen, schließt also die männliche Form mit ein.
Dieser leicht aktualisierte Beitrag erschien ursprünglich in der Zeitschrift Monatsschrift Kinderheilkunde (2020) 168:647–657. https://doi.org/10.1007/s00112-020-00922-y.
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CME-Fragebogen
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Welche Bedeutung hat die Bestimmung von Gesamt-Immunglobulin(Ig)E im Serum?
Sie eignet sich für die Analyse des Atopiestatus eines Kindes.
Sie hat nur einen begrenzten Wert in der Allergiediagnostik.
Sie hilft bei niedrigen Werten, eine Allergie auszuschließen.
Sie hilft bei Werten über 100 kU/l, eine Allergie zu bestätigen.
Sie ist regelhaft ein Grundstein der Allergiediagnostik.
Welchen Wert hat die Bestimmung von spezifischen Immunglobulinen der Klasse E(IgE) gegen das Protein Ara h 2 bei Erdnussallergie?
Es ist ein Marker für eine pollenausgelöste Erdnussallergie.
Es hat einen untergeordneten Wert in der Diagnostik einer primären Erdnussallergie bei Kindern.
Es zeigt an, ob eine begleitende Nussallergie besteht.
Es hat einen hohen positiven Vorhersagewert für allergische Reaktionen bei Kindern.
Es ist bislang v. a. in Studien mit Erwachsenen untersucht.
Ein 8‑jähriger Junge wird in der Sprechstunde mit dem Wunsch zum Ausschluss einer Glutenunverträglichkeit vorgestellt, da er in letzter Zeit oft einen geblähten Bauch habe und müde sei. Wie sieht Ihr weiteres Vorgehen aus?
Eine Bestimmung von spezifischem Immunglobulin(Ig)E gegen Weizen kann die vermutete Glutenunverträglichkeit ausschließen.
Da es sich um eine Intoleranz handelt, sollte spezifisches Immunglobulin(Ig)E gegen Weizen bestimmt werden.
Es ist sinnvoll, eine probatorische Diät über 4 Wochen durchzuführen und eine Veränderung des Zustands gut zu beobachten.
Es sollte eine Überweisung zu einer Gastroenterologin erfolgen.
Eine Zöliakiediagnostik kann zielführend sein, da ein geblähter Bauch und Müdigkeit keine typischen Symptome einer Immunglobulin(Ig)E-vermittelten Allergie gegen Gluten sind.
In welchen Situationen hilft die komponentenbasierte Allergiediagnostik besonders weiter?
Bei Verdacht auf eine Allergie gegen Nüsse
Bei Verdacht auf eine Allergie gegen Kuhmilch
Bei Verdacht auf eine Allergie gegen Hühnerei
Bei Verdacht auf eine Allergie gegen Weizen
Bei Verdacht auf eine Allergie gegen Linsen
Ein 6 Monate alter Säugling wird vorgestellt, weil er am Vortag nach dem erstmaligen Trinken einer Premilch eine deutliche periorale Rötung entwickelt hat. Sie bestimmen das spezifische Immunglobulin(Ig)E gegen Milch, aber der Wert ist negativ. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Das Kind hat keine Kuhmilchallergie; die Mutter kann die Premilch wieder geben.
Um eine IgE-vermittelte Allergie unwahrscheinlich zu machen, führen Sie noch einen Prick-Test mit Kuhmilch durch.
Das Kind hat eine anamnestisch klare Allergie; Sie empfehlen eine Meidung.
Sie bestimmen die Einzelallergene der Kuhmilch, Laktalbumin, Casein und Laktoglobulin.
Sie führen einen Reibetest mit Premilch auf der Lippe des Kindes durch.
Welche Aussage zu Provokationstests mit Nahrungsmitteln bei Kindern trifft zu?
Sie können meist ambulant erfolgen.
Auch wenn in einem Provokationstest das Allergen vertragen wurde, ist weiterhin eine Allergie möglich.
Sie werden flächendeckend in deutschen Kinderkliniken angeboten.
Für eine sichere Aussage ist meist eine Untersuchung mit körperlicher Belastung notwendig.
Schon bei geringen Provokationsdosen können schwere allergische Reaktionen auftreten.
Welche Aussage zu diagnostischen Eliminationsdiäten bei Kindern mit atopischer Dermatitis trifft zu?
Sie sind eine sichere Methode, um eine Allergie zu bestätigen.
Sie sollten auf der Basis eines Sensibilisierungstests erfolgen.
Sie sollten zeitlich bis zum Ende des ersten Lebensjahres limitiert sein.
Sie können nacheinander mit verschiedenen möglichen Allergenen durchgeführt werden.
Sie können folgenlos unbegrenzt durchgeführt werden.
Was ist kein typisches Symptom einer pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie?
Lippenschwellung
Urtikaria
Zyanose durch Larynxödem
Milder Bauchschmerz
Nasale Kongestion
Eine Nahrungsmittelallergie gegen welches Allergen fällt typischerweise erstmalig im Schulalter auf?
Apfel
Kuhmilch
Erdnuss
Cashewnuss
Weizen
Welche Einschränkungen gelten für den Prick-Test mit Nahrungsmitteln?
Er ist nicht in jedem Alter durchführbar.
Er kann aus hygienischen Gründen nicht mit frischen Nahrungsmitteln durchgeführt werden.
Er sollte gezielt mit altersrelevanten Allergenen durchgeführt werden.
Er ist nur bei Einsatz kommerzieller Extrakte aussagekräftig.
Er kann mit allen Nahrungsmitteln durchgeführt werden.
Glossar
- FPIES
-
„Food protein-induced enterocolitis syndrome“
- Komponentenbasierte IgE-Diagnostik
-
Bestimmung von sIgE gegen einzelne allergene Proteine einer Allergenquelle im Gegensatz zur extraktbasierten Diagnostik, bei der die gesamte Allergenquelle mit allen enthaltenen Proteinen als Antigen genutzt wird
- PAN
-
pollenassoziierte Nahrungsmittelallergie
- Prick-zu-Prick-Test
-
Hautpricktest, bei dem zuerst in das native Nahrungsmittel, dann in die Haut geprickt wird
- sIgE
-
Spezifisches IgE, das gegen ein Allergen gerichtet ist
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Lange, L., Gernert, S. Fallstricke in der Diagnostik von Nahrungsmittelallergien bei Kindern und Jugendlichen. Hautarzt 71, 903–913 (2020). https://doi.org/10.1007/s00105-020-04692-2
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00105-020-04692-2