Zusammenfassung
Hintergrund
Der unzureichende Zugang zur Prävention und medizinischen Versorgung von Sexarbeiterinnen (SW) stellt eine Herausforderung für das deutsche Gesundheitssystem dar. Die Erreichbarkeit und die Versorgung der SW in Bochum durch eine Zusammenarbeit zwischen der Interdisziplinären Immunologischen Ambulanz, Zentrum für Sexuelle Gesundheit und Medizin des St. Josef-Hospitals (ZSG), dem Gesundheitsamt Bochum und Madonna e. V. zu verbessern stand im Fokus dieser Arbeit.
Patienten und Methodik
Es wurde ein aufsuchendes medizinisches Angebot zur Diagnostik von sexuell übertragbaren Infektionen (STI) bei SW im Bochumer Bordellbereich zwischen August 2013 und Januar 2014 bereitgestellt. Nach Aufklärung und mündlichem Einverständnis der SW wurden pseudonymisierte, kostenlose HIV-, Syphilis-, Chlamydien-, Gonorrhö- und Trichomonadentests angeboten und durchgeführt.
Ergebnisse
Es wurden 112 SW erreicht (zu 55,4 % im Rahmen der STI-Outreach-Studie), 94,6 % der SW wiesen einen Migrationshintergrund auf. Die Mehrzahl der SW war zwischen 20 und 29 Jahre alt (61,3 %). Im Kollektiv waren lediglich 19,0 % krankenversichert. Folgende STI wurden diagnostiziert: 12,5 % Chlamydien, 6,2 % Syphilis, 3,6 % Gonorrhö, 3,6 % Trichomonaden und 0,9 % HIV. Weiterhin erfolgte eine Gegenüberstellung dieser Ergebnisse mit STI-Untersuchungen bei SW in Deutschland. Die Behandlung erfolgte nach den Standards der Deutschen STI-Gesellschaft.
Schlussfolgerungen
Das Angebot verbesserte in Bochum die Erreichbarkeit und die Inanspruchnahme des medizinischen Angebots durch SW. Eine weitere Verbesserung dieses Angebotes ist dringend notwendig.
Abstract
Background
Inadequate access to prevention and medical treatment for female sex workers (SW) represents a challenge for the German health system. Accessibility and care for SW in Bochum (Germany) through a cooperation between the Interdisciplinary Immunology Outpatient Clinic, Center for Sexual Health and Medicine of St. Josef’s Hospital, the Bochum health department and the Madonna e.V. was the focus of this work.
Patients and methods
Medical outreach services were provided for the diagnosis of sexually transmitted infections (STI) in SW in brothels in Bochum between August 2013 and January 2014. After clarification and verbal consent from the SW, free HIV, syphilis, chlamydia, gonorrhea and trichomoniasis tests were offered and carried out using pseudonyms for the SW.
Results
A total of 112 SW were reached (up to 55.4 % within the framework of the STI Outreach Study). Of the SW, 94.6 % had an immigrant background. The majority (61.3 %) of SW were between 20 und 29 years old. Only 19.0 % of the collective had health insurance. The following STIs were diagnosed: 12.5 % chlamydia, 6.2 % syphilis, 3.6 % gonorrhea, 3.6 % trichomoniasis, and 0.9 % HIV. These results were compared with results from STI studies in SW in Germany. Treatment was performed in accordance with the standards of the German STI Society.
Conclusion
The offer improved the accessibility and the utilization of medical services by SW in Bochum. A further improvement of services is urgently needed.
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Danksagung
Die Autoren danken allen teilnehmenden SW, ohne deren freiwillige Teilnahme diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Wir sind ebenso Herrn Dr. Klaus Jansen vom RKI und Frau Dr. Susanne Kuttner-May vom Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen dankbar, die uns bei der Erstellung dieser Arbeit wichtige Hinweise gegeben haben. Ebenso gilt unser Dank der Firma Hologic, die das Labormaterial für Chlamydien-, Gonorrhö- und Trichomonadentests kostenfrei im Rahmen der STI-Outreach-Studie zur Verfügung gestellt hat sowie dem Kompetenznetz HIV/AIDS für seine Unterstützung (Förderkennzeichen: 01 K1 0501).
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Interessenkonflikt
R.-E. Klingenberg, S. Mannherz, N.H. Brockmeyer, J. Wach, R. Winter, C. Tiemann, A. Lucht, S. Schaffer, M. Eickel und A. Skaletz-Rorowski geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Alle im vorliegenden Manuskript beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Individuelle Daten (Namen und Wohnort) wurden nicht erfasst, sondern ausschließlich mobile Telefonnummern und Pseudonyme über die eine Kontaktaufnahme möglich war. Die SW wurden mit Informationsmaterial in 11 Sprachen sowie im persönlichen Gespräch, inklusive der Freiwilligkeit der Teilnahme, aufgeklärt. Da es sich hierbei um ein pseudonymisiertes medizinisches Angebot handelte, um die nötige Anonymität der Teilnehmerinnen zu gewährleisten, wurde das Einverständnis der SW mündlich eingeholt.
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Klingenberg, RE., Mannherz, S., Brockmeyer, N.H. et al. Local Health Study. Hautarzt 67, 989–995 (2016). https://doi.org/10.1007/s00105-016-3882-3
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