FormalPara Originalpublikation

Petrelli F, Trevisan F, Cabiddu M et al (2020) Total neoadjuvant therapy in rectal cancer: a systematic review and meta-analysis of treatment outcomes. Ann Surg 271(3):440–448.

FormalPara Hintergrund und Fragestellung.

Die Hinzunahme einer Induktionschemotherapie zur neoadjuvanten Langzeitradiochemotherapie beim lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom (im Sinne einer total neoadjuvanten Therapie [TNT]) soll das Tumor-Downsizing verbessern und gleichzeitig gegen okkulte Mikrometastasen wirksam sein, beides mit Blick auf ein besseres Outcome der betroffenen Patienten. Ziel der aktuellen Literaturübersicht und Metaanalyse war die Beurteilung der Effektivität der TNT-Strategie bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom im Hinblick auf die Rate an pathologischer „complete response“ (pCR), der Therapiesicherheit und des onkologischen Outcomes, jeweils verglichen zur neoadjuvanten Standardradiochemotherapie (nRCT).

FormalPara Methode.

Hierzu wurden aus den bekannten medizinischen Datenbanken alle Studien zur gegebenen Fragestellung bis Januar 2019 extrahiert, denen Ergebnisse zum onkologischen Outcome oder der pCR-Rate von Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom zu entnehmen waren, die mittels TNT-Konzept behandelt wurden. TNT war dabei definiert als Induktionschemotherapie gefolgt von nRCT und anschließender Rektumresektion oder nRCT gefolgt von einer konsolidierenden Chemotherapie und anschließender Rektumresektion. Primärer Endpunkt der Studie war die Rate an pCR des TNT-Konzeptes, sekundäre Endpunkte beinhalteten das Lymphknoten-Downstaging, die R0-Resektionsrate, das krankheitsfreie und Gesamtüberleben sowie die Toxizität.

FormalPara Ergebnisse.

Insgesamt konnten 28 Studien (3 retrospektive und 25 prospektive) der Jahre 2003 bis 2019 mit 3579 Patienten identifiziert werden: n = 2628 Patienten behandelt mit TNT und n = 891 Patienten behandelt mit Standard-nRCT. In 25 der 28 Studien erfolgte die nRCT als konventionell-fraktionierte Langzeitradiochemotherapie, in den übrigen 3 Studien kam die neoadjuvante Kurzzeitbestrahlung zur Anwendung. Das mediane Follow-up lag zwischen 15 und 72,6 Monate (Median 43). Die Rate an pCR lag bei Patienten des TNT-Konzeptes bei 22,4 % (95 %-Konfidenzintervall: 19,4–25,7; p < 0,001). In den 10 Studien, die einen Vergleich der TNT mit der Standard-nRCT zuließen, erhöhte die TNT die Rate an pCR um 39 % (Odds Ratio = 1,39; 95 %-Konfidenzintervall: 1,08–1,81; p = 0,01). Patienten mit durchgeführter TNT zeigten ein besseres krankheitsfreies („disease-free survival“ [DFS]: Hazard Ratio = 0,75; 95 %-Konfidenzintervall: 0,52–1,07; p = 0,1) und Gesamtüberleben („overall survival“ [OS]: Hazard Ratio = 0,73; 95 %-Konfidenzintervall 0,59–0,9; p = 0,004). Durch die Anwendung der TNT reduzierte sich die Metastasierungsrate bzw. die Lokalrezidivrate um jeweils ca. 30 % (Odds Ratio = 0,73; 95 %-Konfidenzintervall: 0,55–0,95; p = 0,02 bzw. Odds Ratio = 0,68; 95 %-Konfidenzintervall 0,16–2,8; p = 0,6). Das Toxizitätsprofil war für TNT und Standard-nRCT vergleichbar.

Kommentar

Die vorliegende Metaanalyse zeigt sehr eindrücklich, dass durch die Anwendung des TNT-Konzeptes eine pCR bei knapp einem Viertel der so behandelten Patienten möglich ist, was etwa um den Faktor 1,4 höher ist als nach Standard-nRCT. Darüber hinaus zeigen die Daten zum DFS und OS, dass auch diese Endpunkte durch die TNT günstig beeinflusst werden, was mutmaßlich auf einer frühzeitigeren Adressierung der systemischen Mikrometastasierung durch die Induktions-/konsolidierende Chemotherapie zurückzuführen ist. Mit dem TNT-Konzept ergibt sich daher vor allem für Rektumkarzinome, die ein hohes Risiko einer frühen Metastasierung oder eine geringere Wahrscheinlichkeit einer lokalen R0-Resektabilität haben, eine interessante neue Therapiestrategie.