Anamnese

Anamnese 1

Ein 65-jähriger Patient, der im Gesichtsbereich bereits chronische Lichtschäden aufwies, wurde im Rahmen des Nierentransplantationsscreenings wegen einer neu aufgetretenen rötlichen Läsion in unserer Ambulanz vorstellig. Der Patient selbst bemerkte die Läsion nicht.

Anamnese 2

Eine 59-jährige Patientin kam wegen multipler Nävi zur alljährlichen Routinekontrolle. Die neu aufgetretene rötliche Papel am Rücken rechts war ihr nicht aufgefallen.

Hautbefund

Hautbefund 1

Sternal fand sich eine im Durchmesser etwa 5 mm große, relativ scharf begrenzte gerötete Plaque, die am linken Rand eine Kruste sowie eine randbetonte Schuppung aufwies (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Klinisches Bild: etwa 5 mm große, relativ scharf begrenzte Plaque mit randständiger Schuppung und Kruste sternal

Hautbefund 2

Im Bereich des Dermatoms TH9 am Rücken rechts zeigte sich eine solitäre, im Durchmesser etwa 5 mm große, scharf begrenzte, rötliche Papel mit glatter Oberfläche (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Klinisches Bild: 5 mm große, scharf begrenzte rötliche Papel im Bereich des lateralen Rückens rechts

Dermatoskopie

Dermatoskopie 1

Dermatoskopisch zeigte sich eine rötliche Läsion. Es fanden sich vereinzelt Punktgefäße und zahlreiche glomeruläre Gefäße in regelmäßiger Anordnung sowie eine Kruste am linken unteren Rand der Plaque. Außerdem zeigte sich im Randbereich der Läsion eine Schuppung (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Dermatoskopisches Bild zu Abb. 1: asymmetrische Läsion mit großteils glomerulären Gefäßen in regelmäßiger Anordnung, am linken Rand: Kruste mit Schuppung

Dermatoskopie 2

Unter auflichtmikroskopischer Betrachtung zeigte sich eine unpigmentierte, asymmetrische solitäre Papel mit irregulär angeordneten, linear geschlängelten, vereinzelt glomerulären und punktförmigen Gefäßen sowie weißen Streifen (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Dermatoskopisches Bild zu Abb. 2: asymmetrische Läsion mit linear geschlängelten, vereinzelt glomerulären Gefäßen und weißen Streifen

Wie lautet Ihre Diagnose?

Fall 1

Bei diesem Patienten sprachen die im Dermatoskop sichtbaren, regelmäßig angeordneten glomerulären Gefäße und Punktgefäße sowie das Alter des Patienten für einen Morbus Bowen [1]. Die Kruste und die Schuppung wiesen auf eine Irritation hin. Die frühere Therapie von aktinischen Keratosen im Gesicht sowie eine generelle UV-Schädigung der Haut bestärkten diese Verdachtsdiagnose.

Diagnose 1: Carcinoma in situ (Morbus Bowen)

Ein amelanotisches Melanom sollte jedoch als Differenzialdiagnose immer in Betracht gezogen werden [1].

Die durch Shaving gewonnene histologische Probe bestätigte den Verdacht eines Carcinoma in situ (Morbus Bowen).

Fall 2

Das dermatoskopische Bild zeigte verschiedene Gefäßstrukturen (glomeruläre, linear geschlängelten Gefäße und Punktgefäße) ohne erkennbare Anordnung und weiße Streifen und sprach damit für eine maligne Neoplasie [2]. Das Vorkommen von irregulär verzweigten linearen Gefäßen ist nicht typisch für einen Morbus Bowen. Die fehlende Pigmentierung sowie knotige Beschaffenheit lassen an ein noduläres amelanotisches Melanom denken [1].

Diagnose 2: Malignes Melanom: Stadium I, Tumordicke 0,7 mm, Mitosen <1/mm2, AJCC 2009 und 2017: T1a

Da aufgrund der Klinik und des dermatoskopischen Befundes keine eindeutige Diagnose gestellt werden konnte, erfolgte eine Totalexzision.

Der Verdacht auf ein amelanotisches Melanom wurde auch histologisch bestätigt. Es erfolgte eine Nachexzision.

Diskussion

Aufgrund der dermatoskopischen Bilder einer neu aufgetretenen, unpigmentierten, solitären Läsion, die zum Teil Abweichungen von normalen Gefäßstrukturen zeigt, muss differenzialdiagnostisch an eine maligne Neoplasie gedacht werden. Es sollten aufgrund des Gefäßmusters (glomeruläre, linear verzweigte Gefäße sowie Punktgefäße) ein amelanotisches Melanom und ein Morbus Bowen als Differenzialdiagnosen bedacht werden ([1]; Tab. 1).

Tab. 1 Amelanotisches Melanom vs. Morbus Bowen. (Mod. nach [2, 3])

Melanome ohne jegliche Pigmentierung sind selten, sie machen etwa 2–8 % der melanotischen Subtypen aus. Sie werden mit weiblichem Geschlecht, nodulärer Form, einem erhöhten Breslow-Index und schlechter Prognose assoziiert [2]. Da die ABCDE-Regel für diese Art von Melanomen aufgrund ihres rötlichen, meist scharf begrenzten, symmetrischen, nodulären Auftretens nicht geeignet ist, wurde die EFG-Regel (E = Erhabenheit, F = Festigkeit, G = stetige Größenzunahme) eingeführt. Aufgrund des Mangels an Pigmentation stellt v. a. die polymorphe Gefäßmorphologie ein wichtiges Diagnosekriterium dar. Zusätzlich sind weiße Streifen, die nur gut in der polarisierten Dermatoskopie zur Darstellung kommen, ein wichtiger Hinweis auf ein amelanotisches Melanom [2, 3].