Abdominelle muzinöse Neoplasien stellen sehr seltene Erkrankung dar, die klinisch oft gemeinsam als Pseudomyxoma-peritonei-Syndrom imponieren. Oft werden sie als Zufallsbefund im Rahmen einer Laparoskopie oder Laparotomie bei unklaren abdominellen Beschwerden, Aszites und Bauchumfangszunahme diagnostiziert. Chirurg*Innen stehen dann vor der Aufgabe, die richtige Diagnose zu stellen und eine adäquate Therapie genau zu diesem Zeitpunkt anbieten zu können. Die Kombination aus zytoreduktiver Chirurgie (CRS) und hyperthermer intraperitonealer Chemotherapie (HIPEC) bildet die Säulen der chirurgischen Therapie. Die Ergebnisse dieser oft aufwendigen und zeitintensiven Eingriffe konnten in den letzten Jahren durch die Anwendung standardisierter chirurgischer Techniken, strukturierter Ausbildung und Vernetzung sowie der Durchführung der Eingriffe gemäß erworbener Expertise verbessert werden.

Abdominelle muzinöse Neoplasien imponieren klinisch oft gemeinsam als Pseudomyxoma-peritonei-Syndrom

Diese Ausgabe von Die Chirurgie befasst sich mit der Diagnostik und Therapie abdomineller muzinöser Neoplasien, die oft von der Appendix ausgehen, zum Pseudomyxoma-peritonei-Syndrom (PMP) führen, durch Chirurgie und HIPEC mit guter Prognose behandelt werden können und auch im Falle eines Rezidivs ein „klassisches“ chirurgisches Krankheitsbild darstellen.

Der erste Beitrag von Fischer et al. (Köln) beschreibt den aktuellen Stand der pathologischen Klassifikation, der die Grundlage für die weitere Therapie dargestellt. Heutzutage gilt es, die historischen Begriffe Mukozele oder muzinöses Zystadenom der Appendix zu vermeiden und eine Einteilung in „low-grade“ muzinöse Neoplasie der Appendix (LAMN; sehr selten), „high-grade“ muzinöse Neoplasie der Appendix (HAMN), muzinöses Adenokarzinom ohne Siegelringzellen (G2) und muzinöses Adenokarzinom mit Siegelringzellen oder Siegelringzellkarzinom (G3) vorzunehmen. Diese Einteilung hat prognostische Relevanz im Hinblick auf die Entwicklung eines „Low-grade“- oder „High-grade“-PMP.

Oft stellen die abdominellen muzinösen Neoplasien einen Zufallsbefund dar. Köhler et al. (Würzburg) beschreiben einen Algorithmus zur Behandlung der „low grade“ muzinösen Neoplasie der Appendix ohne das Vorliegen eines PMP. Tumorbiospien sind obsolet. Eine exakte Dokumentation des intraoperativen Situs beim Primäreingriff mittels Foto- und Videodokumentation erleichtern die Entscheidungsfindung der weiteren Behandlung im spezialisierten Zentrum und können so die Prognose der Patient*innen beeinflussen.

Kommt es doch zur Aussaat von Muzin in die freie Bauchhöhle, wird in einem weiteren Artikel von Wahba et al. (Köln) die Therapie des nun zu diagnostizierenden Pseudomyxoma-peritonei-Syndroms beschrieben: bildmorphologische Bestimmung des Peritonealkarzinoseindex, extraperitoneale chirurgische Präparationstechniken, HIPEC mit Mitomycin C und ein Modell zur Nachsorge.

Trotz der guten Prognose abdomineller muzinöser Neoplasien kommt es beim PMP mit ausgedehntem Befall zu abdominellen Rezidiven. Wahrscheinlich entstehen diese bedingt durch Muzinnester, die einer ausgedehnten zytoreduktiven Chirurgie beim Primäreingriff nur eingeschränkt zugänglich waren. Leebman et al. (Regensburg) beschreiben in ihrem Artikel Therapiestrategien im Rezidivfall. Durch eine erneute komplette Zytoreduktion kann auch in dieser Situation ein Langzeitüberleben erreicht werden. Symptomatische Patient*innen profitieren darüber hinaus von einer Debulking-Operation.

Die Herausforderung bei der Behandlung muzinöser abdomineller Neopalasien bleibt es, „Maß zu halten“ und eine „Über“- sowie „Unter“-Therapie zu vermeiden.

Roger Wahba und Christiane Bruns