Schon lange gilt die Chirurgie beim Neugeborenen und beim Kind als Spezialisierung unabhängig von der Art des Eingriffs. Dies berücksichtigt nicht nur die Indikationsstellung und operationstechnische Details, sondern reicht von der Vorbereitung, der perioperativen Medizin bis zur Nachsorge. Schaut man zeitlich in die andere Richtung des Lebens, so werden die erwachsenen Patienten in den jeweiligen chirurgischen Spezialisierungen versorgt. Bei der steigenden Lebenserwartung und den mit zunehmendem Alter auftretenden Erkrankungen wird auch die Zahl der Menschen, die durch eine Operation behandelt werden, immer größer. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass physiologische Alterungsprozesse Einfluss auf die Reaktion des Körpers auf das Operations- und Narkosetrauma haben. Die Zahl von Nebenerkrankungen steigt ebenfalls mit zunehmendem Alter. Nicht zuletzt ändert sich auch die individuelle Lebensperspektive der Patienten, der sicher auch schon in der Therapieplanung Rechnung getragen werden sollte. Um auch den alten Patienten eine beste Behandlung zu ermöglichen, müssen Diagnose- und Behandlungspläne dem Alter angepasst werden.

Entsprechend den chirurgischen Spezialisierungen haben wir in dieser Ausgabe versucht, der Spezifik des alten Menschen als Patient Rechnung zu tragen und aktuelle Empfehlungen dazu für sie darzustellen.

Die Thematik in der Viszeralchirurgie erörtern Reese et al. Bisher verwendete Scores zur Risikostratifizierung von Operationen berücksichtigen das Alter und damit assoziierte Probleme nur ungenügend. Versuche, die perioperative Prognose durch eine multimodale, präoperative Vorbereitung (Prähabilitation) zu verbessern, werden anhand bis dato vorliegender Studien diskutiert. Dies kommt gerade für Tumorpatienten infrage. Auf das zu ändernde perioperative Vorgehen insbesondere dem Volumen- und Flüssigkeitsmanagement und der anzupassenden Medikamentengabe (bei altersabhängiger Pharmakokinetik) wird eingegangen. Diagnostik und Komplikationsmanagement bei den meist oligosymptomatischen Patienten werden ebenfalls angesprochen. Speziell diskutiert werden Vor- und Nachteile laparoskopischer Operationen im Alter.

Für die Gefäßchirurgie haben Debus et al. das Thema bearbeitet. Bei der hier primär schon durch die Grunderkrankung bedingt älteren Klientel zeigt der methodische Fortschritt der endovaskulären Chirurgie, dass „dem Machbaren bald keine Grenze mehr gesetzt“ sind. Da stellt sich natürlich die Frage … „Ist das Mögliche auch sinnvoll?“ Kardiovaskuläre Nebenerkrankungen und Stoffwechselstörungen sowie demenzielle Erkrankungen sind häufig. Behandlungsziele wie Erhalt der Selbstständigkeit und Lebensqualität bei bestmöglicher Schmerzfreiheit sind neu definiert. Eine ethisch vertretbare Indikationsstellung wird gefordert. Als sinnvolle Methode für eine individualisierte Therapieentscheidung wird das I‑SWOT-Schema als Hilfe aufgeführt.

Für die Thoraxchirurgie diskutieren Ehrsam und Aigner die Pathophysiologie und die perioperative Medizin sowohl für benigne als auch maligne Erkrankungen. Nach Vorauswahl sind Hochrisikoeingriffe wie eine Pneumonektomie oder eine pulmonale Endarteriektomie ohne erhöhte Mortalitätsraten möglich. Es profitieren ausgewählte alte Patienten mit fortgeschrittenen Bronchialkarzinomen im Weiteren sogar von einer adjuvanten Chemotherapie. Minimal-invasive Operationsverfahren und nichtintubierte Anästhesie tragen zur Risikoreduktion bei marginalen Patienten bei. Es werden die lungenspezifischen und thoraxchirurgisch relevanten pathophysiologischen Verändern des alternden Menschen erläutert und Empfehlungen für die optimale präoperative Selektion, die Optimierung der Operation, des perioperativen Managements und der postoperativen Rekonvaleszenz abgegeben.

Als Beispiel für das Vorgehen bei Organtransplantationen diskutieren Tautenhahn et al. die Möglichkeiten der Lebertransplantation bei alten Patienten. Es wird zunächst festgehalten, dass eine Altersobergrenze heute nicht mehr existiert. Es wird ein dezidiertes kardiovaskuläres und pulmonales Assessment im Rahmen der Evaluierungsuntersuchungen vorgeschlagen, da beatmungsinduzierte pulmonale Komplikationen, unter anderem aufgrund der reduzierten Immunfunktion und des altersbedingten Verlusts physiologischer Reserven, eine erhöhte perioperative Morbidität und Mortalität bedingen. Der als „frailty“ bezeichnete Zustand verminderter körperlicher und psychischer Belastbarkeit tritt unabhängig vom Alter häufig bei Patienten mit einer Lebererkrankung im Endstadium auf. Ebenso findet man hier häufig Patienten mit Sarkopenie. Im Weiteren wird die Logistik nach Transplantation inklusive der Anpassung der Dosierung der Immunsuppressiva diskutiert. Von besonderer Bedeutung ist auch die Diskussion um alte Spenderorgane, die sensibler auf Ischämie und Reperfusion reagieren. Ethische Fragen der Allokation im Verhältnis zu jungen Patienten werden diskutiert, sind aber derzeit schwer zu klären.

Die Behandlung der älteren Patienten wird bei steigender Fallzahl heute eine tägliche Aufgabe in allen chirurgischen Fächern. Die vorliegende Ausgabe dient sicher dazu, das Verständnis des Lesers zu erhöhen.

Prof. Dr. Utz Settmacher