Stress geht unter die Haut. Diese naive wie tief greifende Feststellung vieler Patienten wurde in der Psychodermatologie inzwischen wissenschaftlich fundiert. Das vorliegende Leitthemenheft „Psychodermatologie“ stellt damit durch die Beiträge in diesem Gebiet forschender Kolleginnen und Kollegen eine gute Übersicht über die Entwicklung des Faches in den letzten beiden Jahrzehnten dar.

Im Mai 2013 wird die neue Ausgabe des DSM-V, der Psychiatrie-Klassifikation der amerikanischen Psychiatrie-Enquete, herauskommen. Darin enthalten ist u. a. die neue Diagnose „Skin Picking“, die in dieser Klassifikation durchaus umstritten war. Deutsche Psychiater dieser Entwicklungskommission haben bezweifelt, dass es dieses Syndrom überhaupt gibt und haben dabei die umfangreiche Literatur zu diesem Thema und der Häufigkeit dieser Symptomatik ignoriert: In neueren Studien wird sie mit ca. 15% bei Jugendlichen angegeben, knapp 2% benutzen das „Skin Picking“ regelmäßig zur Regulation emotionaler Zustände [2]. Wegen der großen Bedeutung dieser Symptomatik auch in der dermatologischen Sprechstunde hat die European Society for Dermatology and Psychiatry (ESDaP) kürzlich ein neues Klassifikationssystem vorgeschlagen, um den betroffenen Patienten in Zukunft spezifischer und mit einem störungsorientierten Therapieansatz besser begegnen zu können [3].

Warum Stress in die Haut kommt, ist ein altes Thema, das im Rahmen der neuen Psychoimmunologie neue Erklärungsansätze hervorgebracht hat, die ebenfalls in diesem Heft ausführlich erläutert werden. Inzwischen wurde klar, dass bei vielen chronisch entzündlichen Dermatosen neurogene Entzündungsprozesse zumindest einen Teil der Erklärung liefern [7, 12, 13, 14].

Aber auch neuere epidemiologische Daten zeigen den klaren Einfluss von Hauterkrankungen auf die psychosoziale Belastung bzw. verdeutlichen sogar die Entwicklung von psychischen Störungen durch eine chronische Erkrankung, wie z. B. die Psoriasis. Kimball et al. [6] konnten in einer umfangreichen Erhebung 7404 Psoriasispatienten unter 18 Jahren erfassen mit einer neu diagnostizierten Psoriasis, die sie mit 37.020 Kontrollkindern ohne Psoriasis oder psychischen Erkrankungen in einem Zeitraum von 6 Jahren verfolgten: 5,13% der Kinder mit Psoriasis entwickelten in dieser Zeit psychische Erkrankungen (Angst, Depression, Selbstmordgedanken, Essstörungen, Sucht oder bipolare Störungen), während signifikant weniger Kinder der Kontrollgruppe (4,07%) eine solche Erkrankung entwickelten. Auch bei der Akne konnte in einer repräsentativen Umfrage festgestellt werden, dass fast 25% der 14- bis 19-Jährigen unter Akne leiden und Selbstmordgedanken in Abhängigkeit vom Schweregrad häufiger sind [1]. Die chronische Urtikaria steht diesen Aspekten ebenfalls offenbar nichts nach [5]. Somatoforme Reaktionen bei Patienten mit Allergien sind ein nicht zu unterschätzendes Problem, gerade im Hinblick auf die häufigen Angstsymptome und vielen Pseudo-Nahrungsmittelunverträglichkeiten [4].

Psychodermatologie ist zu einem festen Bestandteil der Dermatologie geworden

Auch neue Probleme, die im Rahmen der Psychodermatologie auftauchen, sind in letzter Zeit häufiger vorgekommen: Das sog. „Frozen Face“ ist eine bekannte Komplikation in der kosmetischen Dermatologie. Der Umgang mit diesen Patienten, bei denen sich nach zahlreichen Botox-Behandlungen trotz des Leidensdrucks des Patienten keine Verbesserungen mehr erreichen lassen, zeigt, wie wichtig hier psychosomatische Ansätze sind. Auch die von Schmidt-Borko [11] beschriebene Tannorexie ist eine neue Entität: Sie beschreibt Patienten, die es in suchtartiger Weise – wie bei den Essstörungen – nicht unterlassen können, sich im Solarium bräunen zu lassen und trotz besseren Wissens das Risiko eines späteren Hautkrebses fast bewusst eingehen. Wenn man im Internet nach dem Begriff „Post-Finasterid-Syndrom“ sucht, findet man einen Austausch über das Problem, das nach dem Absetzen von Finasterid, das wegen männlichem Haarausfall angewendet wurde, häufig chronische Müdigkeit im Sinne des Chronic-fatique-Syndroms entstehen sollen (http://de.wikipedia.org/wiki/Post-finasteride_syndrome). Die Psychodermatologie würde diese neue Lifestyle-Erkrankung als „Somatisierungsstörung“ einordnen. Wie man mit solchen teils merkwürdig anmutenden Hauterkrankungen umgeht, wurde von Poot et al. [9, 10] in der Arbeit zur Arzt-Patient-Beziehung und zum Basiswissen in der Psychodermatologie dargestellt.

Die hier zitierten neuen Studien, die nur eine kleine Auswahl der inzwischen umfangreichen Literatur zur Psychodermatologie darstellen, weisen auf die zunehmend auch wissenschaftlich gut untermauerte These hin, dass Stress doch unter die Haut geht. Wir freuen uns sehr, wenn sich die Leser der Zeitschrift Der Hautarzt durch die Lektüre der folgenden Beiträge mit diesen neuen Entwicklungen vertraut machen, und sind froh, dass die Schriftleiter von Der Hautarzt und der Springer-Verlag dieses Thema zum Leitthemenheft gemacht haben. Psychodermatologie ist zu einem festen Bestandteil der Dermatologie geworden.

Prof. Dr. Uwe Gieler

Prof. Dr. Wolfgang Harth