Seit dem letzten Leitthemenheft „Urtikaria“ in der Zeitschrift Der Hautarzt (Hautarzt 58:300–320) sind 3 Jahre vergangen. Auch wenn mit 5 Beiträgen nicht alle Aspekte der Urtikaria umfassend abgedeckt werden können, bietet dieses Leitthemenheft Ihnen die Möglichkeit, sich über neue Erkenntnisse zu informieren.

Das häufige Reaktionsmuster Urtikaria ist per Blick einfach zu diagnostizieren, seine Pathogenese aber multifaktoriell. Die Differenzierung der verschiedenen Urtikariasubtypen mit geeigneten diagnostischen Maßnahmen ist wesentliche Voraussetzung für die Auswahl einer adäquaten Therapie. Dies ist besonders wichtig vor dem Hintergrund, dass die meisten Urtikariaformen, v. a. die chronische spontane Urtikaria, mehrjährig persistieren und zu einer deutlich eingeschränkten Lebensqualität und Minderung von Arbeitsfähigkeit bzw. Schulfähigkeit führen und somit eine erhebliche sozioökonomische Bedeutung haben.

Die stark eingeschränkte Lebensqualität bei allen Urtikariaformen beruht v. a. auf dem ausgeprägten Juckreiz, der entgegen der weit verbreiteten Ansicht wohl nicht ausschließlich histaminvermittelt ist, denn zunehmend wird deutlich, dass H1-Antihistaminika die Symptome oft nicht suffizient behandeln. Frau Prof. Dr. Ulrike Raap et al. zeigen in ihrer Übersicht den aktuellen Kenntnisstand zur Pathogenese des Pruritus bei Urtikaria auf und eröffnen die Diskussion über neue therapeutische Ansätze.

Die Differenzierung der Urtikariasubtypen ist Voraussetzung für eine adäquate Therapie

Mithilfe einer gezielten Anamnese sowie standardisierter physikalischer Testungen sollten induzierbare Formen klar von den spontanen Urtikariaformen abgegrenzt werden, auch wenn sie parallel auftreten können. Zu den induzierbaren Urtikariaformen zählt neben Urticaria factitia und verzögerter Druckurtikaria sowie cholinergischer Urtikaria die relativ häufige Kälteurtikaria. Diagnostik und Management der Kälteurtikaria und die klare Abgrenzung zur inzwischen gut charakterisierten Gruppe der cryopyrinassoziierten periodischen Syndrome (CAPS) werden von Dr. Karoline Krause et al. anschaulich vorgestellt.

Bei den spontanen Urtikariaformen stellt nach wie vor die chronische spontane Urtikaria die größte Herausforderung dar. Den Themen Prävalenz, Verlauf, Prognosefaktoren und Folgen widmen sich Dr. K. Weller et al.

Eine effektive, spezifische medikamentöse Therapie der Urtikaria wurde bisher nicht entwickelt. Die einzig zugelassene Therapie ist die symptomatische Behandlung mit H1-Antihistaminika in Standarddosis, die häufig unzureichend ist. Vor diesem Hintergrund ist die Identifikation potenzieller behandelbarer Triggerfaktoren essenziell. Derzeit berücksichtigt das empfohlene diagnostische Standardprogramm bei chronischer spontaner Urtikaria persistierende, meist subklinische Infekte (v. a. mit Helicobacter pylori, Streptokokken, Staphylokokken, Yersinien), Autoreaktivität (autologer Serumtest, Schilddrüsenautoantikörper, evtl. antinukleäre Antikörper) und die Neigung zu nichtallergischen (pseudoallergischen) Überempfindlichkeitsreaktionen (v. a. gegenüber Acetylsalicylsäure und anderen nichtsteroidalen Antirheumatika, in Einzelfällen auch gegenüber Nahrungsmitteladditiva). Nichtsdestotrotz wird die Rolle persistierender Infekte kontrovers diskutiert. Ältere und neue Literatur bezüglich Infektfokus und chronische spontane Urtikaria werden von Prof. Dr. Bettina Wedi et al. präsentiert.

Trotz Beseitigung von Triggerfaktoren und symptomatischer Therapie mit H1-Antihistaminika kann die Urtikaria persistieren. Die therapeutischen Alternativen für diese schwer Betroffenen werden mit zahlreichen praktischen Tipps im letzten Beitrag von Prof. Dr. Marcus Maurer et al. aufgezeigt. Besonders spannend sind hierbei die vielversprechenden und bisher vom Wirkmechanismus her unerklärten Erfolge mit Omalizumab.

Die Beiträge in diesem Leitthemenheft „Urtikaria“ zeigen, dass die letzten Jahre hochinteressante Erkenntnisse gebracht haben. Das Forschungsfeld wird immer spannender, und das ist gut so, denn es werden dringend effiziente, möglichst zugelassene alternative Therapieoptionen benötigt. Bis dahin müssen wir auf Bewährtes, meist aber nicht Evidenzbasiertes zurückgreifen. Immerhin konnten durch die systematische Literatursichtung und die nationale und internationale Konsensbildung von Experten Klassifikation und Management vereinheitlicht werden. Für weitere Informationen empfehlen wir die beiden deutschsprachigen Leitlinien zur Urtikaria, die in Kürze auf den Seiten der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (http://www.awmf-online.de) sowie in den entsprechenden Organen der beteiligten Fachgesellschaften veröffentlicht werden.

Mit besten kollegialen Grüßen

Prof. Dr. Bettina Wedi Prof. Dr. Torsten Zuberbier