Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

periprothetische Frakturen sind heute kein Kolibri, sondern gehören zum Alltag in der Unfallchirurgie und operativen Orthopädie. Die deutlich steigende Zahl der Endoprothesenimplantationen (2005–2013: +15,2 %) zieht unweigerlich auch eine große Zahl von Revisionseingriffen nach sich. Gemäß dem Deutschen Endoprothesenregister (EPRD) wurden 2019 mehr als 17.000 Revisionseingriffe durchgeführt. Zwar entfallen diese immer noch zum großen Teil auf Lockerungen, Luxationen und Infektionen. Periprothetische Frakturen machen aber mit ca. 11 % einen erheblichen Anteil aus – Tendenz steigend. Die Herausforderung in der Versorgung liegt nicht nur in der Fraktur selbst, sondern auch im hoch anspruchsvollen Kollektiv einer immer älter werdenden Bevölkerung, die einen hohen funktionellen Anspruch hat, aber auch zahlreiche Komorbiditäten mitbringt. Zusätzlich gilt es, auf die Operation optimal vorbereitet zu sein. So ist einerseits die Kenntnis des zuvor eingebrachten Prothesentyps erforderlich. Andererseits ist eine dezidierte präoperative Planung mit speziellen Implantaten für den Wechsel oder zur Fixation unumgänglich. Das mittlerweile etablierte Unified Classification System, das vor Kurzem aktualisiert wurde, gibt Ihnen einige Hinweise. Darüber hinaus bedarf es insbesondere bei Wechseloperationen einer erheblichen Infrastruktur, um diese komplexe Entität erfolgreich zu therapieren.

„Fest oder locker?“ Das ist die Kernfrage, die möglichst vor der Operation beantwortet werden sollte. Hier helfen Röntgenaufnahmen vor der Fraktur sowie die sorgfältig erhobene Anamnese, die Hinweise auf eine Prothesenlockerung vor dem Sturz geben kann. Die zügige Wiederherstellung der vollen Belastbarkeit gelingt trotz aller Spezialimplantate zur Fixation oder zum Prothesenwechsel nicht immer.

Die Grundlagen und Prinzipien der Behandlung periprothetischer Frakturen werden zu Beginn dieses Heftes erläutert. Diese finden sich in den weiteren Artikeln wie ein roter Faden wieder.

Grundsätzlich gelten für alle Lokalisationen ähnliche Prinzipien. Von der Frakturmorphologie, der Knochenqualität und der Stabilität der Prothese hängt die Wahl der geeigneten Therapie ab. Meist fällt die Entscheidung zwischen einer osteosynthetischen Versorgung oder einem Prothesenwechsel bereits vor der Operation, wobei letzterer bis zum patientenindividuell angefertigten Beckenteilersatz reichen kann.

Es gilt das Prinzip – „be prepared“!

Dennoch wird deutlich, dass gelegentlich von den Prinzipien abgewichen werden muss, wenn die jeweilige Situation es erfordert. Dies gilt für das Schulter- genauso wie für das Hüft- und Kniegelenk. Die Komplexität der periprothetischen Frakturen erlaubt eben nicht immer eine Behandlung streng nach Schema. Hier geben Ihnen die sehr erfahrenen Autoren ihre Tipps und Tricks für eine erfolgreiche Therapie mit auf den Weg.

Wir freuen uns, dass Sie Interesse an diesem Sonderheft von Der Chirurg zum Thema periprothetische Frakturen haben und hoffen, dass die Beiträge der Experten, bei denen wir uns herzlich bedanken, Ihnen helfen, die richtige Strategie zu wählen, wenn Sie in Zukunft eine periprothetische Fraktur versorgen müssen.

Herzlichst,

Ihre

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Univ.-Prof. Dr. med. Michael J. Raschke

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PD Dr. med. Benedikt Schliemann