Liebe Leserinnen und Leser,

das Mikrobiom ist sprichwörtlich in aller Munde, und nicht nur dort: Es stellt definitionsgemäß die Gesamtheit der genetischen Information mikrobieller Lebensformen in definierten Körperbereichen dar. Seit der Einführung moderner molekularbiologischer Techniken zur Erfassung des Mikrobioms auf Ober- und Grenzflächen des Körpers wurde zunächst der Gastrointestinaltrakt, dann jedoch auch schnell die Haut intensiv beforscht. So ist es möglich, die genetische Zusammensetzung des menschlichen Körpers mit verschiedenen Mikroorganismen (Bakterien, später auch von Pilzen und Viren) zu kartieren. In Bezug auf die Haut wurden hier zum Teil erwartungsgemäße, zum Teil aber auch überraschende Befunde erhoben: Hätten Sie zum Beispiel gedacht, dass gesunde, „trockenere“ Haut primär von gramnegativen Bakterien besiedelt ist?

Das Mikrobiom stellt die Gesamtheit der genetischen Information mikrobieller Lebensformen in definierten Körperbereichen dar

Selbstverständlich bieten die neuen Techniken großes Potenzial für die Erforschung der Interaktion der Haut mit ihren mikrobiellen Besiedlern, die quantitativ die Menge der Wirtszellen sogar überschreiten, sowohl für die Homöostase der gesunden Haut, jedoch auch bei der Entwicklung verschiedener Hautkrankheiten. Hier besteht die Kunst nicht nur in der akkuraten und standardisierten Messung der mikrobiellen Besiedlung in ihrer Vielfalt, sondern auch in der Auswertung von riesigen Datenmengen, die aus den Messungen erfolgen. Relativ früh gelang das für die atopische Dermatitis, für die schon lange zuvor bekannt war, dass die Hautläsionen zumeist mit Staphylococcus aureus besiedelt sind. Hier konnte mit den innovativen molekularbiologischen Techniken gezeigt werden, dass die bakterielle mikrobielle Vielfalt in den Hautläsionen deutlich abnimmt und bei erfolgreicher antientzündlicher Therapie (z. B. mit lokalen Glukokortikoiden) wieder zunimmt. Und es konnte mit den modernen Techniken das bestätigt werden, was zuvor mit klassischen mikrobiologischen Techniken gezeigt worden war: dass es „im Feuer der atopischen Entzündung“ der Haut einen Gewinner gibt: Staphylococcus aureus.

Nicht alles, was in Überschriften und Abstracts von Fachbeiträgen „Mikrobiom“ genannt wird, bezieht sich allerdings wirklich auf die Gesamtheit der Gene durch mikrobielle Besiedelung, sondern betrifft auch oft gezieltere moderne mikrobiologische und immunologische Forschung. Daher ist aus unserer Sicht zielführend und legitim, in Übersichtsartikeln wie im vorliegenden Leitthemenheft zum Mikrobiom auch solche Arbeiten zu zitieren, die nicht primär die Gesamtheit der mikrobiellen Besiedelung (d. h. das Mikrobiom oder Mikrobiota im engeren Sinne) untersuchen, sondern bahnbrechende neue Erkenntnisse zu molekularen Einzelaspekten der mikrobiellen Besiedelung der Haut darstellen. Diese finden Sie in Bezug auf die atopische Dermatitis, die Psoriasis und Wunden der Haut im Detail in diesem Heft. Und natürlich dürfen hier auch therapeutische Implikationen nicht fehlen. Dazu gehören zum einen Untersuchungen, die den Einsatz von mikrobiologischen Organismen oder Molekülen dieser Organismen zur Behandlung von Hautkrankheiten prüfen, zum anderen Studien, in denen antimikrobielle Substanzen der Haut selbst in Interaktion mit besiedelten Mikroben studiert werden.

Vieles, was vor wenigen Jahren eher in einem „Journal für utopische Phantasien“ hätte publiziert werden können, scheint nun möglich, und Begriffe wie „Stuhltransplantation“ werden ernsthaft auf wissenschaftlichen Kongressen und nicht auf esoterischen Veranstaltungen diskutiert.

Wir hatten bei der Lektüre der vorgelegten Übersichtsarbeiten zum Mikrobiom große Freude und hohen Erkenntnisgewinn, möchten inhaltlich nicht zu viel vorwegnehmen und wünschen Ihnen, wo immer Sie die Zeitschrift Der Hautarzt lesen, ein ähnliches Lesevergnügen!

Ihre

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Thomas Werfel

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Regine Gläser