Vor 100 Jahren wurden die ersten Publikationen veröffentlicht, die auf die Wirksamkeit einer spezifischen Immuntherapie mit Allergenen bei – wie wir heute wissen – durch IgE-bedingten Sensibilisierungen ausgelösten Erkrankungen hinwiesen (Noon, Freeman). Vor allem die überzeugende Verhinderung von Anaphylaxien durch Hymenopterengift, aber auch qualifizierte klinische Studien zum Nachweis der Wirksamkeit der SIT einschließlich der Vermeidung eines „Etagenwechsels“ sowie anhaltende Toleranz auch nach Therapieende haben diese Behandlung medizinisch „hoffähig“ gemacht. Zudem verstehen wir heute die Toleranzinduktion bei einer SIT besser, die durch Effekte auf mehreren Ebenen der Immunreaktion IgE-abhängiger Reaktionen beruht:

  • Die regelmäßige und vergleichsweise hohe Antigenexposition des Patienten führt unter Kontrolle von antigenpräsentierenden Zellen zu einer Verschiebung der spezifischen T-Lymphozytenpopulationen mit Bevorzugung regulierend wirkender Treg-Lymphozyten, die sich u. a. durch die Freisetzung von IL-10 und TGF-β auszeichnen.

  • Die Verschiebung der T-Zell-Populationen begünstigt eine verstärkte IgG- und IgG4-Bildung neben bzw. statt einer bevorzugten IgE-Bildung,

  • und schließlich auf der Ebene von Entzündungen mediierenden Effektorzellen wie Eosinophile, Mastzellen und Basophile zu einer abnehmenden Stimulierbarkeit durch das Antigen.

Dermatologen sind natürlich besonders interessiert an der aktuellen Diskussion einer möglichen Verwendung dieser Therapieform bei der atopischen Dermatitis. Der neueste Stand wird daher zu Beginn der Arbeiten zur SIT in dieser Ausgabe der Zeitschrift Der Hautarzt dargestellt. Dabei wird nicht nur die besondere Komplexität dieser Erkrankung deutlich, sondern auch die besondere Bedeutung einer adäquaten dermatologischen Therapie der Haut. Besonders interessant ist schließlich der Ausblick, dass v. a. schwere Formen der atopischen Dermatitis mit einer der SIT zugänglichen Sensibilisierung eine mögliche Indikation darstellen können.

Eine weitere häufige Fragestellung in der Praxis ist die nach der Indikationsstellung einer SIT bei Tierhaarallergien, insbesondere bei Katzen. Nicht nur die häufige Tierhaltung, auch Besonderheiten des Hauptkatzenallergens machen ein nahezu ubiquitäres Vorkommen möglich. Wenngleich die gegenwärtige Studienlage zur Verwendung bestehender Extrakte wenig ermutigt, bestehen vielversprechende neue Entwicklungen mit sublingual zu applizierenden Präparaten oder durch Verwendung einer Peptidvakzination. Vielfältig können Wechselwirkungen der SIT mit Medikamenten sein, die im dritten Beitrag erörtert werden:

  • Die Verträglichkeit der SIT kann z. B. durch Antihistaminika und Omalizumab verbessert werden.

  • Andere Präparate wie ACE-Hemmer oder β-Rezeptor-Blocker können sie beeinträchtigen.

  • Immunsuppressiva können die Wirksamkeit infrage stellen.

Bei Kindern stellt die sublinguale Applikationsform eine interessante Alternative dar

Gerade bei Kindern stellt die sublinguale Applikationsform eine interessante Alternative dar und wird im nächsten Beitrag vor dem Hintergrund bestehender Studien diskutiert. Während die Verwendung von In-vitro-Methoden in der Diagnostik IgE-abhängiger Allergien, insbesondere der Sensibilisierung gegenüber Hymenopterengiften, etabliert ist, bestehen nur vorläufige Daten zum Monitoring bei spezifischer Immuntherapie

Wir hoffen, dass die hier getroffene Auswahl der Themen zur spezifischen Immuntherapie und ihre Darstellung Ihnen eine interessante Lektüre bietet und Sie zur Verwendung dieser Therapieform im Interesse der Patienten bestärkt – trotz der entmutigenden gesundheitspolitischen Entwicklung, die in zunehmendem Kontrast zu den Möglichkeiten dieser Therapie 100 Jahre nach ihrer Einführung steht.

Alexander Kapp

Hans F. Merk