Das vorliegende Themenheft der Zeitschrift Die Chirurgie beleuchtet spezielle Aspekte und Entwicklungen der metabolischen und bariatrischen Chirurgie, die mittlerweile integraler Bestandteil der Viszeralchirurgie in Deutschland sind. Dabei ist es uns gelungen, ausgewiesene Experten als Autoren für die jeweiligen speziellen Aspekte für das Themenheft zu gewinnen.

Die metabolische und bariatrische Chirurgie ist evidenzbasiert die derzeit effektivste Therapieform zur Behandlung der morbiden Adipositas und deren assoziierten Begleiterkrankungen. So konnte in mehreren prospektiv randomisierten sowie in hochqualitativen Registerstudien gezeigt werden, dass die bariatrische Chirurgie die aktuell einzige Therapie ist, die zu einer langfristigen und relevanten Gewichtsabnahme, Verbesserung oder Remission adipositasassoziierter Erkrankungen, einer verbesserten Lebensqualität und Funktionalität sowie einem verlängerten Überleben bei den operierten Patienten führt.

Das in Deutschland dennoch weiterhin bestehende Akzeptanzdefizit zur metabolischen und bariatrischen Chirurgie wird zwar einerseits durch die immer weiter anwachsende Evidenz und zum anderen durch die stetigen Bemühungen der Behandler sowie der Arbeitsgemeinschaften der medizinischen Fachgesellschaften abgebaut – so ist in den letzten 5 Jahren eine Verdopplung der durchgeführten Eingriffe zu verzeichnen. Trotzdem besteht weiter eine eklatante Unterversorgung von Patienten mit morbider Adipositas in Deutschland.

Speziell in den letzten 2 Jahren hat auch die COVID(„coronavirus disease“)-Pandemie in Deutschland und die damit einhergehende Notwendigkeit der Verschiebung elektiver chirurgischer Eingriffe Einfluss auf die operative Behandlung bariatrischer Patienten gehabt. In diesem Kontext wird in dem vorliegenden Themenheft speziell die Auswirkung der COVID-Pandemie auf die Versorgung bariatrischer Patienten in Deutschland von Vladimirov et al. anhand der verfügbaren nationalen Registerdaten (StuDoQI/MBE) aufgezeigt. Besonderer Fokus wird dabei auf die Patientensicherheit sowie die Analyse der Operationszahlen, Verfahrenswahl und Nachsorge gelegt.

Aufgrund der hohen Prävalenz von aktuell bis zu 5 Mio. Patienten mit gegebener Operationsindikation kann die metabolische/bariatrische Chirurgie derzeit das sozioökonomische Problem der pandemieartigen Adipositas nicht allein lösen. Hierzu sind die Implementierung weitreichender präventiver Konzepte einerseits und die Entwicklung wirksamer konservativer, medikamentöser Therapien andererseits notwendig. Darüber hinaus wird zukünftig zu erwarten sein, dass eine Kombination aus konservativer, medikamentöser und chirurgischer Therapie – sei es neoadjuvant oder adjuvant – zu einem neuen Standard in der Behandlung der morbiden Adipositas werden wird.

Konservative, medikamentöse Therapien mit einem annähernd ähnlichen Wirkungsgrad wie dem der metabolischen/bariatrischen Chirurgie sind seit jüngster Zeit verfügbar oder befinden sich derzeit in klinischer Erprobung. Mazaheri et al. geben in ihrem Beitrag eine Übersicht über die bereits zugelassenen und die in klinischer Erprobung befindlichen Medikamente und beleuchten insbesondere den Aspekt multimodaler Konzepte im Sinne neoadjuvanter und adjuvanter Therapiestrategien – vergleichbar zu Konzepten der modernen onkologischen multimodalen Therapie.

Kombination aus konservativer, medikamentöser und chirurgischer Therapie wird zum neuen Standard werden

Auch wenn die bariatrische Chirurgie nachgewiesenermaßen ein wirksames und etabliertes Therapieverfahren der morbiden Adipositas darstellt, besteht hinsichtlich der Operationstechnik speziell bei den intestinalen Bypassverfahren weiterhin Diskussionsbedarf zu der Wahl der unterschiedlichen Schlingenlänge, auch unter dem Aspekt der Implementierung neuer Operationsverfahren. Die Evidenz hierzu ist in den letzten Jahren stetig angewachsen, wobei auch zunehmend prospektiv randomisierte Studien vorliegen. Diese Thematik wird in dem Beitrag von Seidemann et al. adressiert und für den interessierten Leser von Die Chirurgie eine aktuelle Übersicht geschaffen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, den es zu beachten gilt, stellt die Tatsache dar, dass nach einem metabolischen/bariatrischen Eingriff das Risiko für eine Cholezystolithiasis erhöht ist. Die chirurgische bzw. endoskopische Behandlung eines komplizierten Steinleidens kann insbesondere nach intestinalem Bypassverfahren erschwert sein, wenn auch in einer Kombination aus laparoskopischem Eingriff und endoskopischer retrograder Cholangiographie weiter möglich.

In diesem Kontext stellt sich die Frage, bei welchem Patienten die Indikation zur Cholezystektomie besteht und ob diese vor, nach oder simultan zum bariatrischen Eingriff erfolgen sollte. Auch vor dem Hintergrund, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ab diesem Jahr eine Zweitmeinung vor einer elektiven Cholezystektomie verlangt, schafft der Beitrag von Blank et al. anhand der vorliegenden Literatur eine indikatorische Klarheit. Zudem wird die zunehmende Evidenz zur Wirksamkeit und Indikation zur medikamentösen Prophylaxe der Cholezystolithiasis zusammengefasst.

Die Durchführung einer Ösophagogastroduodenoskopie ist vor bariatrischem Eingriff entsprechend der vorliegenden Leitlinie gefordert. Darüber hinaus sind nach Sleeve-Gastrektomie und Omega-Loop-Bypass aufgrund einer möglichen postoperativen Refluxproblematik regelmäßige postoperative endoskopische Kontrollen durch die IFSO empfohlen. Mit endoskopischen Interventionen sind zudem zum einen die Behandlung der Adipositas per se und zum anderen die Therapie prozedurspezifischer Folgestörungen bariatrischer Eingriffe (z. B. dem Dumping-Syndrom) möglich. Darüber hinaus hat die Endoskopie einen bedeutenden Stellenwert in der Behandlung perioperativer und langfristiger Komplikationen (wie Leckagen, Blutungen, Stenosen etc.).

Dementsprechend haben die diagnostischen und therapeutischen endoskopischen Verfahren bei bariatrischen Patienten zu einer zunehmenden Subspezialisierung innerhalb der Endoskopie des Gastrointestinaltraktes geführt. Die speziellen Aspekte der endoskopischen Verfahren bei bariatrischen Patienten werden in der aktuellen Übersichtsarbeit von Ahrens und Stier dargestellt und bewertet.

Wir hoffen dem Leser von Die Chirurgie mit diesem Themenheft einen interessanten und aktuellen Überblick über wichtige Aspekte und Entwicklungen in der metabolischen und bariatrischen Chirurgie gegeben zu haben, der in der täglichen Praxis von Nutzen ist und wünschen viel Vergnügen beim Lesen.

C.-T. Germer, F. Seyfried