FormalPara Originalpublikation

Espin Basany E et al (2020) Preoperative oral antibiotics and surgical-site infections in colon surgery (ORALEV): a multicentre, single-blind, pragmatic, randomised controlled trial. Lancet Gastroenterol Hepatol. https://doi.org/10.1016/S2468-1253(20)30075-3

FormalPara Einleitung und Zielsetzung.

Die Frage der (optimalen) Darmvorbereitung vor kolorektalen Eingriffen wird in der chirurgischen Literatur und auch im klinischen Alltag seit Jahrzehnten diskutiert, da sie möglicherweise Einfluss auf das postoperative Outcome und die Morbidität der Patienten haben kann. Die aktuelle multizentrische und einfache verblindete ORALEV-Studie wollte die Frage klären, ob die alleinige orale Antibiotikaprophylaxe am Tag vor der Operation ohne begleitende Darmlavage, verglichen mit keiner oralen Antibiotikaprophylaxe, sich günstig auf die Inzidenz von postoperativen „surgical site infections“ (SSI) nach elektiven Koloneingriffen auswirkt.

FormalPara Methode.

Eingeschlossen waren Patienten mit gegebener Indikation zur Kolonresektion aufgrund eines Kolonkarzinoms oder einer Divertikulitis, die 1:1 in die jeweiligen Behandlungsarme randomisiert wurden: Orale Antibiotikaprophylaxe mit Ciprofloxacin + Metronidazol am präoperativen Tag (experimentelle Gruppe) vs. keine orale Antibiotikaprophylaxe (Kontrollgruppe). Beide Patientengruppen erhielten direkt mit Narkoseinduktion eine i.v.-antibiotische Prophylaxe mit Cefuroxim und Metronidazol. Eine Darmlavage wurde in keiner der beiden Behandlungsarme durchgeführt. Ausgeschlossen waren Patienten mit geplanter Rektumresektion sowie Patienten, die in den vergangenen 2 Wochen eine antibiotische Therapie aus anderer Ursache erhalten hatten. Primärer Endpunkt der Studie war die Inzidenz an SSI.

FormalPara Ergebnisse.

Insgesamt konnten zwischen Mai 2015 und April 2017 N = 582 Patienten für die Studie rekrutiert werden, von denen N = 565 Patienten randomisiert wurden. Nach Applikation der Ein- und Ausschlusskriterien standen N = 536 Patienten für die Analyse zur Verfügung: N = 267 Patienten im Antibiotikaarm (experimentelle Gruppe) und N = 269 Patienten im Kontrollarm. Das mediane Alter lag bei 71 Jahren (36–79), N = 294 Patienten (55 %) waren männlich, jeweils 77 % der Eingriffe in beiden Behandlungsarmen erfolgten laparoskopisch. Die Rate an SSI war mit 11 % (30/269 Patienten) in der Kontrollgruppe signifikant höher als in der experimentellen Gruppe (5 %, 13/267, p = 0,013). Entsprechend lag die „odds ratio“ für eine SSI in der experimentellen Gruppe vs. Kontrollgruppe bei 0,41 (95 %-Konfidenzintervall: 0,20–0,80; p = 0,008). Auch die Rate an Gesamtkomplikationen (inklusive SSI) war in der Kontrollgruppe signifikant höher als in der experimentellen Gruppe (28 % vs. 19 %, p = 0,017), Unterschiede im Schweregrad dieser Komplikationen zeigten sich jedoch nicht (p = 0,85). Auch fanden sich keine Unterschiede in anderen nicht septischen Komplikationen (kardial, pulmonal, renal etc.). Darüber hinaus wurden in der experimentellen Gruppe keine „adverse events“ in Zusammenhang mit der oralen Antibiotikaprophylaxe berichtet.

Kommentar

Mit dem hochwertigen Design einer randomisiert kontrollierten Studie zeigt die vorliegende Arbeit, dass die orale Antibiotikaprophylaxe ohne gleichzeitige orthograde Darmlavage die Rate an SSI signifikant zu senken vermag, und das anscheinend ohne messbare Nebenwirkungen einer solchen Therapie. Die Studie steht damit in Einklang zu vorangegangenen Arbeiten zur oralen Antibiotikaprophylaxe und Darmlavage, die erkennen ließen, dass der hauptsächliche Vorteil in der Antibiotikaprophylaxe zu liegen scheint. Die Autoren empfehlen daher aufgrund der aktuellen Evidenz die präoperative orale Antibiotikaprophylaxe bei allen Patienten vor elektiver Kolonresektion.